Peter Autschbach und Samira Saygili traten in der Alten Schmiede auf
Ein gut gelauntes Duo hat im Stöffel-Park seine Musik zelebriert: Peter Autschbach, der virtuose Gitarrenspieler, und Samira Saygili, eine Frau, die ihre Stimme äußerst variantenreich einsetzt. Ihre Performance brachte ein Lächeln auf die Gesichter des Publikums. Denn die Freude am Musizieren und das Spiel mit den verschiedenen Stücken und deren Inhalten war immer deutlich zu spüren. Dass sie Könner sind, verrieten bereits die ersten Takte ...
Enspel. Und diese galten „Your Song“ von Elton John. Die Gitarrentöne perlten und die Sängerin, die es sich im Schneidersitz vor dem Mikro gemütlich machte, bewies sogleich ihre stimmliche Klangbreite und ihr Einfühlungsvermögen. Ihr Ausdruck ist stark – auch wenn sie sanft, leise, wehmütig oder neckisch, ja auch ironisch oder kratzend singt – oder laut und durchdringend, dabei wohltönend. Sie spielt mit ihrer Stimme wie eine virtuose Instrumentalistin, sie spielt mit den Texten, sie spielt mit ihrem Mitmusiker, mit dem Publikum, mit der Situation. Das berührt, ist mitreißend und bringt doch immer wieder ein Augenzwinkern, etwas Humor hinein.
Peter Autschbach verriet zwischendurch, dass er sich in der Alten Schmiede eigentlich nur dank „Ralf“ richtig wohlfühlen könne. Eine nette Begebenheit: In Erwartung tropischer Temperaturen trug er nur eine Shorts, die nach dem überraschenden Gewitter, das die Luft erheblich abkühlte, an diesem späten Nachmittag plötzlich völlig unpassend erschien. Und so kam es, dass sich ein äußerst großzügiger Mann namens Ralf fand, der mit dem Gitarristen die Hose tauschte. Wer gibt schon spontan für jemanden das letzte Hemd (oder Hose) her?
Jazzpop nennt das Duo seine Musik. Mal sind meditative Passagen zu hören, die zu exotischen Klängen wechseln, dann wieder werden völlig andere Klänge aufgegriffen, doch bleibt es meist melodisch oder führt doch immer wieder zur Melodie hin. Bekannte Songs werden total verändert – durch „ganz viele Akkorde“, wie es Autschbach lächelnd formulierte. „Just call out my name“ sang und spielte er dann speziell für eine anwesende Nicole, mit einer Stimme, die einfach sanft und angenehm ist.
„Comes Love“, das schon Ella Fitzgerald großartig interpretierte, hört sich bei Saygili natürlich wieder ganz anders an. Und endete indem sie miaute, raunzte, tirillierte. Dazwischen schob sich ein brillantes Solo auf der Gitarre. Fantastisch ist das Ende auf Deutsch: „Biste verliebt, dann machste nix...“. So wurde das Lied eigentlich viel griffiger, der Inhalt authentischer. In diese Richtung gehend würde man sich noch viel mehr Texte und ihre Interpretation dazu wünschen.
Die softe „Girl of Ipanema“-Version endete damit, dass Autschbach seine Sicht auf die schöne Maid und sein Selbstmitleid (da er von ihr nicht beachtet wird) in heutigem Profandeutsch ausformulierte. Kurz gefasst: Er trinkt ein paar Bier und kotzt vor ihr. „Ich Idiot.“ Wieder ein Anlass zu kichern, auch bei den Musikern.
Samira Saygili ist Liedtexterin, sogar ab und an Komponistin. Ein kongeniales Werk hat sie mit Peter Autschbach kreiert: „Holobiont“. Der Titel verrät es schon: Es handelt von dem Menschen und seinen treuesten Begleitern: seinen Bakterien. „Die Partnerschaft ist so eng, dass manche Forscher in der Gattung Homo sapiens plus Mikrobe eine artübergreifende Lebensform sehen“, so war es einmal im Wissenschaftsteil des „Rheinischen Merkur“ zu lesen... Samira schrieb einen englischen Text darüber, den Peter erst einmal verrückt fand. Dann, nach einer Erklärung überzeugt, komponierte er eine Art „Bakterienhymne“, die dann Samira erst einmal verrückt fand. Das Ergebnis: Ein sehr hörenswerter Beitrag, der nicht ohne Witz ist, wenn es etwa heißt „You never walk alone“.
Und: Das Lied wurde im Winter 2019 preisgekrönt! Saygili und Autschbach haben sogar zwei Preise im Dezember gewonnen: Der in der Siegerlandhalle live vorgestellte Song „Holobiont“ wurde mit Platz 1 des Hauptpreises „Deutscher Singer Preis“ geadelte, Peter Autschbach bekam zusätzlich eine Auszeichnung in der Sonderkategorie „Bester Gitarrist“. Zum Wettbewerb: Zu der von dem Deutschen Rock & Pop Musikerverband (DRMV) ausgerichteten Veranstaltung reisen in jedem Jahr rund 1000 Musiker aus ganz Deutschland nach Siegen, wo die Veranstaltung seit sechs Jahren beheimatet ist.
Die beiden Musiker geben auch Kurse in Gitarrenspiel beziehungsweise Gesang. Natürlich wurden auch ihre Auftritte rar in der Coronazeit, was ihre überbordende Spiellust an dem Abend in Enspel sicher noch befeuerte. Werner Düll, der gerade seine Kunstausstellung nebenan im Café Kohleschuppen eröffnet hatte und Peter Autschbach schätzt, seit er ihn vor gut 20 Jahren zum ersten Mal im Jazzclub Kelkheim gehört hat, begrüßte die Anwesenden.
Es war ein gutes, daher auch ein nicht ganz so konventionelles Konzert, das Freude ins Leben brachte. Viel Qualität zum günstigen Preis, dann auch noch ohne Abfall zu produzieren respektive einen unnötigen Hosenkauf. Eindeutig nachhaltig – denn die Erinnerung bleibt. Für Vergessliche oder all die, die nicht da sein konnten, wäre eine Wiederholung dennoch wünschenswert. (Tatjana Steindorf )
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