Werbung

Nachricht vom 01.03.2020    

Ersatzfamilie und geschützter Raum: „Sorgenbüros“ feiern 25. Geburtstag

Seit 25 Jahren gibt es im Westerwald die „Mobilen Sorgenbüros“ des Kinderschutzbundes. Nie waren sie wichtiger als heute, sagen Schulträger, Lehrer, Eltern und Partner. Mehr denn je brauchen Kinder auch in Grundschulen besonders qualifizierte, vertraute Menschen, die Zeit für sie und ihre Probleme haben, die helfen und im Bedarfsfall mit Lehrern, Eltern oder dem Jugendamt sprechen. Allein in den vergangenen zehn Jahren haben fast 6.000 Kinder die „Mobilen Sorgenbüros“ besucht. Wir sprachen mit Schulleitern über ihre Erfahrung.

Vertrauen ist die Basis für alle Gespräche in einem der „Mobilen Sorgenbüros“ – wie hier mit Eva Merz-Seibert. Foto: DKSB e.V.

Höhr-Grenzhausen. Feste Öffnungszeiten mindestens einmal pro Woche, sozialpädagogische Fachkräfte, die in ein Team eingebunden sind, und ein gutes Miteinander mit Lehrerinnen und Lehrern – das ist die Grundlage des erfolgreichen Arbeitens. Die kommunalen Schulträger stehen zu den „Mobilen Sorgenbüros“ und haben das Angebot fast überall aufgestockt und damit dem wachsenden Bedarf angepasst.

Alfred Haas, Leiter der Goethe-Schule Höhr-Grenzhausen, erklärt die Entwicklung so: „Die Lebensbedingungen unserer Kinder haben sich radikal verändert. Neben Kindern aus teilweise überbehüteten, emotional und materiell bestens versorgen Elternhäusern wächst die Zahl der Kinder aus vernachlässigten bis verwahrlosten Lebensgefügen in prekären sozialen Umfeldern. Für diese Kinder stellt die Schule oft den einzigen behüteten, verlässlichen Raum dar, in dem erzieherische Arbeit und emotionale Zuwendung erfolgt“. Die zusätzliche Rolle als Sozialpädagoge und Ersatzfamilie sei durch die Lehrer/innen nicht zu leisten, weil die Ressourcen fehlen. Der Einsatz von Sozialpädagogen in Grundschulen ist deshalb unverzichtbar, sagt Haas.

Und Gunda Engel, die Leiterin der Grundschule „Am Hähnchen“ in Niederelbert, fügt hinzu: „Der steigende Medienkonsum verängstigt die Kinder, aber in den Familien fehlt es oft an Zeit für Gespräche. Manche Eltern sind mit der Erziehung überfordert, einige stoßen an Belastungsgrenzen. Die Kinder reagieren darauf auch mit verändertem Sozialverhalten und fehlender Empathie.“ Die Fachkräfte der „Sorgenbüros“ können sich mehr Zeit nehmen, Lehrer und Eltern und andere einbinden. Im vergangenen Jahrzehnt wurden fast 18.000 solcher Gespräche geführt.

Julia Löser aus der Schulleitung der Goethe-Schule beschreibt die verschiedenen Rollen so: „Wenn ein Kind die Addition nicht versteht, wissen wir was zu tun ist. Wenn Defizite und Probleme oder Notlagen in der Familie bestehen, sind uns oft die Hände gebunden, denn hier fehlt uns der direkte Einfluss oder Zugriff auf die Ursachen. Und schon sind wir wieder bei erzieherischer Arbeit (auch an Eltern) und bei der so dringend notwendigen Schulsozialarbeit.“

Dass sich die Lehrer/innen besser auf den Unterricht konzentrieren können, wenn sie von Schulsozialarbeiter/innen unterstützt werden, hebt auch Gunda Engel hervor. Sie findet es zudem gut, dass in den „Sorgenbüros“ größere Neutralität herrscht, losgelöst vom Unterrichtsalltag.

Gut möglich, dass Sozialarbeit sogar noch früher beginnen müsste. Alfred Haas: „Wir sehen, wie sich Defizite aus der Kita durch die gesamte Schullaufbahn fortsetzen.“ Das beginnt schon bei fehlender Teilnahme am Kita-Besuch. Auch hier könnte eine Kooperation aller Beteiligten, wie sie von den „Mobilen Sorgenbüros“ gelebt wird, ein wesentlicher Faktor sein, um die Kinder schulfähig zu machen.



Nach 25 Jahren sind die Herausforderungen also nicht kleiner geworden; im Gegenteil: Die rasante Entwicklung der Gesellschaft und ihrer Ansprüche wirkt stark in die Familien hinein, die den Kindern seltener die geschützten Räume bieten kann, die sie brauchen. So landen die Probleme immer häufiger in der Schule, die froh ist, einen geschützten Raum bieten zu können: das „Mobile Sorgenbüro“.

