Werbung

Nachricht vom 12.04.2020    

Buchtipp: „Käthe Kaufmann“ von Britta Wirtz und Bernhard Wagner

Von Helmi Tischler-Venter

Die Bibliographische Lebensgeschichte ihrer Urgroßmutter Käthe Kaufmann, einer starken Frau aus Karlsruhe, stellte Britta Wirtz mit Co-Autor Bernhard Wagner zusammen. Der Journalist recherchierte zu den familiären Ereignissen der Protagonistin, sodass die historischen, regionalen und sozialen Zusammenhänge deutlich werden.

Buchtitel "Käthe Kaufmann. Eine starke Frau aus Karlsruhe in ihrem Wagen vor dem Schloss. Fotos: privat

Dierdorf/Karlsruhe. Grundlage des Buchs sind die Geschichten, die auf dem norwegischen Inselchen Granholmen, dem Sommerwohnsitz von Wirtz‘ Großeltern erzählt wurden, wenn man sich dort im Familienkreis traf. Sie bilden den Erzählrahmen, anschließend wurden von Wagner Zeitzeugen befragt und Archive gesichtet. Zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos verbildlichen Orte und Personen.

Käthe Wagners Persönlichkeit ist gekennzeichnet von Mut, Stärke, Kreativität und Selbstbewusstsein. Obwohl sie ihr Leben lang um ihre Rechte kämpfen musste, verlor sie nie die Lebenslust.

Käthes Großvater Blasius Walz war als „Schlossmaurer“ und für die Instandhaltung der Schlossanlagen von Schwetzingen zuständig, ihr 1862 geborener Vater Albert Walz fand Anstellung als Gerichtsschreiber. Tochter Käthe erblickte am 16. Juni 1899 das Licht der Welt in Mannheim im „Freistaat Baden“. Der Beruf des Vaters bedingte permanente Umzüge von Schwetzingen nach Mannheim, dann nach Karlsruhe, Bretten, nach Offenburg und schlussendlich nach Karlsruhe: vier Umzüge in nur vier Jahren. Dadurch lernte Käthe bereits in jungen Jahren ständige Abschiednehmen, Anpassung und Konzentration auf die Familie. Ihr geliebter Bruder Herrmann fiel 1916 in Verdun.

Käthe absolvierte ihre Schulausbildung als „Pensionaire“ oder Externe im Kloster „Unserer Lieben Frau“, dem Lehr- und Erziehungsinstitut in Offenburg. Ihre Eltern wollten der Tochter Schulbildung auf der Höhe der Zeit angedeihen lassen und sie auf ihre Rolle der Bürgerlichen Hausfrau vorbereiten.

1921 heiratete Käthe Walz den neun Jahre älteren Büchsenmacher Wilhelm Dudeck, ein Jahr später kam Tochter Trude zur Welt. Die kleine Familie zog nach Karlsruhe. Dudeck muss ein unstetes Leben geführt haben und in der Ehe gewalttätig gewesen sein. 1928 wurde –ungewöhnlich für diese Zeit – die Ehe geschieden. Käthe war nun eine Alleinerziehende, als Katholikin. Sie kannte zu diesem Zeitpunkt bereits den ebenfalls geschiedenen Ludwig Kaufmann, mit dem sie in „wilder Ehe“ lebte, bis sie 1930 standesamtlich heiraten konnten.

Mit Ludwig Kaufmann erlebte Käthe eine abenteuerreiche Zeit. Sie war eine Pionierin der Fahrkunst, indem sie 1925 als eine der ersten Frauen den Führerschein („Chauffeur-Befähigung“) erwarb und ihren Mann ab 1930 zu Geschäftsterminen chauffierte. Die autonärrische Käthe „durchquerte allein in einer Nonstop-Fahrt von Karlsruhe nach Bergen (Norwegen) vier Länder und legte nahezu 5.000 Kilometer zurück. Der Buchtitel zeigt Käthe Kaufmann in ihrem „Schlitten“, einem Austro Daimler vor dem Karlsruher Schloss.



Ludwig Kaufmann war badischer Jude mit Malscher Wurzeln. Er verdiente als erfolgreicher Handelsvertreter gutes Geld, die Familie konnte sich dadurch ein gutbürgerliches Leben mit Dienstmädchen in einer repräsentativen und geräumigen Wohnung leisten. Die Machtergreifung durch Hitler hatte für Kaufmann schwerwiegende Folgen: sein Kundenstamm brach weg, weil ihm die Reiselegitimation entzogen wurde. Auch Käthe wurde als Ehefrau eines Juden boykottiert. 1936 wagte sich die mutige Frau in das Reichssicherheitshauptamt in Berlin, um für ihren Mann eine neue Reiselegitimation zu erhalten. Ihr Anliegen wurde jedoch abgelehnt.

