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Nachricht vom 05.12.2015    

Keine Obergrenze für Flüchtlinge auf dem Stegskopf

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Detlef Placzek und Winfried Conrad kamen am Samstagmorgen, 5. Dezember nach Rennerod und legten die Fakten über die Flüchtlingspolitik und die Situation auf dem Stegskopf dar. Zurzeit sind 1275 Flüchtlinge dort und die Gretchenfrage, ob es eine Obergrenze geben wird, wurde von Placzek verneint.

v.l. Staatsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Detlef Placzek, Leiter des rheinland-pfälzischen Führungsstabes Flüchtlingshilfe und Winfried Conrad, Einrichtungsleiter der AfA Stegskopf, legten die Fakten über die Flüchtlingspolitik und die Situation auf dem Stegskopf dar Foto: Julia Heinz

Rennerod. Der SPD-Ortsverein Rennerod lud alle interessierten Bürger am Samstagmorgen, 5. Dezember, in die Westerwaldhalle ein, um Unsicherheiten seitens der Bürger sowie Unwahrheiten, die von Rechtspopulisten verbreitet werden aus der Welt zu schaffen. Staatsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Detlef Placzek, Leiter des rheinland-pfälzischen Führungsstabes Flüchtlingshilfe und Winfried Conrad, Einrichtungsleiter der AfA Stegskopf, waren gekommen, um über die Flüchtlingspolitik und die Situation auf dem Stegskopf zu sprechen.

Bätzing-Lichtenthäler sagte direkt, dass sie nicht mehr akzeptieren würde, dass Gerüchte und Unwahrheiten sich verbreiten, daher möchte sie über die Fakten reden und wiederlegte gleich darauf einige dieser Gerüchte: Dass durch Flüchtlinge Krankheiten verbreitet werden, wird durch die verpflichtenden ärztlichen Untersuchungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen verhindert. Dass sich dadurch die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen erhöhen, ist ebenfalls falsch, denn die Behandlungskosten der Flüchtlinge trägt das Land und die gesetzlichen Krankenversicherungen werden überhaupt nicht belastet. Dass der Zusatzbeitrag im Januar steigen wird, hat daher andere Gründe und wird nicht durch die Flüchtlinge verursacht. Bätzing-Lichtenthäler hat darüber hinaus mit der Polizei Inspektion Betzdorf über das Gerücht, das Flüchtlinge stehlen würden, gesprochen und erfahren, dass dies nicht von der Polizei bestätigt werden kann. Der Einzelhandel in Rennerod und Bad Marienberg, der von den Flüchtlingen durch den Buspendelverkehr regelmäßig besucht wird, ist außerdem sehr zufrieden. Massenschlägereien hat es bisher auf dem Stegskopf auch nicht gegeben. „Natürlich gibt es Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen, aber keine Ausreißer, die dieses Gerücht rechtfertigen könnten“, erklärte Bätzing-Lichtenthäler. Außerdem gibt es Behauptungen, dass man mit den Flüchtlingen den Terror in den Westerwald und nach Deutschland holt, dabei flüchten diese Menschen genau vor diesem Terror in ihrem Land, sagte sie. Bätzing-Lichtenthäler fügte schließlich hinzu: „Ich möchte damit nichts schön reden und auch nicht dramatisieren. Ich möchte die Fakten darlegen.“

Placzek erläuterte die Flüchtlingssituation in Deutschland und Rheinland-Pfalz. Zurzeit sind fast eine Millionen Flüchtlinge in Deutschland registriert. In Rheinland-Pfalz stehen 16000 Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung, davon lediglich zwei Schulsportturnhallen in Bad Kreuznach. Im Gegensatz zu Nordrhein-Westfahlen, wo überwiegend Turnhallen als Unterkunft für Flüchtlinge dienen. 2000 Flüchtlinge müssen dennoch derzeit in Zelten wohnen, diese sind jedoch auch für den Winter geeignet, betonte Placzek. Insgesamt läuft es in Rheinland-Pfalz gut, versicherte er. Dies kann man von Deutschland nicht ganz so gut behaupten, meinte er. Daher wird Rheinland-Pfalz dem Bund bei der Registrierung der Flüchtlinge helfen. Dies ist jedoch leichter gesagt, als getan, denn jedes Bundesland verfügt über eine andere Software zur Registrierung, die untereinander nicht kompatibel sind. „Dies ist nicht das technische Deutschland, dass ich mir vorstelle.“, kritisierte Placzek. Daher muss erst eine einheitliche Basis geschaffen werden. Bis Januar soll dies laut dem Bund realisiert sein, nach Placzeks Meinung, sei dies in der kurzen Zeit jedoch nicht möglich.

