Der Weg zur eigenen Praxis ohne Risiko: So funktioniert das Mietmodell
RATGEBER | Leere Wartezimmer, übervolle Terminlisten – der Ärztemangel im ländlichen Westerwald zwingt Kommunen, nach neuen Versorgungsmodellen zu suchen. Die Zahl angestellter Ärztinnen und Ärzte steigt nahezu überall, während klassische Niederlassungen zurückgehen (-1,5 % im Jahr 2024). Ein Hauptgrund liegt in den hohen Investitions-, Personal- und Haftungsrisiken einer Praxisübernahme. Mietmodelle versprechen eine Alternative: selbstständige Tätigkeit ohne großes Startkapital.

Was bedeutet „Mietmodell“?
Das Mietmodell bezeichnet einen Rahmenvertrag, der drei Elemente bündelt:
- Gewerbemiete für voll ausgestattete Praxisräume
- Service-Paket für IT, Verwaltung und Personal
- Betreibervertrag zur Einhaltung aller arztrechtlichen Vorgaben
Im Unterschied zu Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) bleibt die wirtschaftliche Unabhängigkeit erhalten. Wer also Praxisräume mieten möchte, findet heute besondere Lösungen, die auf die Bedürfnisse von Ärzten zugeschnitten sind.
Vorteile des Mietmodells auf einen Blick
Das Mietmodell wirkt auf mehreren Ebenen entlastend: Es schont das Startkapital, übernimmt einen Großteil der Verwaltung und hält den Weg zurück in eine Anstellung offen. Die wichtigsten Pluspunkte zusammengefasst:
- Geringer Kapitaleinsatz: Komplettausstattung und Medizintechnik werden gestellt; Pakete beginnen ab ca. 3.500 Euro pro Monat für zwei Praxistage oder 8.000 Euro für Vollzeit (inklusive Personal, Abrechnung, Marketing).
- Liquiditätsschutz: Keine sechsstellige Anfangsfinanzierung wie bei einer Neugründung, die häufig „weit über 200.000 Euro“ kostet.
- Fokus auf Medizin: Telefonservice, Terminbuchung und Reinigung liegen beim Vermieter.
- Flexibilität: Vertragslaufzeiten von drei bis fünf Jahren erleichtern Standort- oder Fachwechsel.
- Netzwerkeffekte: Mehrere Fachrichtungen unter einem Dach erhöhen Zuweisungen und Patientenzahlen.
Wo lauern Risiken – und wie lassen sie sich begrenzen?
Trotz der ökonomischen Entlastung ist das Mietmodell kein Selbstläufer. Die größten Fallstricke liegen in langfristigen Mietbindungen, der Abhängigkeit von externen Service-Dienstleistern und in streng regulierten Datenschutz- sowie Abrechnungspflichten. Wer diese Punkte bereits vor Vertragsunterschrift prüft und vertraglich absichert, kann das Restrisiko jedoch deutlich senken.
Probleme und Gegenmaßnahmen im Überblick:
- Lange Mietbindungen: Praxisverträge laufen oft zehn Jahre; Exit-Klauseln und Verlängerungsoptionen schaffen Flexibilität.
- Serviceabhängigkeit: Qualität und Reaktionszeiten des Back-Office bestimmen Patientenzufriedenheit – Leistungsindikatoren (SLAs) verankern.
- Datenschutz & Abrechnung: Ärztinnen und Ärzte bleiben verantwortlich; ein DSGVO-Auftragsverarbeitungsvertrag ist Pflicht.
- Kostensteigerungen: Staffelmieten und Indexklauseln prüfen; Obergrenzen vereinbaren.
Schritt-für-Schritt zum Mietpraxis-Start
Ein stringenter Zeitplan verhindert kostspielige Leerläufe und sorgt dafür, dass Zulassung, Finanzierung und Praxisbetrieb nahtlos ineinandergreifen. Von der ersten Standortanalyse bis zur finalen Anmeldung bei Ärztekammer und Berufsgenossenschaft lässt sich der Weg in klar abgegrenzte Etappen gliedern. Die folgende Schrittfolge hat sich in zahlreichen Gründungsprojekten bewährt und bildet eine verlässliche Richtschnur für den Einstieg ins Mietmodell.
1. Bedarfs- und Standortanalyse mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung.
2. Budgetplanung (siehe Beispiel unten) und Klärung eines möglichen Gründerkredits.
3. Vertragsprüfung von Miet-, Service- und Betreibervertrag durch Fachanwalt.
4. Finanzierung ergänzender Geräte via Leasing, falls Spezialtechnik benötigt wird.
5. Zulassung & Meldepflichten (KV-Sitz, Ärztekammer, Berufsgenossenschaft, Versicherungen).
Beispielrechnung: Break-Even im Vergleich
Um den finanziellen Hebel des Mietmodells greifbar zu machen, setzt die folgende Modellrechnung zwei typische Szenarien nebeneinander:
1. Voll-Service-Mietpraxis (komplette Infrastruktur, Personal- und IT-Pakete als Pauschalmiete) und
2. klassische Einzelpraxis nach Kauf/Neugründung mit bankfinanziertem Investitionsvolumen.
Die Anschaffungs- und Betriebskosten orientieren sich an aktuellen Marktangeboten sowie an den durchschnittlich über 180.000 € hohen Übernahmekosten, die PraktischArzt für eine hausärztliche Einzelpraxis ausweist.
Die monatlichen Fixkosten wurden auf Basis solcher Pauschalangebote sowie branchenüblicher Personal-, IT- und Mietaufwendungen verdichtet. Das Resultat zeigt, dass beide Modelle einen ähnlichen Break-Even-Punkt (≈ 250 Patientenkontakte/Monat) aufweisen – das Mietmodell aber ohne Eigenkapitalbedarf auskommt und damit die Liquidität deutlich schont.

Vertrags- und Risikomanagement – kurze Checkliste
✓ Mietdauer ≤ 5 Jahre plus zweimalige Option (je 2 Jahre)
✓ Kündigungsrecht bei unzumutbarer Service-Qualität
✓ Deckelung von Nebenkosten und Index-Mietsteigerungen
✓ Haftpflicht- und Cyberschutz für Beruf und Praxis-IT
✓ Beraterteam aus Steuer-, Rechts- und Gründungsexperten einbinden
Trend und Ausblick
Flexible Modelle von Pop-Up-Containern bis hin zu ärztlichem Coworking werden die ambulante Versorgung verändern. Gerade im ländlichen Raum können modulare Mietpraxen Versorgungslücken schließen und Ärzten den Mut zur Selbstständigkeit erleichtern. Förderprogramme der KVen für unterversorgte Regionen unterstützen diese Entwicklung zusätzlich.
Fazit: Mietmodelle können neue Praxen ermöglichen
Das Mietmodell senkt die finanziellen Eintrittshürden erheblich und bewahrt die ärztliche Unabhängigkeit. Bei sorgfältiger Vertragsgestaltung lässt sich das unternehmerische Risiko klar begrenzen. Für angehende Medizinerinnen und Mediziner, die eine eigene Praxis anstreben, kann das Modell damit eine sichere Brücke zwischen Klinik und langfristiger Selbstständigkeit bilden. Für die Bewohner in den Landkreisen ist es hingegen eine Chance, dass ihre ärztliche Versorgung stabilisiert wird. (prm)