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Nachricht vom 26.05.2025    

Drei Jahre lang Ruhestörung durch Nachbarn - junger Familie bleibt nur der Umzug

Von Regina Morkramer

Drei Jahre lang dauert die nach eigenem Empfinden "massive" Ruhestörung durch seine Nachbarn schon an. Für einen Bewohner in Ailertchen und seine Familie ist deswegen der Umzug der einzige Ausweg aus der Situation. Er beklagt, dass er sich von Polizei und Ordnungsamt im Stich gelassen fühlt.

Symbolbild (Foto: Pixabay)

Ailertchen. Idylle auf dem Land? Fehlanzeige. Als Stefan H.* vor Jahren aus dem Großraum Frankfurt/Main in den Westerwald zog, lockte ihn vor allem auch die Ruhe in den beschaulichen Ort Ailertchen. Doch von Ruhe kann keine Rede sein, wie der Selbständige berichtet. Von einer "eskalierenden Ausnahmesituation" und einer "extremen Form der Ruhestörung" spricht der Familienvater, wenn er von seiner Wahlheimat erzählt: "Meine Frau, unser Baby und ich sehen uns gezwungen, unser eigenes Zuhause zu verlassen, da ein normales Leben in dieser Umgebung nicht mehr möglich ist."

Grund für die belastende Situation sind demnach seine Nachbarn. Schon immer haben die laut gefeiert, auch im Garten, gemeinsam mit Gästen. "Es geht nicht nur um nachts, auch tagsüber wummern die Musik und die Bässe in einer unmöglichen Lautstärke durch die Straße und durch unser Haus. Ich arbeite von zu Hause, unser Baby muss hier schlafen - das ist alles nicht ungestört möglich. Für uns ist das extrem belastend", erklärt Stefan H. "Natürlich haben wir sie erst einmal selbst darauf angesprochen, auch mehrfach. Aber da ist keinerlei Einsicht vorhanden, im Gegenteil. Die sind uns mit ihrem Machtgehabe begegnet, mit Beleidigungen. Irgendwann haben wir dann auch die Polizei und das Ordnungsamt gerufen. Auch mit dem Bürgermeister haben wir gesprochen."

Das Problem? Die Behörden "scheinen machtlos", so empfindet es H. "Es ändert sich einfach gar nichts an der Situation. Seit drei Jahren!" Tagsüber habe man ihm gesagt, "bis 22 Uhr dürfen die machen, was sie wollen". Auch der Nachbar betonte in einem Gespräch mit H. erst kürzlich wieder, dass die Polizei in Westerburg ihm ausdrücklich gesagt habe, er dürfe so laut Musik hören und bis 22 Uhr könne sich auch niemand beschweren. H. kritisiert, dass niemand das Ausmaß der Belästigung hinterfragt. Von Behördenseite wurde ihm nur geraten, sämtliche Vorfälle zu dokumentieren. In manchen Nächten hat Stefan H. bis zu viermal die Polizei gerufen. Doch auch das hat wenig bis gar keine Wirkung gezeigt: "Die Polizei kommt, sie machen die Musik aus. Sobald die Polizei weg ist, machen sie die Musik an, in der gleichen Laustärke! Ich verstehe nicht, warum die immer so weiter machen dürfen." Da er befürchtet, dass die Situation irgendwann vollends eskalieren könnte, haben Stefan H. und seine Familie beschlossen, umzuziehen. "Wir haben uns aber auch einen Anwalt genommen und werden, wenn nötig, vor Gericht gehen."

Fehlende Beweise für Lärmbelästigung
Warum die Polizei nicht weiter tätig wird, erklärt Frank Breitzke von der Polizei in Westerburg. Zunächst einmal werde die Polizei bei gemeldeten Ruhestörungen ohnehin nur tätig, "wenn die originär zuständige Behörde nicht tätig werden kann, zum Beispiel wenn die Störung außerhalb der Geschäftszeiten der originär zuständige Behörde anfällt." Die zuständige Behörde ist das Ordnungsamt der Verbandsgemeinde Westerburg. Wird die Polizei zum Ort der Ruhestörung gerufen, sei das "polizeiliche Einschreiten immer lageangepasst und einzelfallabhängig erfolgt". So werden etwa die Daten des Verursachers festgehalten und an die Ordnungsbehörde weitergegeben. Zum konkreten Fall in Ailertchen äußert sich die Polizei in Westerburg nicht weiter.



