Klara trotzt Corona, XVIII. Folge
GASTBEITRAG | Solange die Kontaktsperre wegen der Corona-Pandemie erforderlich ist, erfreuen Christiane Fuckert und Christoph Kloft, die Autoren der Limburger Pfarrhausermittler, die Leserschaft mit Episoden aus Alltag von Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof, die unverdrossen ihren ungewöhnlichen Alltag meistern.
Kölbingen. Klara trotzt Corona, 18. Folge vom 21. April
„Herr Pfarrer, jetzt machen Sie endlich die Zeitung zu und lassen mal Luft in die Küche! Ich gehe nach oben und lüfte das Bettzeug. Es ist windstill, da werden ja wohl keine Coronaviren durch die Gegend fliegen.“
Pfarrer van Kerkhof faltete die Tageszeitung zusammen und erhob sich. Klara hatte Recht, es gab auch noch anderes als die täglichen Krisen-Nachrichten. Gerade heute war es draußen herrlich klar und angenehm mild. Er öffnete einen Flügel des Küchenfensters, sog die gute Luft ein und lauschte dem Vogelgezwitscher in der alten Linde, die sich von der Seite her über das kleine Pfarrhaus neigte. Wenn man an diesem schönen Morgen nicht um die tragischen Umstände wüsste, konnte man für einen Moment glatt dem Eindruck erliegen, die ganze Welt sei in Ordnung. Leider war dem ganz und gar nicht so – die gesamte Erde befand sich in einem Ausnahmezustand, und er wusste, das Gefühl des Friedens und der Ruhe verdankte er einzig seinem Glauben und dem täglich neu erbetenen Wunsch nach Hoffnung und Gnade für die gesamte Menschheit.
„Guten Morgen, Willem!“, wurden seine Gedanken von einer wohlbekannten Stimme unterbrochen. Es war der evangelische Kollege Pfarrer Tiedgen, mit dem ihn sowohl ein freundschaftliches wie auch ein gutes berufliches Verhältnis verband.
„Ach, der Bernhard! Das ist ja mal ein seltener Spaziergänger vor unserem Haus. Komm doch ein paar Schritte näher, du hast bestimmt ein paar Minuten Zeit?“
„Mehr als genug“, gab Tiedgen zurück und betrat mit seinem Mischlingshund den Vorgarten des Pfarrhauses. „Und? Wie ist die Lage?“, fragte er aus ein paar Metern Abstand zum Küchenfenster. Gerade wollte van Kerkhof antworten, als ihm eine Stimme von schräg oben zuvorkam.
„Der erste Tag der Lockerungen und schon turnt man bei uns im Vorgarten rum!“ „Ah, guten Morgen, Frau Schrupp“, rief Pfarrer Tiedgen nach oben, und van Kerkhof ahnte, welcher Anblick sich dem evangelischen Kollegen bot: Klaras Kopf inmitten eines Federbettes, das aus ihrem Schlafzimmerfenster hing. Er drückte die Daumen, dass diese Unterhaltung sich in angemessenem Tonfall fortsetzte und rief seiner Haushälterin zu: „Nicht wahr, liebe Klara, wie schön, dass wir endlich einmal einen so netten Besuch erhalten?“
Klara über ihm grummelte irgendetwas in das Bettzeug, das weder er selbst und auch hoffentlich nicht Pfarrer Tiedgen verstanden hatte. Glücklicherweise war dem in der Tat so, denn Tiedgen rief nach oben: „Wie immer fleißig, Frau Schrupp! Was haben Sie gerade gesagt?“ „Ich sagte, seit heute sind Lockerungen im Gange. Ich wette aber, auch hier gibt es bald eine Maskenpflicht. Wenigstens irgendeinen Schutz vor dem Gesicht. Und? Haben Sie denn auch einen bei sich, für alle Fälle?“ Van Kerkhof entnahm Klaras Stimme die vertraute Schärfe, die nicht selten anstrengende Diskussionen auslöste.
Er beobachtete, wie der Kollege freundlich nach oben blickte. „Aber natürlich, mein Halstuch habe ich immer bei mir. Heute steckt es in meiner Jackentasche, es ist ja angenehm warm.“ Van Kerkhof atmete auf und beschloss, dieses Gespräch nun doch einmal für sich in Anspruch zu nehmen. „Vielleicht fallen ja auch unsere Kirchen bald schon unter diese Lockerungsmaßnahmen.“
„Das wäre wirklich ein Segen“, gab Tiedgen zurück. „Mal abwarten, was die Vertreter der Religionen in den Gesprächen mit der Regierung erreichen. Ich denke, in Ihrer Gemeinde ist es auch so, dass sich viele Gläubige den Gottesdienst herbeisehnen, gerade in dieser Situation. Aber wir wollen da unserer Regierung vertrauen, bisher hat sie ja auch in allem anderen so entschieden, wie es gut für uns ist.“
„So ist es“, pflichtete van Kerkhof ihm bei. „Und wir sollten uns auch bewusst machen, dass es nicht nur dieses Virus gibt, alle anderen Krankheiten und Unfälle machen ja zurzeit nicht Halt, um der Corona-Epidemie Platz zu schaffen.“ „Das heißt Pandemie!“, kam es über ihm aus dem Schlafzimmerfenster.
