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Nachricht vom 06.11.2025    

Prozess wegen sexuellen Missbrauchs beim Landgericht Koblenz konnte nicht beginnen

Von Wolfgang Rabsch

Für die Leser der Kuriere ist es sicherlich auch einmal interessant, was im Gerichtssaal alles passieren kann, oder auch nicht, wenn prozessuale Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Sämtliche Verfahrensbeteiligte, bis auf einen Schöffen, befanden sich pünktlich zum Prozessauftakt im Sitzungssaal …

Rechtsanwalt Frank Wolsfeld mit dem Angeklagten. (Foto: Wolfgang Rabsch)

Koblenz. Eigentlich sollte ein Prozess wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern stattfinden. Die Staatsanwaltschaft legt dem 62-jährigen Angeklagten zur Last, an einem nicht mehr feststellbaren Tag in der Zeit vom 1. Juni 2023 bis zum 24. Juni 2023 einen sexuellen Missbrauch zum Nachteil eines zur Tatzeit erst siebenjährigen Mädchens begangen zu haben. Tatort soll ein kleiner Ort im Landkreis Neuwied gewesen sein.

Allerdings kam es bei Prozessauftakt gar nicht erst zur Verlesung der Anklage.

In diesem Fall waren bis auf eine Person, alle Prozessbeteiligten pünktlich erschienen: die Strafkammer, der Staatsanwalt, der Verteidiger des Angeklagten, zwei Sachverständige, die Vertreterin der Nebenklage sowie der Angeklagte. Ausgerechnet von den beiden berufenen Schöffen war lediglich eine Person erschienen. Also wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um zu ermitteln, warum der zweite Schöffe nicht anwesend war.

Ohne zwei Schöffen kann nicht verhandelt werden
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass das jeweilige Gericht jedem, der eine Ladung erhalten hat, eine Karenzzeit von 15 Minuten zubilligt, weil verschiedene Umstände, etwa die Parkplatzsuche, oder ein Verkehrsstau, zu einem verzögerten Eintreffen führen können. Nachdem 15 Minuten verstrichen waren, ohne dass der Schöffe im Sitzungssaal erschien, wurde der erwähnte Schöffe von der Vorsitzenden telefonisch kontaktiert, um zu erfragen, warum er nicht zum Termin erschienen wäre.

Die Vorsitzende teilte den anwesenden Prozessbeteiligten mit, dass der ausgebliebene Schöffe ihr gesagt habe, er sei erkrankt und habe dem Gericht eine entsprechende Krankmeldung zugesandt. Daraufhin beauftragte die Vorsitzende die Protokollführerin und die zuständige Geschäftsstelle des Landgerichts, nachzuforschen, ob diese Krankmeldung beim Landgericht tatsächlich eingegangen wäre.

Keine Krankmeldung des Schöffen auffindbar
Da die Suchaktion sich über längere Zeit hinzog, begann im Sitzungssaal ein Durchspielen der Szenarien, was passieren könnte, wenn der Termin heute wegen des Fehlens des Schöffen überhaupt nicht stattfinden würde. Viele Telefonate führten die Rechtsanwälte mit ihren Kanzleien, auch beide Sachverständige diskutierten über den eventuell ausfallenden Termin. Die Rechtsanwälte, Marion Faust als Vertreterin der Nebenklägerin und Rechtsanwalt Frank Wolsfeld, haderten mit der Ungewissheit, denn wegen des anstehenden Termins beim Landgericht Koblenz, konnten sie keine Mandantenberatungen in ihrer Kanzlei durchführen.



Rechtsanwältin möchte dem Kind unnötiges Leid ersparen
Zudem teilte Rechtsanwältin Marion Faust den Anwesenden mit, dass sie wegen Wahrung der Privatsphäre, den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Hauptverhandlung beantragen wird. Weiterhin sei die Vernehmung der Zeugin mittels Videoschalte aus einem dafür technisch ausgerüsteten Raum in den Sitzungssaal durchzuführen, um der Zeugin die Gegenwart des Angeklagten zu ersparen. Inzwischen war auch die siebenjährige Zeugin im Beistand ihrer Mutter erschienen, die Rechtsanwältin Faust sofort nach draußen geleitete, um den Sachstand mitzuteilen.

Die angeblich abgesandte Krankmeldung des ordnungsgemäß geladenen Schöffen blieb weiterhin unauffindbar. Um den Prozess dennoch durchführen zu können, besteht die Möglichkeit, einen Ersatzschöffen von einer Liste kurzfristig zu laden. Über den Versuch verging erneut ein längerer Zeitraum, bis auch dieser scheiterte, da kein Ersatzschöffe erreichbar war. Die Vorsitzende Richterin erklärte letztlich nach dem vergeblichen Bemühen, die Hauptverhandlung durchzuführen, dass die Sache heute nicht offiziell aufgerufen würde. Da bereits weitere Fortsetzungstermine bestimmt wären, würde sich der Beginn der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten auf den 17. November, verschieben. Alle Beteiligten würden zu diesem Termin erneut formell geladen.

Unentschuldigtes Fernbleiben kann auch für einen Schöffen teuer werden
Die Vorsitzende Richterin erklärte weiter, welche Auswirkungen das unentschuldigte Fernbleiben des Schöffen für ihn haben würde, falls er nicht nachweisen könne, dass er dem Landgericht rechtzeitig seine Krankmeldung zugesandt hätte. Dem Schöffen würden die Kosten auferlegt, die durch sein Fernbleiben entstanden sind, und gegen ihn würde ein Ordnungsgeld festgesetzt, dessen Höhe noch nicht absehbar sei. Zudem können dem Schöffen Honorare und eventueller Verdienstausfall der Sachverständigen und der Rechtsanwälte auferlegt werden.

Die Kuriere werden am 17. November auf jeden Fall wieder im Sitzungssaal des Landgerichts anwesend sein, um zu schauen, ob das Verfahren nunmehr beginnt und wie es weitergehen soll. (WR)


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