Werbung

Nachricht vom 02.11.2016    

Niemand wird schlechter, aber viele besser gestellt

Zwei Fragen standen beim Infoabend rund um die vielfältigen Änderungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung im Ignatius-Lötschert-Haus in Horbach im Mittelpunkt. Zum Beginn war es die Frage: woher kriegen wir noch Stühle, damit für alle Gäste eine Sitzgelegenheit zur Verfügung steht. Nach über zwei Stunden blieb die Frage im Raum: Woher kriegen wir künftig genug Fachkräfte um die guten Ansätze der neuen Reformen auch umzusetzen?

Foto: pr

Horbach. Für den Förderverein der gastgebenden Pflegeeinrichtung, den Ortsverband Buchfinkenland/Gelbachhöhen des VdK und das Forum Soziale Gerechtigkeit als kooperierende Veranstalter freute sich Uli Schmidt (Horbach), der den Abend auch moderierte, über das große Interesse an der Veranstaltung. „In einer Zeit, in der das Gehalt von Menschen, die unser Geld betreuen, wesentlich höher ist wie das der Fachkräfte die unsere Alten betreuen, kann von großem Reformbedarf in der Pflege ausgegangen werden“, stellte er fest. Den Handlungsbedarf bestätigte auch VdK-Kreisverbandsvorsitzender Walter Frohneberg aus der täglichen Beratungspraxis seines Verbandes im Westerwaldkreis in seinem Grußwort.

Von einer notwendigen Reformwelle sprach die rheinland-pfälzische Sozial- und Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler in ihrer thematischen Einleitung. „Mit dem eingeleiteten Systemwechsel wollen wir erreichen, dass die Schwere der Pflegebedürftigkeit unabhängig von der Art der Einschränkung in allen ihren Facetten erfasst wird, also von der Mobilität bis hin zur Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte“, so der Gast aus der Landeshauptstadt. Die Ministerin wies auch darauf hin, dass es einen Bestandsschutz für alle heutigen Pflegebedürftigen gibt und niemand schlechter, aber viel besser gestellt werden.

Künftig wird es keine drei Pflegestufen mehr geben, sondern fünf Pflegegrade. „Wir werden nicht mehr einstufen sondern eingraden“ meinte Prof. Dr. Sandra Bensch vom Fachbereich Gesundheit und Pflege an der Kath. Hochschule Mainz in ihrem Vortrag. Ausführlich erläuterte die Professorin den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff: „Dieser erfasst die individuellen Beeinträchtigungen und Fähigkeiten der Pflegebedürftigen“, so Dr. Bensch. Um zukünftig die Pflegebedürftigkeit einzuschätzen, werde in sechs Modulen der Grad der Selbständigkeit, also das Ausmaß eingeschätzt, in dem die pflegebedürftige Person sich selbst ohne fremde Hilfe versorgen kann. Zentraler Begriff sei dabei die Selbständigkeit.

Die vielfältigen gesetzlichen Neuerungen in der Pflegeversicherung erläuterte Christoph Spies vom Referat Pflege des Mainzer Sozialministeriums. Die Überleitung von der bisherigen Regelung in die neuen Pflegegrade wird zum 1.1.2017 automatisch erfolgen. „Dabei werden Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet und diejenigen mit zusätzlich erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz direkt in den übernächsten Grad“, so der Referent. Erfreut nahmen die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer zur Kenntnis, dass sich beim Pflegegeld und auch bei den Pflegesachleistungen teilweise spürbare Erhöhungen ergeben können. Zudem werde die soziale Sicherung von pflegenden Angehörigen verbessert, so Spies.



Anschließend hatten Fachleute aus verschiedenen Bereichen der Pflege Gelegenheit zum einen Kurzstatement um ihre Erwartungen aus regionaler Sicht an die „Reformwelle“ auszudrücken. Anja Kohlhaas vom Altenzentrum Haus Helena des Caritasverbandes in Hachenburg, hofft auf deutliche Verbesserungen. „Im Einzelfall kann aber auch die Aufnahme in einer stationäre Altenpflegeeinrichtung erschwert werden“, so die Einrichtungsleiterin. „Wer soll denn künftig die Arbeit machen, wenn immer weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen?“, fragte Angela Roos als Geschäftsführerin des gleichnamigen Hauskrankenpflegedienstes mit Sitz in Nordhofen. Als Vertreterin der ambulanten Pflege erntete sie viel Zustimmung für ihre Beschreibung des Fachkräftemangels.

