Werbung

Nachricht vom 30.11.2020    

Zurück im Job: "Die Krankheit soll mein Leben nicht diktieren"

Katrin H. fährt mit dem Auto zur Arbeit, wie die meisten ihrer Arbeitskollegen. Um zu ihrem Schreibtisch im Statistischen Landesamt Bad Ems zu kommen, muss sie jedoch umsteigen. Die 34-Jährige leidet unter Multipler Sklerose und ist inzwischen auf einen Rollstuhl angewiesen. Dass sie trotz massiver Handicaps berufstätig sein kann, wurde nicht zuletzt durch Beratung, Vermittlung und finanzielle Förderung der Agentur für Arbeit Montabaur ermöglicht. Vor allem aber ist es der Energie und dem Optimismus der jungen Frau selbst zu verdanken: Sie will teilhaben am Leben - mit allem, was dazu gehört.

Katrin H. in ihrem Auto, das ihr ein großes Stück Unabhängigkeit verleiht. Foto: privat

Bad Ems/Montabaur. Die Diagnose MS bekam die gelernte Bauzeichnerin nach monatelanger medizinischer Spurensuche mit 21 Jahren, gerade als sie eine neue Stelle in einem Küchenstudio antrat. Nach dem ersten Schock setzte sie sich das Ziel, das sie bis heute eisern verfolgt: „Aufgeben ist keine Option. Die Krankheit soll mein Leben nicht diktieren.“

Tatsächlich hat Katrin H. in jüngerer Zeit mit einer deutlichen Verschlimmerung zu kämpfen. Aktuell hat sie einen Grad der Beeinträchtigung von 50, aber der Antrag auf Neubewertung ist bereits gestellt: „Ich komme emotional und körperlich sehr schnell an meine Grenzen. Aber es gibt zwei sehr gute Gründe, damit klarzukommen und den Alltag zu stemmen.“ Diese Gründe sind ihr Sohn (5) und ihre Tochter (3).

Zurück aus der zweiten Elternzeit, bekam die junge Mutter im November vergangenen Jahres von ihrem Arbeitgeber die betriebsbedingte Kündigung. Das Küchenstudio war in den Händen neuer Eigner und ihr Job als Disponentin weggefallen.

Die 34-Jährige meldete sich arbeitslos in der Lahnsteiner Geschäftsstelle der Arbeitsagentur Montabaur. „Ich wusste, dass mir eine spezielle Reha-Betreuung zustand, hatte aber keine allzu großen Erwartungen. Und dann war ich überrascht von der Herzlichkeit und Kompetenz, die mir entgegenschlugen. Alle, mit denen ich zu tun hatte, waren verständnisvoll und fürsorglich. Sie haben mir immer wieder Mut gemacht. Hinzu kommt die enorme finanzielle Hilfe, die reibungslos bewilligt und ausgezahlt wurde.“

Im Reha-Team machten sich Alexandra Roos, Martina Schmidt-Gail und Achim Geisel stark für ihre Kundin, als technische Beraterin Ivonne Görgens. Sie wiederum sind beeindruckt vom Engagement der jungen Frau, sämtliche Hürden zu überwinden, um einen Arbeitsplatz in Teilzeit zu finden. Sie schrieb etwa 20 Bewerbungen, bekam immer wieder Absagen und ist sich sicher, dass der Grund dafür auch ihre Krankheit war, selbst wenn wenn das nicht offen formuliert werden darf.

Dann machte Alexandra Roos ihre Kundin auf ein Stellenangebot des Statistischen Landesamts aufmerksam und ermunterte sie, sich zu bewerben und deutlich auf ihre Behinderung hinzuweisen. Gesucht wurde eine Sachbearbeiterin im Zensus. Im Bewerberportal fand sie ein weiteres attraktives Angebot, für das sie sich gleich mitbewarb: eine Teamassistenz im Personalbereich. Eingeladen zu Test und Vorstellungsgespräch wurde sie für beide Jobs. Die Zusage für ihren „Favoriten“ kam binnen weniger Tage und sie konnte sofort anfangen – am 23. März.