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Das zuständige Ordnungsamt in Westerburg kennt die Situation. Das Problem sei, dass die Meldung "die Nachbarn hören zu laut Musik" erst einmal zu unspezifisch sei, um in einer Weise tätig werden zu können, die langfristige Konsequenzen hat. "Natürlich fahren wir hin und sprechen mit den Leuten", betont Thomas Jung von der Verbandsgemeinde Westerburg. Wir erklären, was laut Landes-Immissionsschutzgesetz erlaubt ist und was nicht." Das wäre in diesem Fall das Einhalten der Ruhezeit von 22 Uhr bis 6 Uhr, in der Tongeräte nur so genutzt werden dürfen, dass unbeteiligte Dritte nicht belästigt werden. "Tagsüber ist Lautstärke erlaubt, aber auch nicht in unbegrenztem Maße", sagt Jung - und widerspricht damit der Aussage der Polizei, dass bis 22 Uhr Lautstärke in jeder Form hingenommen werden muss. "Es gibt Bestimmungen, nach denen die Grenzwerte für Lärm nicht überschritten werden dürfen. Das Problem in solchen Fällen ist aber, dass diese Überschreitung selten rechtssicher festgestellt werden kann, sodass sie vor Gericht Bestand hätte. Das subjektive Empfinden eines Nachbarn reicht dafür nicht aus." Deswegen sei eine Lärmmessung nach der "Technischen Anleitung Lärm", die die Richtwerte vorgibt, nötig, um von Behördenseite tätig werden zu können. "Aber eine offizielle Lärmmessung über einen längeren Zeitpunkt ist schwierig. Die Zeiten, in denen es zu laut ist, sind vorher nicht absehbar. Außerdem ist eine solche Lärmmessung auch mit Kosten verbunden". Eine simple Messung mit dem Handy sei nicht rechtssicher, erklärt Jung. "Und deswegen konnten wir bisher auch kein Bußgeldverfahren einleiten. Es gab sozusagen keine Beweise, gerichtlich war das alles nicht nachweisbar."

Bußgeldverfahren eingeleitet
Geändert hat sich das jedoch in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai. In dieser Nacht hat Stefan H. zweimal die Polizei gerufen. Da die Nachbarn der Polizei gegenüber auch aggressiv aufgetreten sind und dieses Verhalten sowie die Lärmbelästigung im Polizeibericht festgehalten wurden, also schriftlich dokumentiert, konnte letztendlich ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden. "Über Geld kriegt man die Leute meistens dazu, sich an die Regeln zu halten", weiß Jung. Man könne hier von einer Summe von 100 Euro ausgehen, die die Lärm verursachenden Nachbarn nun zu zahlen haben. "Für Lärmbelästigung ist das viel. Da haben wir einen gewissen Ermessenspielraum. Da die Nachbarn sich wiederholt uneinsichtig und aggressiv gezeigt haben, haben wir die Summe so hoch angesetzt. Denn hier kann man von Vorsatz ausgehen."

Jung weiß, dass die Beschwerden über Ruhestörungen in den Sommermonaten wieder zunehmen werden. Sollten Betroffene, so wie im Fall im Ailertchen, wiederholt oder dauerhaft leiden, rät er, ein Lärmprotokoll zu führen. Wichtig dabei ist, dass alle Vorfälle spezifisch notiert werden, also Tag und Uhrzeit beziehungsweise Dauer der Lärmbelästigung. Tagsüber zu den Dienstzeiten kann direkt das Ordnungsamt gerufen werden. Außerhalb der Dienstzeiten des Ordnungsamtes übernimmt die Polizei. Jung weist zudem "als quasi letzten Weg" auf die Möglichkeit einer Zivilklage hin. (rm)

*Name zum Schutz der beteiligten Personen geändert.



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