Wirtschaft nach Corona-Schock: wenig Zuversicht trotz stabiler Geschäftslage
Das Konjunkturklima im nördlichen Rheinland-Pfalz hat sich zum Herbst 2020 wieder aufgehellt, nachdem es durch die Corona-Pandemie im Frühsommer 2020 einen starken Einbruch erlitten hatte. Das belegt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz, die auf einem repräsentativen Querschnitt der Wirtschaft von 414 Betrieben mit rund 57.000 Beschäftigten basiert.
Koblenz. Der IHK Konjunkturklimaindikator, der die Beurteilung der aktuellen und zukünftigen Geschäftslage in einem Wert darstellt, klettert auf 98 Punkte (Frühsommer 2020: 79 Punkte). Damit liegt der Indikator geringfügig unter der 100 Punkte-Marke, die die Grenze zwischen positiver und negativer Gesamtstimmung darstellt.
32 Prozent der Unternehmen bewerten ihre aktuelle wirtschaftliche Situation als gut, während 28 Prozent über eine schlechte Geschäftslage klagen. Im Vergleich zur Umfrage im Frühjahr hat sich die Bewertung der Geschäftslage damit deutlich verbessert. Der Saldo aus positiven und negativen Meldungen liegt damit bei plus vier Prozentpunkten (Frühsommer 2020: 12 Prozentpunkte). Dagegen liegen die Geschäftserwartungen noch im negativen Bereich, obwohl sie gegenüber der Konjunkturumfrage im Frühsommer ebenfalls eine sprunghafte Zunahme verzeichnen (Herbst 2020: 7 Prozentpunkte; Frühsommer 2020: -29 Prozentpunkte).
„Nachdem die Wirtschaft im IHK-Bezirk Koblenz durch die Covid-19-Pandemie in eine tiefe Rezession gefallen ist, zeigt sich aktuell über alle Branchen hinweg eine Aufwärtsentwicklung bei den IHK-Klimaindikatoren“, bemerkt Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz. „Doch die weitere Erholung ist ungewiss und die Unternehmen bleiben mehrheitlich pessimistisch gestimmt. Vor allem die Sorge vor einer zweiten Infektionswelle und erneuten behördlichen Einschränkungen, aber auch das Weltgeschehen, etwa der bislang ungeordnete Brexit und die US-Präsidentschaftswahl im November, sowie die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen dämpfen Investition und Beschäftigung.“
Laut IHK-Konjunkturumfrage überwiegt mit 35 Prozent der Anteil der Unternehmen, die in den kommenden zwölf Monaten Einsparungen bei ihrem betriebsinternen Investitionsbudget planen. Immerhin 21 Prozent beabsichtigen höhere Investitionen zu tätigen. Insbesondere die Investitionsgüterindustrie, die als Teilbranche der konjunkturellen Entwicklung tendenziell vorausläuft, aber auch der Handel und das Dienstleistungsgewerbe weisen eine signifikante Investitionsschwäche auf. Hier liegen die entsprechenden Saldenwerte bei minus 29 Prozentpunkten, minus 24 Prozentpunkten und minus 21 Prozentpunkten.
Auf dem Arbeitsmarkt wirkt das Instrument der Kurzarbeit stabilisierend. 78 Prozent der Unternehmen beabsichtigen ihre Belegschaft zu halten oder sogar aufzustocken (11 Prozent). 22 Prozent fürchten hingegen, Personal abbauen zu müssen. „Gleichzeitig droht eine mögliche Insolvenzwelle, sobald die Schonzeiten bei der Insolvenzantragspflicht teilweise auslaufen. Dies hätte wiederum Konsequenzen für Arbeitsmarkt und Konjunktur“, ergänzt Fabian Göttlich, Geschäftsführer Interessenvertretung der IHK Koblenz.
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Während in früheren Schwächephasen eine anziehende Auslandsnachfrage die heimische Konjunktur wieder zu beleben vermochte, fehlen diese Impulse dieses Mal gerade für die exportlastige Industrie. Denn die Auslandsmärkte sehen sich mit der Covid-19-Pandemie den gleichen Problemen ausgesetzt und Lieferketten sind immer noch gestört. Im Vergleich zum Frühjahr haben sich die ausländischen Auftragseingänge zwar wieder stabilisiert, liegen mit minus 14 Prozentpunkten jedoch weiter im negativen Bereich. Folglich sind auch die Exporterwartungen der Unternehmen im IHK Bezirk Koblenz weiterhin mit einem negativen Vorzeichen versehen (Herbst 2020: minus fünf Prozentpunkte; Frühsommer 2020: minus 38 Prozentpunkte).
Die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie bleibt mit 73 Prozent (Frühsommer 2020: 79 Prozent) das dominante Geschäftsrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen Damit verbunden ist die Sorge um den Inlandsabsatz, der von 49 Prozent der Unternehmen als zweit größter Risikofaktor benannt wird (Frühsommer 2020: 66 Prozent). Der Fachkräftemangel, der vor der Corona-Krise dauerhaft Platz eins der Risiken einnahm, rückt wieder stärker in den Vordergrund (Herbst 2020: 35 Prozent; Frühsommer 2020: 27 Prozent).
„Die Wirtschaft zeigt sich nach dem Corona-Schock und der bereits vorher schwächelnden Wirtschaftsleistung wieder robuster, die kurzfristige Rückkehr auf einen Wachstumspfad scheint wenig wahrscheinlich“, folgert Rössel. Für das Jahr 2020 rechnen 34 Prozent der Unternehmen mit einem Rückgang des Gesamtumsatzes bis zu 25 Prozent, 12 Prozent mit einem Rückgang von mehr als 25 Prozent bis zu 50 Prozent und jedes zwanzigste Unternehmen sogar mit einem Rückgang um mehr als 50 Prozent. „In der Krise ist es umso wichtiger, dass die Wirtschaftspolitik die richtigen Weichen stellt, damit die Unternehmen ihre Wachstumskräfte aktivieren und die Krise bewältigen können. Ein Belastungsmoratorium bei Steuern, Abgaben und neuen Gesetzen bis Ende 2021 und Investitionen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken, stellen dabei wichtige Pfeiler dar. Debatten um neue Regelungen wie Unternehmensstrafrecht, Lieferkettengesetz oder das Recht auf Home Office stärken die Verunsicherung der Wirtschaft“, so Rössel. (PM)
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