Damit waren aber längst nicht alle Probleme gelöst. Die junge Frau ist mittlerweile nicht mehr in der Lage, ein Standardauto zu steuern. Deshalb wurde der Umbau eines Fahrzeugs beantragt. Zunächst fuhr Katrin H. auf Kosten der Agentur mit dem Taxi zur Arbeit und wieder zurück, was ihr selbst am allerwenigsten gefiel. Letztlich dauerte es ab Antragstellung viele Monate, bis sie ihr „maßgeschneidertes“ Auto mit Handgas-Hebel und Rollstuhl-Verladesystem in Besitz nehmen konnte. Dazwischen lag ein Marathon mit fahrmedizinischer Untersuchung, Attest-Übermittlung an den TÜV, Fahrschule mit einem entsprechenden Auto und einer Fahrprobe. Erst dann gab es grünes Licht für einen eigenen PKW, und für die Umrüstung ging natürlich wieder Zeit ins Land.

Das alles geschah im Corona-Jahr. Weil die Kita schließen musste, betreute das Ehepaar H. seine Kinder 13 Wochen lang zu Hause, darunter viele Tage in Wechselschichten – er morgens, sie nachmittags bis zum Abend. Das ist schon für gesunde Menschen Kräfte zehrend. Eine MS-Patientin, die gerade wieder Fuß fasst im Berufsleben, kommt ans absolute Limit.

Inzwischen hat sich manches eingependelt, obwohl wegen der Pandemie von Normalität keine Rede sein kann und Katrin H. weiß, dass ihre gesundheitliche Entwicklung unvorhersehbar ist. Sie kämpft weiter, behält ihre Disziplin und bewahrt ihre Zuversicht: „Ich bin mobil, habe einen Job und kann wieder teilnehmen am Leben. Die Welt steht mir offen! Das ist nach dem Verlust der Selbstständigkeit wie ein Sechser im Lotto.“ (PM)


Lokales: Montabaur & Umgebung
Feedback: Hinweise an die Redaktion

WW-Kurier Newsletter: Immer bestens informiert

Täglich um 20 Uhr kostenlos die aktuellsten Nachrichten, Veranstaltungen und Stellenangebote der Region bequem ins Postfach.

Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Wirtschaft


Die evm-Palettenparty geht in die zehnte Runde: Unterstützung für Karnevalsvereine

Zum zehnten Mal veranstaltet die Energieversorgung Mittelrhein (evm) ihre Palettenparty, um Karnevalsvereine ...

Wirtschaft in der Krise: IHK Koblenz fordert Reformen und setzt auf Cybersecurity

In der Wintersitzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz wurden richtungsweisende Entscheidungen ...

Neuer Vorstand und ehrgeizige Pläne bei den Wirtschaftsjunioren Sieg-Westerwald

In Altenkirchen trafen sich die Wirtschaftsjunioren Sieg-Westerwald e.V. Anfang Dezember zu ihrer ordentlichen ...

Neue Meisterschüler der Handwerkskammer Koblenz starten ihre Karriere

In Koblenz haben 177 angehende Meisterschüler der Handwerkskammer den nächsten Schritt in ihrer beruflichen ...

Feierliche Begegnungen und Zukunftsvisionen: Der Weihnachtsempfang der Westerwald Bank Hachenburg

Der traditionelle Weihnachtsmarktempfang der Westerwald Bank Hachenburg am Vorabend des historischen ...

Rückkehr eines Brauerei-Schatzes: Historische Zapfsäule wieder in Hachenburg

Nach über einem Jahrhundert kehrt eine historische Bierzapfsäule in die Hachenburger Brauerei zurück. ...

Weitere Artikel


Im Westerwald drohen Glatteis und Schnee

Zunächst ist noch schwacher Hochdruckeinfluss mit teils feuchter und kalter Luft im Westerwald wetterbestimmend. ...

Trotz Niederlage: Couragierter Auftritt der Rockets beim HEV

Die EG Diez-Limburg hat sich auch beim zweiten Gastspiel beim Oberliga-Topteam Herner EV teuer verkauft, ...

Der gute Ton – Musterziegel für Fassade begutachtet

Das Verbandsgemeindehaus in Montabaur zeigt erstmals Farbe. Auf dem Baugrundstück am Gerberhof stehen ...

Deichstadtvolleys unterstreichen Ambitionen auf die erste Bundesliga

„So spielen Aufsteiger“, titelte ein Fan der Deichstadtvolleys spontan nach Spielende in einem sozialen ...

Corona Westerwaldkreis: 296 aktive Fälle - Inzidenzwert 68,8

Am Sonntag, den 29. November meldet die Kreisverwaltung Montabaur 1.828 (+26) bestätigte Corona-Fälle. ...

"hähnelsche Buchhandlung" Preisträger beim Deutschen Buchhandlungspreis 2020

Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, hat heute in der Staatsbibliothek Unter ...

Werbung