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Nachricht vom 08.07.2017    

Buchtipp: Vom Backen, Brauen, Keltern und Gerben

Zeugnisse der Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln sowie Bekleidung in Rheinland-Pfalz trägt Dr. Ing. Paul-Georg Custodis in seinem 160-seitigen reich bebilderten Buch zusammen. Der Autor ist als studierter Architekt und Baudirektor im Landesamt für Denkmalpflege / Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege ein profunder Kenner der Materie.

Buch-Titel. Foto: Nünnerich-Asmus Verlag

Region. Das Flächenland Rheinland-Pfalz mit seinem hohen Agraranteil weist eine große Anzahl technischer Anlagen auf, die mit der Herstellung und Verarbeitung von Naturprodukten verbunden sind. Die Römer hinterließen vor allem in den Flusstälern ihre Spuren, im Mittelalter prägten die Kurfürsten die Landesstruktur und die jüdischen SchUM-Städte spielten eine Rolle, bevor die technische Revolution auch das Leben der Landbevölkerung grundlegend veränderte und den Niedergang einiger Produktionsbereiche begründete. Zurück blieben bauliche Zeugnisse, die zwischenzeitlich zum Teil einer anderen Nutzung zugeführt wurden.

Gemäß seiner Bedeutung stellt Custodis die (Grund-) Nahrungsmittel und deren Herstellung, Lagerung und Vertrieb an den Anfang, um sich im Anschluss ausführlich den Genussmitteln Bier, Wein und Sekt sowie Tabak zu widmen, bevor er die Bekleidung aus Leder und Tuch betrachtet.

Das Mittelgebirgsland Rheinland-Pfalz besitzt eine vielfältige, kleinteilig differenzierte Kulturlandschaft mit entsprechend kleinräumigen agrarischen Strukturen. Weinbau und Handel in der Pfalz, Obst- und Weinanbau in Rheinhessen und im Oberrheingraben, Ackerbau auf den Hochflächen von Westerwald, Eifel und Hunsrück sowie Bergbau im Siegerland, die Flussläufe von Rhein, Mosel, Nahe, Ahr, Wied und Glan und die großen Waldflächen in den Mittelgebirgen boten und bieten Arbeitsplätze.

Aufgrund topographischer und klimatischer Vorgaben und regionaler Baumaterialien entwickelten sich unterschiedliche Bauernhausformen. Im Norden des Landes entstanden Holz-Fachwerkhäuser, im Westen herrschen massive Bruchsteine vor und Winzergehöfte entstanden in Rheinhessen und in der Pfalz. Dass landwirtschaftliche Güter als Impulsgeber im ganzen Land wirkten, belegt Custodis an anschaulichen Beispielen. Ein uriges Ambiente für moderne Gastronomie bieten zahlreiche ehemalige massive Bauernhöfe mit Ziegelgewölben in den Ställen nach den Plänen des Gutsbesitzers Georg Friedrich Best. Zu den Innovationen der großherzoglich-hessischen Verwaltung gehörte auch die Essigfabrik in Flonheim, die wie ein Sakralbau konstruiert ist. Spannend ist die Geschichte und Konstruktion freistehender Backhäuser, die von kapellenartig bis kubistisch reduziert ausfallen.

Die Geschichten, die mit der Geschichte der agrarischen Bauwerke verbunden sind, lesen sich unterhaltsam und wecken Neugier auf dieses Erbe unserer Region. Was bisher im Vorbeifahren wenig Beachtung erfuhr, wurde nach Lektüre des Buches zum besuchenswerten Denkmal oder stummen Zeitzeugen. So erzählen die imposanten Landwirtschaftsschulen, Landeslehr- und Versuchsanstalten und Weinbaudomänen von einer agrarischen Aufbruchsstimmung, an der Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der nicht nur in der nach ihm benannten Raiffeisen-Region, sondern im gesamten Verbreitungsgebiet der Kuriere eine sehr große Rolle spielt, Anteil hatte, indem er durch die Gründung der Raiffeisengenossenschaften die Lebensbedingungen der notleidenden Landbevölkerung verbesserte und für mehr Bildung sorgte.



Großzügige tempelartige Markthallen und geräumige Schlachthöfe, die nach kontrollierten Hygiene-Standards arbeiteten, zeugen vom Wandel des kleinbäuerlichen Lebensmittelanbaus zur Nahrungsmittelindustrie. Die kommunalen Schlachthäuser waren der Stolz des Ortes und wurden entsprechend eindrucksvoll erbaut.

Klösterliche und privat geführte Brauhäuser für Bier waren und sind ortsbildprägend. Sie wurden gern schloss- oder festungsartig konstruiert und zeigten so, dass die Besitzer wohlhabend waren. Die künstlichen Eiskeller oder zur Kühlung genutzten Basaltkeller wurden im Lauf der Zeit durch technische Kühlanlagen ersetzt.

Als Zeugen traditioneller Wein- und Sektherstellung findet man neben terrassierten Steillagen und kirchlichen und adeligen Weingütern und staatlichen Weinbaudomänen auch schutzgebende Weinberghäuschen in zum Teil skurriler Architektur vom Trulli bis zum klassischen Tempel.

Als der Tabakanbau in der Pfalz zu Beginn des deutschen Kaiserreichs florierte, wurden in mehreren Orten Tabakschuppen in Holzbauweise zum effektiven Trocknen der großen Blätter errichtet. Da sie heute nicht mehr für die Tabakherstellung gebraucht werden, werden sie zum Teil umgebaut und anderweitig genutzt.

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Herstellung von Leder und Tuchen. Gerberviertel, Schuhfabriken und Baumwollspinnereien – vornehmlich im pfälzischen Gebiet – sind in den letzten Jahrzehnten der Fertigung im Ausland gewichen. Ihre architektonischen Zeugnisse sind zum Teil abgerissen, zum Teil renoviert oder warten als Leerstand auf eine neue Bestimmung.

Das Buch „Vom Backen, Brauen, Keltern und Gerben Zeugnisse der Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln sowie Bekleidung in Rheinland-Pfalz“ von Paul-Georg Custodis ist im Nünnerich-Asmus Verlag erschienen, ISBN: 978-3-945751-82-4 und kostet 29,90 Euro. htv



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