Medizinische Versorgung im Westerwald: "Eine echte Katastrophe"
Von Regina Morkramer
Hausärzte gehen in Rente und finden keine Nachfolger für ihre Praxen, Facharzttermine sind kaum zu bekommen und mit langen Fahrt- und Wartezeiten verbunden, Krankenhaus-Insolvenzen bestimmen die Diskussion: Wie sicher fühlt man sich im Westerwald im Krankheitsfall? Wir haben nachgefragt.
Region. Ländliche Regionen sind besonders vom Ärztemangel betroffen. Aus dem Krankenhaus in Altenkirchen ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) geworden. Hausärzte nehmen vielerorts keine neuen Patienten mehr an. Pflegedienste sind überlastet. Die Liste der Probleme im Hinblick auf die medizinische Versorgung im Westerwald ließe sich fortsetzen.
Wir haben unsere Leser in den Landkreisen Altenkirchen, Neuwied und dem Westerwaldkreis auf Facebook gefragt: "Wie erlebt ihr aktuell die medizinische Versorgung im Westerwald? Fühlt ihr euch im Krankheitsfall noch sicher?" Die Kommentare unter der Umfrage zeichnen ein stark negatives Bild. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden äußert sich kritisch oder frustriert, einige sprechen sogar von "Katastrophe". Nur einzelne berichten von zufriedenstellenden Erfahrungen. Die Mehrheit fühlt sich im Krankheitsfall nicht mehr sicher versorgt. Diese Umfrage ist nicht repräsentativ, die Leserkommentare spiegeln persönliche Stimmungen und Erfahrungen wider. In ihrer Gesamtheit verdichten sich diese Antworten dennoch zu einem deutlichen Bild, wie die medizinische Versorgung im Westerwald wahrgenommen wird.
Die Hauptprobleme
Als Haupt-Problemfelder werden lange Wartezeiten, Zugangshürden zu Fachärzten, überlastete Notaufnahmen, Erreichbarkeitsprobleme und Sorge um die Zukunft etwa im Hinblick auf Praxisnachfolgen oder Personalmangel genannt. Auf Facharzttermine wartet man zum Teil bis zu einem Jahr, andere Praxen nehmen keine neuen Patienten auf. Nicht selten muss man lange Fahrten nach Bonn, Koblenz oder Siegen in Kauf nehmen. "Fachärzte gibt es kaum noch in AK und Umgebung und bei den wenigen, die noch da sind, gibt´s Termine am Sankt-Nimmerleinstag, oder sie nehmen gleich gar keine Patienten mehr an", beschreibt etwa André S. die Situation für den Kreis Altenkirchen. "Bei anderen Fachärzten kommt man telefonisch gar nicht erst durch, oder man hat ein Jahr Wartezeit, oder wird gar nicht erst angenommen", schildert Kay M. die Lage im Kreis Neuwied. "Zum Hautarzt muss ich bis nach Andernach fahren, war der einzige wo ich überhaupt einen Termin bekommen habe und kein Aufnahmestopp war", erklärt Lea S. aus dem Westerwaldkreis.
Die Notaufnahmen werden in der Umfrage überwiegend als überlastet beschrieben. Hier berichten die Facebook-Nutzer von stundenlangen Wartezeiten und teilweise auch Aufnahme-Stopps sowie Engpässen am Wochenende. "Im Krankenhaus wird man in der Notaufnahme vergessen. Bei akutem Verdacht auf Beinvenen-Thrombose sitzt man stundenlang ebenfalls in der Notaufnahme", berichtet Claudia S. aus dem Kreis Neuwied von ihren Erfahrungen.
Auch die Schließung des Krankenhauses in Altenkirchen wird heftig kritisiert, vor allem vor dem Hintergrund, dass die übrigen Krankenhäuser in der Region auch als überlastet empfunden werden. So kann es bis zu mehreren Stunden dauern, bis - auch in dringenden Fällen - ein freies Bett und eine Behandlungsmöglichkeit für Patienten gefunden wird; damit verbunden sind oft lange Fahrtwege, ebenfalls im kritischen Zustand. "Der Notarzt hatte dann im RTW überhaupt erstmal Arbeit mich in einem Krankenhaus unter zubekommen, weil alle Krankenhäuser sich abgemeldet hatten", so beschreibt Bettina B. aus dem Kreis Neuwied ihr Erlebnis.
Einer der wesentlichen in der Umfrage genannten Kritikpunkte ist zudem die hausärztliche Versorgung. Zwar werden gerade hier auch viele Ärzte gelobt, es wird aber deutlich, dass viele Praxen überlastet sind und auch keine neuen Patienten aufnehmen. "Es wird von Monat zu Monat schlimmer, der Hausarzt überlastet, sodass jeder mittlerweile Monate auf einen Termin warten muss und bei anderen Hausärzten Aufnahme-Stopp", so empfindet es Steffy L. aus dem Kreis Altenkirchen.
Ärztemangel auf dem Land
Hausärzte gehen in Rente und finden keine Nachfolger, junge Mediziner zieht es in die Städte, Fachkräftemangel ist auch im Gesundheitswesen ein Thema: Dass die ärztliche Versorgung auf dem Land zum Problem wird, hat die rheinland-pfälzische Landesregierung längst erkannt. Bereits seit 2007 verfolgt das Land mit dem "Masterplan zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung" ein Bündel an Maßnahmen gemeinsam mit Partnern wie der Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP), der Landesärztekammer Rheinland‑Pfalz oder dem Hausärzteverband. Dabei spielt vor allem. die Förderung der hausärztlichen Versorgung eine wichtige Rolle (zum Beispiel Förderprogramme für Niederlassungen, Anstellungen, Zweigpraxen) sowie regionale Weiterbildungsverbünde. Weitere Schwerpunkte sind die Förderung des Allgemeinmedizin-Tertials im Praktischen Jahr, die "Landarztquote" und die Förderung von ausländischen Ärzten beim Anerkennungsverfahren.
Aus der Antwort des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion "Medizinische Versorgung in Rheinland-Pfalz: Die Problematik des Ärztemangels im Fokus" im Oktober 2025 geht hervor, dass im Landkreis Altenkirchen 64,8 Prozent der Hausärzte mindestens 60 Jahre oder älter sind. Im Kreis Neuwied sind es 60,7 Prozent im Westerwaldkreis sind mit 56,4 Prozent ebenfalls mehr als die Hälfte der Hausärzte mindestens 60 Jahre oder älter. Zwar sind offizielle Werte wie etwa Versorgungsgrade unter 75 Prozent (Hausärzte) beziehungsweise 50 Prozent (Fachärzte) als Unterversorgung noch nicht überschritten gemeldet worden; dennoch zeigen die Daten, dass viele Haus- und auch Fachärzte dem Ausstieg näher sind und damit das Risiko von Versorgungslücken steigt.
Stimmen aus den Kreisen Altenkirchen, Neuwied und Westerwald
• Wie empfinden die Menschen im Kreis Altenkirchen die medizinische Versorgung? Wir haben Antworten, Kritikpunkte und Sorgen in diesem Artikel zusammengetragen?
• Und wie steht es in den Augen der Bewohner um die medizinische Versorgung im Kreis Neuwied? Meinungen und Zitate dazu gibt es in diesem Artikel.
• Was die Menschen im Westerwaldkreis zur medizinischen Versorgung zu sagen haben, haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.
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