Buchtipp: „Die Keramik der Moche-Kultur“ von Victòria Solanilla Demestre
Von Helmi Tischler-Venter
Der Rheinische Westerwald lebt seit mehreren hundert Jahren mit den berühmten blau-grauen Steingutgefäßen, die zumeist im Kannenbäcker Land entstanden sind. Wie anders die Keramik in einer anderen Region zu einer anderen Zeit gestaltet wurde, zeigt der von Dr. Michael Zelle, Leiter des Lippischen Landesmuseums herausgegebene Sammlungskatalog „Die Keramik der Moche-Kultur“, die vor 2.000 Jahren in Nordperu entstand.
Dierdorf/Oppenheim. Die Autorin Victòria Solanilla Demestre ist Professorin für Alte Geschichte und Archäologie (präkolumbianische Kulturen) an der Autonomen Universität Barcelona. Auf Deutsch und Spanisch stellt Demestre 128 Objekte vor, die alle von der Nordlüste Perus im Küstental der Moche stammen. In ihnen spiegelt sich die Moche-Kultur wieder, die religiös ausgerichtet war. Die Keramikkünstler der Epoche schufen eine große Menge an Gefäßen, die mit Malereien, Einritzungen, plastischen Darstellungen und feinlinearen Zeichnungen verziert waren.
Zu Beginn der Moche-Zeit war das Tonmaterial noch grobkörnig und die Gefäßwände entsprechend dick und schwer. Der Ton wurde mit Magermittel und Wasser vorbereitet. Mit zwei sich ergänzenden Modeln wurde die gewünschte Form gepresst. Zusätzliche Elemente wie Ausguss, Henkel und Figuren wurden hinzugefügt, mit einem Spatel verbunden und glattgestrichen, danach setzte man eine Tonplatte als Boden ein. Dadurch besitzen alle eine ebene Standfläche. Auf das luftgetrocknete Gefäß wurde Engobe aufgetragen. Mit Pinselmalereien und Einritzungen wurde zusätzlich dekoriert. In gut vorbereiteten Brennöfen wurden die Objekte gebrannt.
Die Moche produzierten figürliche Gefäße mit unterschiedlichen Motiven: Menschen, Tieren, Pflanzen, Einzelfiguren und Gruppenszenen. Sehr markant und häufig sind bei den figürlichen Gefäßen die Steigbügel-Henkel, auf deren Halbrund ein kurzer Zylinder als Ausguss zentral aufgesetzt ist. Oft bildet ein feiner Wulst an dessen oberem Ende die Ausgusslippe. Diese Gefäße sind als diverse Portraitköpfe gestaltet, mit markanter Nase, Kinn, Haar, Kopftuch und roter, weißer oder brauner Erdbemalung im Gesicht. Jedes Gesicht trägt individuelle Züge. Das modellierte Zubehör lässt zuweilen auf Priester, Lastenträger, Krieger, Verstümmelte, wichtige Persönlichkeiten wie Heiler schließen.
Ungewöhnlich sind Mischwesen, halb Mensch, halb Tier, bekleidet, zuweilen einen Gegenstand haltend, mit dem Gesicht eines Affenmenschen oder mit Schnauze und Fangzähnen. Bei einem Tongefäß in Form eines Hybridwesens mit Kopfputz und Jaguarzähnen könnte es sich laut Demestre vielleicht um die Darstellung der bekannten „Gottheit der Berge“ handeln, die von zweiköpfigen Schlangen beschützend umringt wird. Bei dem „Eulenpriester“, einer Menschengestalt mit Vogelkopf, wurden gar vier Farben verwendet. Ganz ohne Bemalung blieb ein Gefäß in Tierform in menschlicher Hockposition: ein Mann in Raubtierverkleidung oder ein vermenschlichtes Raubtier oder ein Gott aus der Phantasiewelt der Mochicas.
Die peruanische Tierwelt taucht auf vielen Gefäßen auf: Schlangen, Jaguare, Schnecken, Seelöwen, Eulen, Haie und Leguane sind gleichzeitig auf Portraitgefäßen erkennbar. Interpretiert wird das als bildliche Darstellung eines Schöpfungsmythos, beidem das energetische Zusammenspiel der Meeres-, Land- und Himmelstiere offenbar wird.
Flachkugelförmige Gefäße mit leicht gewölbter Basis dienten als Maisröster. Es gibt auch eine Anzahl zoomorpher Gefäße die einen konisch ausschwingenden Hals mit weiter Öffnung besitzen oder in Form einer vermenschlichten Kartoffel mit Zahlreichen Kartoffelaugen.
Der europäischen Formensprache ähnlicher sind Tonflaschen mit Tüllenausguss. Eine eigene Gruppe bildet „Bemalte Keramik“: glocken- kugelförmige oder Zylindrisch-trapezförmige Steigbügelgefäße mit detailliert gemalten Eidechsen, Watvögeln oder mythischen Schlangen, Mondtieren und Krieger-Ente.
Die Exponate bilden eine bemerkenswerte Keramik-Sammlung des Anden-Kulturraumes, die der aus Lippstadt stammende Arzt Dr. Eduard Gaffron in den Jahren 1882 bis 1913 zusammentrug, in denen er in Lima praktizierte. Der Sammlungskatalog ist im Museums-Shop und im Buchhandel erhältlich. Erschienen ist er bei Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, ISBN 978-3-96176-069-5. htv
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