Für die Pflegeberatung machte dann Heike Wiebusch noch einige Anmerkungen. Die Mitarbeiterin eines Westerwälder Pflegestützpunktes sagte zu, die Leute da abzuholen wo sie stehen. „Wir wollen über die neuen Gesetze aufklären und werden diese Aufgabe sehr ernst nehmen“, so Wiebusch. Als Vertreterin der Pflegekammer Rheinland-Pfalz begrüßte Prof. Dr. Sandra Bensch den Paradigmenwechsel im Pflegebedürftigkeitsbegriff. „Unsere Hoffnung ist, dass die Pflegebedürftigkeit künftig realistisch fernab von Minutenzählerei erfasst wird“, so Dr. Bensch in ihrer Rolle als Kammervertreterin.

Da aus Zeitgründen an dem Abend Fragen und Diskussionsbeiträge nicht geplant waren, hat das Forum Soziale Gerechtigkeit zugesagt, Ende 2017 nach Hachenburg zu einer Gesprächsveranstaltung einzuladen. „Dann wirken die Reformen schon und es liegen Erfahrungen zur Umsetzung im Westerwald vor“, so Uli Schmidt im Schlusswort.



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Westerwaldkreis mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.



Lokales: Montabaur & Umgebung
Feedback: Hinweise an die Redaktion

Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Region


Lkw-Brand auf der A3 bei Großmaischeid sorgt für Vollsperrung

In den frühen Morgenstunden des Donnerstags (1. Mai) geriet ein Sattelzug auf der Autobahn 3 in Brand. ...

Verkehrsunfall in Wittgert: Vier Personen verletzt

In Wittgert ereignete sich am Mittwochabend (30. April) ein Verkehrsunfall mit zwei beteiligten Pkw. ...

100 Jahre Einsatz: Die Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Niederelbert

Am 10. Mai feiert die Freiwillige Feuerwehr Niederelbert ihr 100-jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum wird ...

Diebstahlserie in Nassau und Bad Ems: Unbekannte Täter schlagen zu

In den frühen Morgenstunden des Mittwochs (30. April) kam es in Nassau und Bad Ems zu mehreren Diebstählen ...

Dreister Kupferdiebstahl in Herschbach

In Herschbach kam es zu einem ungewöhnlichen Diebstahl, der die Polizei auf den Plan rief. Unbekannte ...

Vorsicht vor gefälschten Steuer-E-Mails - Finanzamt warnt vor Betrügern

Derzeit kursieren betrügerische E-Mails, die angeblich vom Bundeszentralamt für Steuern stammen. Diese ...

Weitere Artikel


Folk- und Soulmusik mit Biber Herrmann

Folk-Blues-Musik mit Herz und Seele erwartet die Besucher eines Konzertes von Biber Herrmann am 12. November, ...

Digitale Welt kann Smalltalk nicht ersetzen

Zur „Zukunft der Digitalisierung“, referierte MdB Dr. Andreas Nick am Mittwoch in Montabaur im Rahmen ...

Auf den Spuren der Schneeleoparden

Man nennt die bedrohten Großkatzen die „Geister der Berge“: Die NABU-Gruppen aus der Region Rhein-Westerwald ...

Arbeitslosenquote im Bezirk Montabaur sinkt auf 3,2 Prozent

Derzeit sind 5.729 Menschen ohne Beschäftigung gemeldet – Ausgeprägter Rückgang gegenüber dem Oktober ...

Notfallseelsorge sucht dringend neue Helfer

Für den Dienst in der Notfallseelsorge entscheidet man sich nicht mal eben so. Denn die ehrenamtliche ...

Steuerliche Erstberatung für Existenzgründer

Das Thema Steuern sollte schon vor einer Unternehmensgründung oder –übernahme auf dem Plan stehen. Beispielsweise ...

Werbung