Pressemitteilung vom 04.11.2025 
Erinnern für die Zukunft: Holocaust-Überlebende Eva Szepesi spricht in Westerburg
Von Mariam Nasiripour
Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die über die Verbrechen der NS-Zeit berichten können. Zu ihnen zählt auch die 93-jährige Eva Szepesi. Vor kurzem hielt sie eine Lesung am Konrad-Adenauer-Gymnasium in Westerburg.
Westerburg. Sie ist eine der letzten Überlebenden des Holocaust. Eva Szepesi wurde im Alter von zwölf Jahren ins Konzentrationslager (KZ) Auschwitz-Birkenau deportiert und überlebte. Darüber, über ihre unbeschwerte Kindheit und wie ihre Familie auseinandergerissen und ermordet wurde, hat sie ein Buch geschrieben. Aus ihrem Buch "Ich war Eva Diamant" hat sie vor Kurzem im Konrad-Adenauer-Gymnasium in Westerburg vorgelesen.
Bei der Kooperationsveranstaltung des Gymnasiums zusammen mit dem Adolf Reichwein Studienseminar zur Ausbildung von Grundschullehrern und dem Landesmusikgymnasium Montabaur sprach die 93-Jährige vor 120 Referenten und rund 250 Schülern. Die musikalische Untermalung der Veranstaltung gestalteten Schüler des zwölften Jahrgangs des Landesmusikgymnasiums in Montabaur. Sie sangen Lieder und spielten Melodien, die in den Konzentrationslagern entstanden sind.
Offene Herzen gegen Hass und Hetze
"Im Mittelpunkt unseres heutigen Zusammenkommens steht unser besonderer Gast, Frau Eva Szepesi", sagte Schulleiter Thomas Wittfeld in seiner Begrüßungsrede. Ihre Bereitschaft, über das Erlebte zu sprechen, schaffe eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es führe unmittelbar zur Frage, warum diese Auseinandersetzung gerade heute von so großer Bedeutung sei. Er zitierte aus dem Werk des Philosophen Theodor W. Adorno "Erziehung nach Auschwitz": "Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung." Und dieser Auftrag an Bildung und Erziehung habe seine Gültigkeit nicht verloren. Besonders im Kontext zunehmender gesellschaftlicher und politischer Radikalisierungstendenzen, so Wittfeld.
Verena Eiteneuer-Hariri, Seminarleiterin des Adolf Reichwein Studienseminars Westerburg, appellierte an die Zuhörer, allen Menschen mit offenem Herzen zu begegnen. Das stärke die Demokratie und sei in der aktuellen Zeit, in der Hass und Hetze immer mehr zunehmen, besonders wichtig. Die Erinnerungskultur hole die Opfer der NS-Zeit in die Gegenwart und lasse sie nicht in Vergessenheit geraten, betonte Andrea Stockschläger, Fachleiterin des Studienseminars. Sie zeigte sich erfreut darüber, dass junge Menschen immer mehr Interesse an Geschichte zeigen würden.
Die Familie wird auseinandergerissen
Szepesi las einige Seiten aus ihrem Buch vor. Sie erzählte von ihrer unbeschwerten Kindheit in Budapest, von ihren Freunden und den Ritualen der Familie für den Sabbat. Doch das alles nahm ein jähes Ende, als die Nationalsozialisten immer mehr an Macht gewannen und die Erniedrigung, Verfolgung sowie Verschleppung der Juden in Europa zunahm. Anfang 1942 wurde ihr Vater von der ungarischen Armee zum Arbeitsdienst in ein Arbeitslager einberufen. Im Herbst durfte die Familie den Vater besuchen. Da sah Szepesi ihren Vater zum letzten Mal. Zudem wurde das Geschäft der Familie, ein Laden für Herrenmode, geschlossen.
1944 schickte ihre Mutter Szepesi mit der Tante in die Slowakei und versprach der damals Zwölfjährigen, mit ihrem kleinen Bruder nachzukommen. Als Szepesi in den Zug stieg, war das ein Abschied für immer und sie sah ihre Mutter und ihren Bruder nie wieder. Die 93-Jährige erzählte, dass sie in verschiedenen fremden Familien untergebracht war, bevor sie Ende Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert wurde.
Szepesi berichtete ausführlich über ihre Fahrt in einem Viehwaggon und wie ihr im KZ bei der Ankunft die Kleidung abgenommen und die Haare abrasiert wurden. Sie habe immer gefroren und Hunger gehabt. Sie berichtete auch, wie ihr nach ihrer Ankunft die Nummer A-26877 auf den linken Unterarm tätowiert wurde. Was aus ihrer Familie wurde, weiß sie bis heute nicht.
Zeugen einer Zeitzeugin
In der anschließenden Fragerunde wollten die Schüler von Szepesi unter anderem wissen, ob sie die Nummer noch auf ihrem Arm trägt. Die 93-Jährige erzählte, wie sie die Nummer anfangs unter langen Ärmeln und viel Puder versteckte, aber sie sei noch da. Außerdem wollten die Jugendlichen wissen, warum sie jetzt über das Erlebte spricht und wie es ihr damit geht. "Ich spreche für alle, die ermordet wurden, dass sie nicht vergessen werden", antwortete Szepesi. Auch wenn es schwer sei und alte Wunden aufreißen würde. Die Gräueltaten dürfen nicht geleugnet werden, auch dafür habe sie nach 50 Jahren ihr Schweigen gebrochen. "Vergesst meine Geschichte nicht, denn jetzt seid ihr Zeugen einer Zeitzeugin", bittet sie auf der letzten Seite ihres Buches.
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