Zum Auftakt von „Nun reden wir“ wollten nur wenige mitreden
An der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken! Das ist die ureigene Aufgabe der Parteien, die jedoch auch im Westerwald zunehmend nicht mehr wahrgenommen wird. Die „Mitwirkung“ der örtlichen Gliederungen aller demokratischen Parteien beschränkt sich fast ganz auf die Durchführung von Wahlkämpfen, Aufstellung der Kandidatenlisten und „Kontrolle“ der jeweiligen Kommunalverwaltung.
Daubach. Auch weil immer weniger „Wäller“ überhaupt noch bereit sind sich politisch zu engagieren. Diese Entwicklung ist nicht gut für unsere Demokratie. Das denkt zumindest der SPD-Ortsverein Stelzenbach und lädt interessierte Bürgerinnen und Bürger seit Beginn des Jahres zu neuen Gesprächsformaten ein – mit noch überschaubarem Erfolg.
Nachdem beim ersten „Roten Talk im grünen Baum“ in Horbach die Stühle bei der Nachlese zur Landtagswahl kaum reichten, war die Zahl der Teilnehmenden beim Start des Gesprächsformates „Nun reden wir“ überschaubar. Dabei wurde mit den „Mythen der Rente“ ein Thema gewählt, dass fast jeden interessieren müsste. So zumindest die Hoffnung der Organisatoren im Buchfinkenland, auf den Gelbachhöhen und in den Elbertgemeinden. Doch aus dem Umfeld der SPD kamen wenige – und noch weniger Gäste, die keiner Partei angehören und diese neue Gelegenheit zur politischen Mitsprache nutzen wollten.
Dabei war mit dem schmucken Heimathaus in Daubach ein Tagungsort mit einer besonderen Atmosphäre gewählt worden. Zumal vorher die Möglichkeit bestand, mit dem Daubacher Altbürgermeister Raimund Hahn das beeindruckende Dorfmuseum gleich nebenan in einem alten Fachwerkhaus zu besichtigen. Ein dazu aus dem Oberwesterwald angereister Teilnehmer meinte: „Das ist schon stark, dass so eine kleine Ortsgemeinde mit viel Bürgerengagement so etwas auf die Beine stellen kann“.
Für die gastgebenden Sozialdemokraten begrüßte Uli Schmidt (Horbach) die überschaubare Schar der interessierten Gäste: „Unsere Rentenpolitik lebt von Mythen, die nicht nur den Jungen schaden, sondern auch den Alten“. Auch die SPD habe Fehler gemacht und häufig mehr wahltaktisch als demografisch notwendig entschieden. Das letzte Rentenpaket mit hohen langfristigen Ausgaben für „Mütterrente“ und „Rente mit 63“ seien Beispiele dafür und vollkommen falsche Signale. „Stattdessen sollte man sich lieber um die Rentner von morgen kümmern, denn für die sieht es im Gegensatz zur heutigen Rentnergeneration richtig düster aus“, so Schmidt.
Angesichts drohender Altersarmut für immer mehr Menschen wegen einer teilweise verfehlten Rentenpolitik, wurde an dem Abend über verschiedene „Mythen der Rente“ kontrovers diskutiert. Beispielsweise, dass Senioren im hektischen Arbeitsleben nicht mehr mitkommen. Dazu meinte Helmut Frink aus Daubach: „Bei uns in der Elektrobranche funktionieren irgendwann die Feinarbeiten nicht mehr so, aber dafür kann man mit viel Erfahrung andere Dinge umso besser.“
Ein weiterer Mythos, bei dem sich die Diskutanten jedoch nicht einig wurden: ältere Menschen sehnen sich alle danach, nicht mehr arbeiten zu müssen. Dabei gingen die Meinungen weit auseinander. Weitgehend überholt dagegen ist der Mythos, dass Rentner den Jungen die Arbeit wegnehmen. „Alle werden gebraucht, egal ob jung oder schon etwas älter“, meinte Verbandsgemeinderatsmitglied Anusch Schnee aus Oberelbert. Mit diesen und anderen Mythen wurde kräftig aufgeräumt.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde klar, dass die bisherige deutliche und künstliche Trennung zwischen Beschäftigung und Ruhestand überwunden werden muss. Darin waren sich alle einig: Beschäftigte die wollen und können, müssen länger arbeiten dürfen.
Viel Zustimmung bekam die Idee, im Westerwaldkreis eine Vermittlungsstelle für Zuverdienste von Rentnerinnen und Rentnern zu schaffen. Alle sollen hier mögliche Beschäftigungsangebote melden können. Und wer länger arbeiten will oder muss, bekommt hier das passende Angebot. Nach Meinung aller Anwesenden kann dies ein kleiner Beitrag gegen die wachsende Altersarmut in der Region sein.
Nach Ansicht des Vorsitzenden des gastgebenden SPD-Ortsvereins, Willi Wirges (Untershausen), will der Verein weiter daran festhalten, mit neuen Formaten möglichst viele Bürgerinnen und Bürger anzusprechen. „Das kann man doch nicht nur den oft lähmenden Talkshows im Fernsehen überlassen“, so der ehrenamtliche Beigeordnete der Verbandsgemeinde Montabaur.
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