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Nachricht vom 15.11.2020    

NI: Keine naturwidrigen Aufräum- und Aufforstungsprogramme

„Die Gründe für diese Entwicklung werden allzu schnell allein mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Doch die zurückliegenden Dürrejahre konnten ihre verheerende Wirkung nur entfalten aufgrund einer jahrzehntelang auf Nadelholz fixierten, falschen und nicht nachhaltigen Forstwirtschaft“, erklärten Norbert Panek und Dr. Martin Flade, Buchenwaldexperten und Sprecher des Wissenschaftlichen Beirates des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI).

Symbolfoto

Quirnbach. Seit langem haben Naturschützer und Waldökologen davor gewarnt, dass die großflächigen Nadelholzforsten sich nicht nur negativ auf die biologische Vielfalt, die Waldböden, den Wasserhaushalt und das Landschaftsbild auswirken, sondern auch instabile und sehr störungsanfällige Waldökosysteme bilden. Das großflächige Absterben solcher Bestände durch Hitze, Trockenheit, Waldbrände und Insektenkalamitäten war seit Langem vorhersehbar.

Zunächst war mit diesen Nadelholzaufforstungen nur eine möglichst schnelle Wiederbewaldung der durch Übernutzung auf ein Minimum geschrumpften früheren Waldgebiete bezweckt, die Nadelbäume sollten als Pionierbaumarten späteren Mischwäldern vorausgehen. Doch dann blieb man aus Opportunitätsgründen bei den als „Holzacker“ einfach und gewinnbringend zu bewirtschaftenden Monokulturen.

Damit verbunden war eine komplette Umformung der vormals laubholzbetonten deutschen Waldlandschaft. „Die Windwurf- und Borkenkäfer-Katastrophen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Fichte die Klimaerwärmung nicht überstehen wird. Trotzdem wurden noch bis vor kurzem diese Baumart und andere nicht standortheimische Nadelhölzer wie zum Beispiel die Douglasie als unverzichtbare „Brotbäume“ der Forstwirtschaft gepriesen“, so Dr. Martin Flade. „Gerade der flächige Anbau von Douglasien habe wegen der geringen bis sogar negativen Grundwasserneubildung unter diesen Beständen verheerende Auswirkungen auf den Landschaftswasserhaushalt“, so Buchenwaldexperte Dr. Martin Flade.

„Anstatt auf die Natur zu setzen und eine natürliche Wiederbewaldung durch schnellwachsende Pionierbaumarten zuzulassen, werden auf den beräumten Flächen anschließend neue Monokulturen mit wiederum standort- und naturraumfremden Nutzhölzern angelegt“, kritisiert Buchenwaldexperte Norbert Panek. Das Liegenlassen der Kalamitätsflächen hätte nach Ansicht von Panek den positiven Effekt, dass eine maschinelle Holzbergung und die damit verbundene Bodenverdichtung unterbleiben, die liegengebliebenen Schadhölzer mit zunehmendem Zersetzungsgrad Feuchtigkeit speichern und zur Humus-Neubildung beitragen würden. Ein artenreiches Pionierstadium der Sukzession mit schnelllebigen Gehölzen wie zum Beispiel Birken, Weiden und Ebereschen könnte zudem relativ rasch für ein bodenschützendes Kleinklima sorgen. Anschauungsbeispiele für solche Flächen sind derzeit vor allem in Nationalpark-Kernzonen wie zum Beispiel im Bayerischen Wald und im Kellerwald in Nordhessen zu finden.

Alleine schon aus Kostengründen und zur Entlastung des Holzmarktes wäre es viel sinnvoller, die Räumung des nicht mehr befallenen Käferholzes zu unterlassen. Wir brauchen biomassereiche Wälder „Wissenschaftliche Studien haben mittlerweile belegt, dass vor allem ein hoher Holzvorrat für die Funktionstüchtigkeit von Waldökosystemen eine entscheidende Rolle spielt. Biomassereiche Wälder wirken im Zusammenspiel mit hohen Totholzvorräten günstig auf die Bodenfeuchte und das Mikroklima. Besonders alte, vorratsreiche Laubwälder kühlen sich selbst und ihre Umgebung - in Zeiten der Klimaerwärmung ein sehr wichtiger landschaftsökologischer Effekt“, erläutert Dr. Martin Flade.



Wälder räumen gefährdet die Biologische Vielfalt
Bei Waldschäden nach Borkenkäferbefall greift der Forst massiv in den Waldbestand ein. Neue Untersuchungen an der Universität Würzburg kommen zu dem Ergebnis, dass beim Verbleiben von 75 Prozent der Bäume nach Sturmereignissen oder Insektenkalamitäten im Wald, 90 Prozent der vorkommenden Arten erhalten bleiben können. Werde jedoch die Hälfte des vorgeschädigten Waldes entnommen, verringert sich die Artenvielfalt um 25 Prozent. „Die großflächigen Räumungen der Schadflächen bewirken das genaue Gegenteil: Die Flächen sind durch erhöhte Sonneneinstrahlung noch stärker mikroklimatischen Extremen und damit einhergehend einer stärkeren Austrocknung ausgesetzt. Durch Befahrung mit schweren Holzerntemaschinen werden Wasserspeicher- und Pufferungsvermögen der Böden beeinträchtigt. Durch den Entzug der Baum-Biomasse wird die Humus-Neubildung stark eingeschränkt.

Zudem geht Lebensraum von Tierarten verloren, die am Prozess der Selbsterneuerung des Ökosystems maßgeblich beteiligt sind. Der propagierte Ansatz der Schadholz-Räumung führt aus ökologischer Sicht im Grunde von der einen Katastrophe unmittelbar in das nächste Desaster“, so Norbert Panek.

Krise als Chance nutzen
Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) fordert eine grundlegende Neuausrichtung der Forstwirtschaft. Angesichts des Desasters, das durch die jahrzehntelange, einseitig auf Nadelhölzer fixierte Plantagenwirtschaft angerichtet wurde, wäre ein konsequent ökologisch orientiertes Forstmanagement dringend geboten. Aktuell muss es vorrangig um den substanziellen Erhalt unserer Wald-Ökosysteme, also um eine gezielte Aktivierung der natürlichen Regenerationskräfte gehen. Naturwidrige Aufräum- und Aufforstungsprogramme sind nach Ansicht der Naturschutzinitiative e.V. (NI) der falsche Weg. Stattdessen müsse gerade in Zeiten der Klimaerwärmung die Wasserspeicherfunktion von Wäldern aktiviert bzw. optimiert werden. „Wir sollten diese Krise eher als forsthistorische Chance nutzen!“, so Dr. Flade. (NI)

Anmerkung der Redaktion:
Mit ihrer Sicht auf die Waldverjüngung geht die NI konform mit dem Forstamt Hachenburg. Das lässt hoffen, dass man bei der Gestaltung des Westerwaldes bald eine einheitliche Linie finden wird.



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