Conrad stellte die Situation auf dem Stegskopf mittels Zahlen dar. Nach dem Stand vom Freitag, 4. Dezember, sind auf dem Stegskopf 1275 Flüchtlinge untergebracht. Es befinden sich dort besonders viele Familien und nur 420 Alleinreisende. Für die 107 Kleinkinder unter drei Jahren wurde eine Kinderstube, die am Vormittag geöffnet hat, eingerichtet. Seit dem ersten Dezember gibt es darüber hinaus eine Kinderbetreuung nach Altersklassen. Die Mehrheit der Flüchtlinge auf dem Stegskopf sind Syrer (768), gefolgt von Afghanen und Pakistanern. Der Altersdurchschnitt bei den Männern liegt bei 23,7 und bei den Frauen bei 21,3 Jahren. Bisher haben 300 Flüchtlinge an den Integrations- und Sprachkursen teilgenommen. Die Zahl der Teilnehmer steigt jedoch kontinuierlich an. Nächste Woche werden 400 Flüchtlinge in den Kursen erwartet, sagte Conrad. Das Problem bei den Deutschkursen wäre, dass diese nur für vier Herkunftsländer -Syrien, Eritrea, Iran und Irak- der Flüchtlinge konzipiert seien, da dort arabisch gesprochen wird. Daher werden Flüchtlinge, die eine andere Sprache sprechen, ausgeschlossen. Dies soll sich jedoch bald ändern, betonte Conrad.



Der Buspendeldienst, der dreimal pro Woche angeboten wird, funktioniert hervorragend und auch die Befürchtungen der Bürger, dass die Flüchtlinge in großer Anzahl eigenständig nach Daaden und Umgebung wandern, haben sich nicht bestätigt. Letzte Woche gab es einen amüsanten Zwischenfall, der den Flüchtlingen die deutsche Kultur näherbrachte, erzählte Conrad lächelnd. Einige Flüchtlinge hatten in Bad Marienberg den Glühweinstand für sich entdeckt und einiges getrunken. Dies führte dazu, dass sich einige im Bus auf der Rückfahrt übergaben. Auf dem Stegskopf ist jedoch das Trinken von Alkohol verboten, fügte Conrad noch hinzu.

Seit letzter Woche wird den Flüchtlingen Taschengeld ausbezahlt, so dass angenommen wird, dass sie den Buspendelverkehr mehr nutzen werden, um einzukaufen. Daher steht die Überlegung im Raum, dass pro Busfahrt ein Anerkennungsbeitrag verlangt wird. Dadurch sollen die Flüchtlinge gleichzeitig lernen, dass man in Deutschland für den öffentlichen Verkehr bezahlen muss. Zudem gibt es auf dem Stegskopf einen Kiosk und ein Container-Einkaufsladen. Der Verkaufsschlager seien vor allem Chips, erzählte Conrad schmunzelnd. Bald soll es auch eine Bäckerei und eine Metzgerei, in der jedoch kein Fleisch verkauft werden soll sondern Reibekuchen und Waffeln, geben. Zudem haben die Flüchtlinge die Möglichkeit sich bei der Wäscherei und der Müllentsorgung für 1,05 Euro die Stunde miteinzubringen.

Ferner war Religion von Anfang an kein Thema für die Flüchtlinge auf dem Stegskopf gewesen, sagte Conrad. Es wurde jedoch nach einem Betraum gefragt. Dieser Bitte will man in Form eines Raums der Stille nachkommen.

Anschließend konnten Fragen an die drei Redner gestellt werden, die der Bürgermeister der Stadt Rennerod, Raimund Scharwat, moderierte. Hombergs Bürgermeister Michael Gräb sprach eine e-Mail von der Verträglichkeitsprüfung zur Besichtigung des Stegskopfes an, die ihn seiner Meinung nach zu spät erreichte, um noch daran teilzunehmen. Er wollte wissen, ob dies noch nachholbar sei. Placzek und Conrad waren damit einverstanden und laden gerne weitere Bürgermeister ein, die ebenfalls diesen Termin nicht wahrnehmen konnten.

Placzek sprach daraufhin die entfachte Diskussion an, inwieweit man den Stegskopf für die Bevölkerung öffnen soll. Er ist zu dem Schluss gekommen, ihn nicht für die Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen, denn die Flüchtlinge seien traumatisiert und möchten erstmal das Erlebte in Ruhe verarbeiten. Placzek sprach außerdem an, dass es in der Vergangenheit auch Vorfälle gab, wo sich Bürger als Flüchtlinge ausgegeben hatten, um sich das Leben auf dem Stegskopf anzuschauen. Dies sei nicht erwünscht, betonte er.

Der Bürgermeister von Stein-Neukirch, Harry Menk, stellte die Gretchenfrage: „Was ist für die weitere Belegung des Stegskopfs geplant? Alle Gemeinden haben sich auf eine Belegungsgrenze von bis zu 1500 Flüchtlingen geeinigt. Wie ernst nehmen Sie das?“ Bätzing-Lichtenthäler sagte, dass sie zu dem stehen, sie aber andererseits den Druck haben Kapazitäten zu schaffen. Placzek gab die nüchterne Antwort, dass für ihn der Ausbau über die 1500 Grenze möglich sei und wollte nicht über eine Grenze sprechen. Er sei bei Bedarf auch gewillt einen Ausbau der Abwasserleitungen, die das Land bezahlt, durchzuführen, um bis zu 5000 Flüchtlinge aufnehmen zu können.

Außerdem wurde angesprochen, dass sich die Bürger in Bad Marienberg überrumpelt fühlten, als der erste Pendelbus eintraf. Kritisiert wurde, dass zu wenige Informationen über die Flüchtlingssituation auf dem Stegskopf an die Bürger durchdringen.
Um eine transparentere Flüchtlingspolitik zu gewährleisten wurde jedoch diese Informationsveranstaltung durchgeführt, auch wenn nicht viele Bürger am Samstagmorgen den Weg in die Westerwaldhalle gefunden hatten, um sich zu informieren. (jkh)


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