Geschichte
Es begann mit den ersten Anfragen nach Hilfen für Hauptschüler, einem überzeugenden Konzept und der Erkenntnis, dass Sozialarbeit für Kinder da stattfinden muss, wo sie sich aufhalten: in den Schulen. Inzwischen haben alle Grundschulen der Verbandsgemeinden Montabaur, Höhr-Grenzhausen und Selters - insgesamt 15 Grundschulen - ein „Sorgenbüro“ mit festen Öffnungszeiten und qualifizierten Fachkräften. Sie bilden ein Team von acht Sozialpädagoginnen, die sich Supervisionen unterziehen, regelmäßig fortbilden und gegenseitig unterstützen und beraten.

Die „Mobilen Sorgenbüros“ des Kinderschutzbundes Kreisverband Westerwald / Ortsverband Höhr-Grenzhausen werden weit überwiegend durch die kommunalen Träger finanziert, aber auch das Land Rheinland-Pfalz leistet über den Kinderschutzbund einen erheblichen Beitrag, und der Westerwaldkreis steuert freiwillig etwas bei. Sein Eigenanteil, erwirtschaftet aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, ist dem Kinderschutzbund wichtig – als Zeichen der Unabhängigkeit in der Arbeit.

Die Erfahrungen der Arbeit in den „Mobilen Sorgenbüros“ fließen ein in verschiedene sozialpädagogische Projekte, etwa zur Gewaltprävention und für Sozialkompetenz. Diese Projekte finden in vielen Verbandsgemeinden an Grundschulen und zum Teil an Kindertagesstätten statt. Mit dem Fokus auf Eltern wurde inzwischen an einer Kita in Selters ein „Mobiles Elternbüro“ gegründet, in dem Eltern Rat finden, etwa bei Krankheit, akuten Belastungen, Trennung und anderen veränderten Lebenssituationen.

Spenden und Infos: Deutscher Kinderschutzbund e.V. Kreisverband Westerwald / Ortsverband Höhr-Grenzhausen, Hermann-Geisen-Straße 44, 56203 Höhr-Grenzhausen, Telefon: 02624-4488, Mail: info@kinderschutzbund-westerwald.de, www.kinderschutzbund-westerwald.de.



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Westerwaldkreis mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.



Lokales: Höhr-Grenzhausen & Umgebung

Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Höhr-Grenzhausen auf Facebook werden!


Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Vereine


Verein "Solidarität in der Not" reduziert Spendenausgabe auf Sachspenden

Montabaur. Stattdessen konzentriert sich der Verein verstärkt auf Sachspenden wie Kleidung, Haushaltsartikel und Kinderspielzeug. ...

Sicher auf dem E-Bike unterwegs - Fahrsicherheitstraining in Gebhardshain

Gebhardshain. Durch Übungen wird während des Fahrsicherheitstrainings das Risikobewusstsein geschärft und durch gezielte ...

Sonniger Start für den Dorfgarten für alle Sinne in Nauort

Nauort. Der Verein Lichtblick-Miteinander in Nauort e.V. hatte sich für den Beginn der Bauarbeiten an ihrem Projekt, dem ...

21. Runde der "Sterne des Sports" - Sportvereine können sich bewerben

Region. Gesucht werden beispielsweise Initiativen aus den Bereichen Bildung und Qualifikation, Gesundheit und Prävention, ...

Ukrainischer Abend und Vereinsgründung als Hilfe für die Stadt Trostjanets

Montabaur. Um die Städtepartnerschaft auf breitere Füße zu stellen und Hilfe gut organisieren zu können, will die Gesellschaft ...

Erlebnistag auf Schalke: Eine familienfreundliche Fußballtour zu den historischen Stätten

Region. Am Pfingstsamstag (18. Mai) bietet sich für Fußballfans und Familien eine besondere Gelegenheit: der Erlebnistag ...

Weitere Artikel


Fahrerin leicht verletzt bei Verkehrsunfall auf B 414

Bad Marienberg. Die 18-jährige Unfallbeteiligte befuhr mit ihrem PKW die B 414 aus Richtung Hof kommend in Fahrtrichtung ...

Autobahnpolizei zog vier fahruntüchtige Fahrer aus dem Verkehr

Dierdorf. Am Samstag, 29. Februar, gegen 23:25 Uhr wurde auf der A 3, Fahrtrichtung Köln ein auffällig fahrender PKW festgestellt. ...

Zwei außergewöhnliche Künstler steckten in der Wundertüte

Hachenburg. Als erste Künstlerin zog Macht Carmela de Feo, bekannt unter dem Namen „La Signora“, aus der Wundertüte. La Signora ...

Souveräner Auftakt ins Halbfinale: Rockets schlagen Eisbären aus Hamm

Diez-Limburg. Während die Gastgeber in Bestbesetzung auflaufen konnten, fehlte bei Hamm mit Kevin Orendorz ein Mann mit DEL-Erfahrung. ...

Kulturzeit Hachenburg bietet buntes Programm

Hachenburg. Starbugs sind seit Jahren international erfolgreich. Von New York bis Tokio haben sich die drei Comedians mit ...

Theater-AG Martin-Butzer-Gymnasiums spielt: „Wer versteht hier Bahnhof“

Dierdorf. Auch auf den Nebengleisen bringen etliche Charaktere die Handlung trotz überraschender Richtungswechsel voran. ...

Werbung