Pflegeexperte rückt Rolle der Kommunen in den Mittelpunkt
Dr. Jürgen Gohde, einer der anerkanntesten deutschen Pflegeexperten im Westerwald stellte in seinem Vortrag die zunehmend wichtige Rolle der Kommune für die Pflege in den Mittelpunkt.
Westerwaldkreis/Horbach. „Die Zukunft der Pflege liegt in der Kommune! Also hier im Westerwald in den kleinen Städtchen und vielen Dörfern.“ Dafür müssen nach Ansicht von Dr. Jürgen Gohde als einem der anerkanntesten deutschen Pflegeexperten die Weichen künftig richtig gestellt werden. Im Ignatius-Lötschert-Haus in Horbach rückte er in seinem Vortrag: „Gute Pflege vor Ort – was jetzt zu tun ist“ die wichtige Rolle der Kommunen und den damit verbundenen Systembruch deshalb in den Mittelpunkt.
Heimleiter Bernd Eberz freute sich bei seiner Begrüßung über einen voll besetzten Saal. Für das Forum Soziale Gerechtigkeit und den Förderverein der Pflegeeinrichtung im Buchfinkenland führte Uli Schmidt in das Thema ein. „Mit der Pflegestrukturplanung hat uns das Land ein wichtiges Instrument an die Hand gegeben um ein hochwertige ambulante und stationäre Pflegelandschaft Westerwald zu gestalten“, so das Kreistagsmitglied. Deshalb sei es unverständlich und ärgerlich, dass der Entwurf des ersten „Kreispflegestrukturplanes“ kürzlich ohne jegliche Aussprache im Kreistag verabschiedet worden sei.
In einem umfassenden Vortrag beschäftigte sich Jürgen Gohde kritisch mit der aktuellen Situation und dem Reformbedarf der Pflege. Als Pfarrer und Vorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) ebenso wie im familiären Umfeld ist der Experte mit der Pflege sowohl praktisch auch als wissenschaftlich vertraut. Zumal er bis Ende 2011 Vorsitzender des Pflegebeirates der Bundesregierung war und noch Vorsitzender des Beirates zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes ist.
Der Referent bemängelte die gegenwärtig falschen Markt- und Systemanreize im Pflegesystem. „Diese führen nicht zu integrierten lokalen Versorgungsstrukturen und berücksichtigen unzureichend den Wunsch der Menschen auch im Westerwald nach selbständiger Lebensgestaltung“, so Gohde. Deshalb müssten die Kommunen künftig eine die Infrastruktur steuernde Rolle übernehmen. Das erfordere ein Umdenken und eine ausreichende Finanzausstattung, beispielsweise für neue Wohnformen und eine barrierefreie Gestaltung des Wohnumfeldes.
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Nach Ansicht von Dr. Gohde müssen künftig alle stationären und ambulanten Angebote in der Dorfgemeinschaft (in der Fachdiskussion „Quartier“ genannt) optimal vernetzt, Nachbarn und Freunde in einen Hilfemix einbezogen sowie die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessert werden. „Da immer mehr Menschen direkt oder indirekt von der richtigen Organisation der Pflegeangebote betroffen sind, ist das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen, weshalb sich die Bürger auch an der Lösung der künftigen Probleme beteiligen wollen“, stellte Gohde fest.
In der anschließenden lebhaften Diskussion wurde das Problem des fehlenden Pflegepersonals angesprochen. „Wenn sich nichts ändert, fehlen bis 2030 434.000 Fachkräfte“, meinte der Referent. Heute sei der Arbeitsalltag der Pflegekräfte überwiegend durch harte Arbeit geprägt, wobei das öffentliche Ansehen jedoch nicht der gebrachten Leistung entspreche. Zudem sei der Verdienst im Vergleich zu anderen Berufsgruppen mehr als bescheiden. Wenn sich daran nichts ändere, seien auch im Westerwald junge Menschen künftig immer weniger bereit einen Pflegeberuf zu lernen.
Weitere Gesprächsthemen waren die Integration von älteren Menschen in Vereine vor Ort und die Chancen einer Aufwertung der Pflege durch Einführung einer Pflegekammer in Rheinland-Pfalz. Über Möglichkeiten der Integration von demenzkranken Menschen in einer Dorfgemeinschaft berichtete die aus Horbach stammende frühere Bundestagsabgeordnete und Sozialpolitikerin Regina Schmidt-Zadel. Claudia Ahrens, Leiterin eines Azurit-Seniorenzentrums im oberen Westerwald, formulierte Gedanken darüber, wie es künftig möglich sein kann, ein ganzes Dorf bei der Teilhabe ihrer „Alten“ einzubeziehen. Die Gerontologin Dr. Marita Blitzko-Höhner wies auf die einzige wachsende Ressource einer älter werdenden Gesellschaft hin: das ehrenamtliche Engagement der 55 bis 75 järhigen.
Zum Thema soziale Betreuung und Aktivierung im Pflegealltag meinte der Ehemann einer Bewohnerin des Ignatius-Lötschert-Hauses: „Nirgendwo fühlt sich meine Frau so wohl wie hier im Buchfinkenland“.
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