Am 14. September 1943 wurde Ludwig zum Verhör einbestellt. Nach kurzem Gefängnisaufenthalt wurde er in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht, wo er unter unmenschlichen Bedingungen litt und am 10. Dezember wahrscheinlich durch Phenol getötet wurde. Das Wohnhaus der Witwe wurde im September 1944 bei einem Bombenangriff getroffen, daher musste sie umziehen. Ein Jahr später, nach Kriegsende, wanderte ihre einzige Tochter Trude samt Ehemann Erik und Enkelin Kissi für immer nach Norwegen aus. Ihre Geldersparnisse hinterließ sie der Mutter.

Käthe Kaufmann führte unglaubliche 24 Jahre lang Prozesse um eine adäquate finanzielle Entschädigung für ihren durch die Nazis ermordeten Ehemann. Unterlagen waren kriegsbedingt verloren gegangen, deshalb wurden etliche Zeugen angehört.

In dieser entbehrungsreichen Zeit verdiente Käthe Kaufmann etwas Geld mit kunstgewerblichen Arbeiten. In den 1950er Jahren gestaltete sie Mode, zunächst Unterröcke und Wäsche, dann entwarf sie eigene Kollektionen für Damenoberbekleidung. Damit belieferte sie ausgewählte Karlsruher Geschäfte und Läden bis ins Ruhrgebiet. Sie entwickelte sich zur erfolgreichen Mode-Geschäftsfrau.

Käthe liebte weiterhin das Reisen, ganz besonders gern zu ihrer Tochter in Norwegen. Und sie liebte gutes badisches Essen, das sich zwangsläufig um ihren Körper rundete. Um diese Leibesfülle gepaart mit entschlossenem Handeln ranken sich familiäre Anekdoten. Das Übergewicht führte allerdings auch zwangsläufig zu Diabetes. Trotzdem wollte Käthe Kaufmann auf nichts verzichten. Die unglaublich starke Frau starb 1981 in einem Pflegeheim.

Das Buch ist erschienen beim Lauinger Verlag / Der Kleine Buch Verlag Karlsruhe, Paperback: ISBN 978-3-7650-8908-4 und als E-Book mit der Nummer 978-3-7650-8909-1.htv


Mehr dazu:   Buchtipps  
Feedback: Hinweise an die Redaktion

WW-Kurier Newsletter: Immer bestens informiert

Täglich um 20 Uhr kostenlos die aktuellsten Nachrichten, Veranstaltungen und Stellenangebote der Region bequem ins Postfach.

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
 

Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Region


Großvater missbrauchte eigene Enkelinnen - Strafkammer des Landgerichts verhandelt

Am Montag, dem 15. Dezember begann vor der 12. Strafkammer das Landgericht Koblenz, unter dem Vorsitz ...

Stillstand im Winter: Baupause für die B 255 bei Montabaur

Der Landesbetrieb Mobilität Diez informiert über den aktuellen Stand der Bauarbeiten an der B 255 bei ...

Waldspielplatz in Höhr-Grenzhausen: Ein Gemeinschaftsprojekt nimmt Fahrt auf

Der Traum eines naturnahen Abenteuerspielplatzes für die Kinder von Höhr-Grenzhausen rückt näher. Das ...

Umwelthilfe legt Berufung gegen Hubschrauber-Spritzungen an der Mosel ein

Das juristische Ringen um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft über Weinbergen an der Mosel ...

Haftbefehl nach grausigem Fund bei Monreal

Der Fund einer Frauenleiche und abgetrennter Hände nahe Monreal hat die Ermittler aufgeschreckt. Die ...

Saison-Kurzarbeitergeld sichert Baujobs im Winter

Im Westerwald und den angrenzenden Kreisen Altenkirchen und Neuwied stehen die Jobs von insgesamt 6.880 ...

Weitere Artikel


Westerwald-Tipps: Der Aussichtspunkt Sonnenberg bei Isert

Im Westerwald gibt es etliche schöne und besondere Orte. Wir stellen sie Ihnen nun regelmäßig vor. Einen ...

Kolumne „Themenwechsel“: Was ist eigentlich der Ostermontag?

Die Coronakrise ist allgegenwärtig, derzeit bleibt kein Bereich unseres Alltags davon unberührt. Jeden ...

Im Westerwald mehr Wohnvielfalt im Alter schaffen

Sind Wohngemeinschaften (WGs) nur etwas für junge Leute? Diese Ansicht ist nicht mehr zeitgemäß. Deutlich ...

Investitionsplan Landesstraßen enthält 16 Projekte im Westerwaldkreis

Ein Investitionsplan (IP) ist eine Übersicht der mittelfristig vorrangig umzusetzenden Maßnahmen im Landesstraßenbau ...

Rainer Jung vom BVMW: Keine Denkverbote zu „Nach-Corona“

Um es vorauszuschicken: Ja, die Regierung musste so handeln, musste uns viele Einschränkungen und Unannehmlichkeiten ...

Freiluftgottesdienst in der Lessingstraße von Hachenburg

Nachdem sich das erste open-air-Konzert in der Lessingstrasse als Erfolg herausstellte, gab es einen ...

Werbung