Tiedgens Blick richtete sich wieder nach oben. „Da haben Sie Recht, Frau Schrupp. Es besteht schon ein Unterschied zwischen einer Epidemie und einer Pandemie. Eine Epidemie beschränkt sich auf ein begrenztes Verbreitungsgebiet und ...“ „Ja, ja, das wissen wir. Das Wort Pandemie kommt von Panik. Weil es überall ist und die Menschheit in Panik versetzt.“
Van Kerkhof versuchte, dem Gesicht Tiedgens zu entnehmen, wie er vorhatte, auf Klaras Einwurf zu reagieren. Da dieser nur wortlos lächelte, übernahm er schnell selbst die weitere Wortführung. „Wer hätte all das noch an Silvester geglaubt, Bernhard? Wenn man uns da gesagt hätte: In zehn Wochen steht alles still. Ihr müsst den Kontakt zu anderen auf ein Minimum beschränken, fast alle Geschäfte werden schließen müssen, die Straßen werden leer sein, hier wie auch im Ausland, es wird viele tausend Tote geben, weil ein sehr böses kleines Virus sich rasend schnell ausbreitet und jeden Einzelnen in Gefahr bringt ...“
„Das hat die Menschheit sich selbst gezüchtet!“, drang es von oben herab. „Das war doch nur noch eine Frage der Zeit, bis hier auf der Erde alles auf dem Kopf steht. Wie geht der Mensch denn mit der Natur und den Tieren um?!“
Pfarrer Tiedgen nickte zu Klaras Fenster hinauf, ließ seinen Blick dann durch die alte Linde schweifen. „Und unsere Natur zeigt uns Jahr für Jahr dennoch, dass sie sich bemüht, uns nicht im Stich zu lassen. Schauen Sie die unzähligen Knospen an, die da oben kommen wollen ...“
„Schauen Sie mal lieber nach unten, da will gerade jemand unsere anderen Knospen beschädigen!“, vernahm van Kerkhof, der sich schon gewundert hatte, dass Klara das mehrfach angehobene Bein von Tiedgens Hund gleich über dem aufblühenden Vorgartenbeet so unkommentiert ließ. Doch ihre Spitze richtete sich nicht vorrangig gegen das Tier, vielmehr galt sie ihrem Chef, der wortlos bei der Verrichtung zugesehen hatte. „Na, mir soll's egal sein“, rief sie den Männern zu, „es sind ja die Blumen vom Herrn Pfarrer!“
Tiedgen, der den Hund „Entschuldigung“ murmelnd an seine Seite gezogen hatte, wandte sich van Kerkhof zu: „Wir wollen uns aber nicht nur auf unsere Regierung verlassen, sondern auch genügend Gottvertrauen mit in die Zukunft nehmen.“
„Das sollten wir“, sagte van Kerkhof. „Mir tut da das Glaubensbekenntnis Bonhoeffers so gut. 'Gott gibt uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft, wie wir sie brauchen.'“
„Aber er gibt sie nicht im Voraus“, ergänzte Tiedgen, „damit wir uns nicht auf uns selbst verlassen, sondern allein auf ihn. Er wartet auf verantwortliche Taten und aufrichtige Gebete.“
„Das haben Sie jetzt aber mal wirklich schön gesagt“, rief Klara von oben herunter, „auch wenn Sie zum falschen Verein gehören!“ Van Kerkhof hoffte vergeblich, dass der evangelische Kollege die letzte Bemerkung nicht gehört hatte – Pfarrer Tiedgens Augenzwinkern in seine Richtung sprach Bände. (www.christoph-kloft.de)
Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, XVII. Folge
Klara trotzt Corona, XVI. Folge
Klara trotzt Corona, XV. Folge
Klara trotzt Corona, XIV. Folge
Klara trotzt Corona, XIII. Folge
Klara trotzt Corona, XII. Folge
Klara trotzt Corona, XI. Folge
Klara trotzt Corona, X. Folge
Klara trotzt Corona, IX. Teil
Klara trotzt Corona, VIII. Teil
Klara trotzt Corona, VII. Teil
Klara trotzt Corona, VI. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler: Klara trotzt Corona, V. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
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