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Nachricht vom 09.11.2014    

Dekanat Selters setzt sich stärker für Flüchtlinge ein

435.000 Flüchtlinge sind 2013 in die EU gekommen. Von ihnen haben 127.000 einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Dieses Jahr werden es mehr sein. Viel mehr: Andreas Lipsch rechnet mit 200.000 Menschen, die bis Ende 2014 in der Bundesrepublik Schutz suchen. Diakoniemitarbeiterin Glück koordiniert Hilfe, Ehrenamtliche werden gesucht.

Mit eindrücklichen Worten erläutert der Interkulturelle Beauftragte der Diakonie Hessen, Andreas Lipsch, den Mitgliedern der Herbstsynode des Dekanats Selters das Schicksal vieler Flüchtlinge. Künftig wird sich das Dekanat noch stärker für Asylsuchende einsetzen. Fotos: privat.

Wallmerod. Andreas Lipsch leitet den Bereich „Flucht, Interkulturelle Arbeit und Migration“ der Diakonie Hessen und ist Interkultureller Beauftragter der Landeskirche. In Wallmerod hielt er während der Herbstsynode des Dekanats Selters einen schonungslosen Vortrag über die Situation derer, die fliehen: über diejenigen, die zu Tausenden an Europas Grenzen sterben; über das Abgeschobenwerden in die „Sicheren Drittstaaten“, in denen Obdachlosigkeit und Haft auf die Flüchtlinge warten. Und darüber, dass diese Menschen Deutschland ausgesprochen gut tun können. Bewegende Worte, die die Synode bestärken, die viel zitierte Willkommenskultur nicht nur zu unterstützen, sondern in die Tat umzusetzen.

Eine Kultur, die bitter nötig ist. Denn obwohl die meisten Asylsuchenden nach ihrer Flucht das Schlimmste überstanden haben, erwartet sie in Deutschland keineswegs das Paradies. Stattdessen kommen sie traumatisiert und orientierungslos in ein Land, in dem sie erst nach drei Monaten arbeiten dürfen (sofern sich kein Deutscher oder EU-Bürger auf die Stelle bewirbt), keinen Anspruch auf Sprachkurse haben oder in dem sie nicht wissen, wie ein Busfahrplan, eine Waschmaschine oder das Postsystem funktioniert. Kurz: Sie werden oft im Stich gelassen.

Und um das zu ändern, fordert Lipsch ein grundlegendes Umdenken auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. „Die Willkommenskultur muss zur Chefsache werden“, sagt er und spricht sich unter anderem für frei zugängliche Sprach- und Orientierungskurse und neue Betreuungskonzepte aus. Außerdem unterstreicht der Experte, dass kommunale, soziale und kirchliche Einrichtungen Hand in Hand arbeiten müssen und – vor allem – dass Hauptamtliche andere Menschen für ehrenamtliches Engagement stärken und zurüsten.

Denn genau dieser Punkt lief und läuft in der Region alles andere als rund, erklärte der Bereichsleiter „Migration“ des Diakonischen Werks, Alexander Böhler: „2013 gab es 214 Flüchtlinge im Westerwaldkreis. Dieses Jahr werden es rund 600 sein. Mit anderen Worten: Auf uns kommt ein Strom zu, den wir gar nicht mehr meistern können.“ Mit „Wir“ meinte Böhler ganze drei Mitarbeiter der Diakonie und der Caritas, die sich – zusammengerechnet – mit einer 0,9-Stelle um die Betroffenen kümmern. „Wir sind personell also gnadenlos überfordert, und so etwas wie eine Willkommenskultur sehe ich zurzeit auch noch nicht: Menschen, die Unmenschliches mitgemacht haben, sitzen mit Tüten in Verwaltungsfluren und werden mit einem Taxi in irgendeine Wohnung gefahren. Das war's. Es ist einfach schrecklich.“

Nun setzt das Dekanat ein Zeichen. Dank des Programms „Willkommenskultur“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ist die Stelle Svetlana Glücks erweitert worden: Die Diakoniemitarbeiterin wird nicht nur ein Netzwerk zwischen Kirche und Kommune etablieren, damit die Verantwortlichen wissen, wo in der Region diese Menschen untergebracht sind und wo Not am Mann ist. Svetlana Glück kümmert und betreut ab sofort ehrenamtlich engagierte Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Unterstützung erhält sie dabei unter anderem von der Rossbacher Pfarrerin Ilona Fritz, deren Stelle ab Januar 2015 ebenfalls für die Flüchtlingsarbeit erweitert wird. „Wir wollen den Flüchtlingen bei den praktischen Dingen des Lebens helfen; bei Einkäufen, Arzt- und Schulbesuchen, Behördengängen. Wir wollen als Menschen für sie da sein und hören, was sie wirklich brauchen. Es gibt viele Männer und Frauen, die diese Dinge schon jetzt ehrenamtlich tun. Meine Aufgabe wird es sein, diese Kräfte zu koordinieren, zu beraten, zu unterstützen.“



Die ersten Treffen dieser Initiative finden am 27. November in Selters und am 4. Dezember in Wirges statt. Svetlana Glück hofft, dass sich viele Ehrenamtliche ein Herz nehmen und diese Auftaktveranstaltungen besuchen. Und sie zählt auf die Unterstützung der Kirchengemeinden. Denn die Bereitschaft zur Hilfe ist da. Jetzt geht es darum, sie zu mobilisieren, sagte Dekan Wolfgang Weik: „Wir als Pfarrerinnen und Pfarrer und Menschen, denen unsere Nächsten am Herzen liegen, müssen für die Flüchtlingsinitiative Werbung machen – in den Gemeinden, in unseren Orten und Verbandsgemeinden.“

Denn Flüchtlinge, gibt Andreas Lipsch den Synodalen abschließend mit auf den Weg, sind keine Opfer – bei allem, was sie erleiden mussten: „Nein, sie sind starke, oft hochqualifizierte Menschen, die sich auf einen unglaublich anstrengenden Weg gemacht und erstaunliche Dinge geleistet haben. Menschen, die mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten unserem Land gut tun.“

Wer die neue Flüchtlingsinitiative des Dekanats Selters unterstützen möchte oder sich über sie informieren will, kann sich bei Svetlana Glück, Telefon 02602/10698-73, E-Mail s.glueck@diakonie-westerwald.de oder bei Dekan Wolfgang Weik (Telefon 02626/924412, E-Mail: wolfgang.weik.dek.selters@ekhn-net.de) melden. Die ersten Treffen der Initiative finden am 27. November um 18 Uhr im Selterser Haus der Kirche (Saynstraße 4) und am 4. Dezember um 18 Uhr im Luther-Gemeindezentrum Wirges (Westerwaldstraße 6) statt. Alle Interessierten sind herzlich willkommen.



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