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Nachricht vom 23.01.2025    

Großvater missbrauchte seine Enkel – Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten

Von Wolfgang Rabsch

Die 6. Strafkammer des Landgerichts Koblenz unter dem Vorsitz von Richter Andreas Bendel hatte am Mittwoch, dem 22. Januar, über einen Fall zu entscheiden, bei dem es den meisten Menschen die Zornesröte ins Gesicht treibt. Es ging um den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 83 Fällen, der bereits 2011 begann.

Fotograf: Wolfgang Rabsch

Koblenz. Was wirft die Staatsanwaltschaft Koblenz dem Angeklagten vor? Der heute 81-jährige Angeklagte soll von 2011 bis 2017 in 83 Fällen sexuelle Handlungen an seinen beiden Enkelkindern begangen haben, die 2011 sechs und sieben Jahre alt waren. In allen Fällen soll er die Kinder zu sexuellen Handlungen aufgefordert haben, die hier nicht beschrieben werden können. Die Straftaten hätten in seiner Wohnung, einem Spielzimmer und in einem Wohnmobil stattgefunden. Einem Jungen soll der Angeklagte gedroht haben, dass seine Eltern, die im Haus des Angeklagten lebten und finanziell von ihm abhängig waren, ausziehen müssten, wenn er nicht „gehörig“ sei.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage widersprechen einer Strafaussetzung zur Bewährung
Nachdem die Anklage verlesen worden war, bat der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Oliver Brinkmann aus Schwetzingen, um ein Rechtsgespräch zur Herbeiführung einer tatsächlichen Verständigung, dem sogenannten „Deal“, wobei eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden sollte, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft widersprach vehement einer Strafaussetzung zur Bewährung, da zurzeit weiterhin nicht einmal ein vollumfängliches Geständnis vorliegen und sie nach dem bisherigen Stand eine Freiheitsstrafe von nicht unter sechs Jahren beantragen würde. Rechtsanwältin Sandra Buhr, die Vertreterin der Nebenkläger, widersprach ebenfalls einer Strafaussetzung zur Bewährung. Der breiten Öffentlichkeit sei nicht zu vermitteln, warum solche Straftaten noch mit Bewährung „belohnt“ würden. Da sie die beiden Zeugen persönlich kennengelernt hat, könne sie gut beurteilen, dass diese immer noch sehr unter dem Geschehenen litten. Der Vorsitzende erklärte, dass die lange Verfahrensdauer aufgrund der enormen Arbeitsbelastung der Strafkammer entstanden sei, die der Angeklagte jedoch nicht zu vertreten habe und ihm nicht angelastet werden könne. Bei der Strafzumessung sei dies zu berücksichtigen und dem Angeklagten könne ein Teil der Strafe angerechnet werden. Somit fand keine tatsächliche Verständigung statt.

In einer Verteidigererklärung gab Rechtsanwalt Dr. Brinkmann zu Protokoll, dass die Anklagevorwürfe in allen Punkten vollumfänglich eingeräumt werden. Er berichtete, dass der Angeklagte ihn vor der ersten Tat in seiner Kanzlei aufgesucht und ihm mitgeteilt habe, dass er fürchte, einen sexuellen Übergriff gegen beide Enkel zu begehen. Er habe wissen wollen, was er ihm raten könne. Eine Präventionsstelle in Gießen hat den Angeklagten nicht in ihr Programm aufgenommen, da sie brisantere Fälle zu bearbeiten gehabt hätten. So nahm das Unheil seinen Lauf. Der Angeklagte bestätigte die Erklärung seines Verteidigers.

Das Gericht stellte in den Raum, den Angeklagten durch einen psychiatrischen Arzt begutachten zu lassen, ob für die Taten Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit vorliegen könnten. Der Angeklagte lehnte eine Exploration durch einen Gutachter entschieden ab. Mehrere ärztliche Atteste wurden zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht, auch konnten Bescheinigungen für eine durchgeführte Gesprächstherapie vorgelegt werden.

Ein Opfer suchte Hilfe beim Kinderschutzbund
Als einzige Zeugin wurde eine Sozialarbeiterin vom Kinderschutzdienst in Bad Marienberg vernommen, die erklärte, dass im November 2017 die Betreuung eines Enkels begann. Es hätten über 40 Gespräche stattgefunden, in denen der Junge schilderte, dass er vor seinem Opa Angst habe, weil er ihn massiv unter Druck gesetzt hatte. Er konnte nicht verstehen, dass sein Opa bis dahin nicht bestraft worden war, und war wütend, dass seine Oma ihn als „Lügner“ bezeichnete. Sein Opa hätte auch gedroht, ihn mit seinen Eltern aus der Wohnung zu werfen, wenn er nicht mitmachen würde.



Auf die Vernehmung weiterer Zeugen wurde allseits verzichtet, sodass die Beweisaufnahme geschlossen werden konnte und die Plädoyers gehalten wurden. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte, den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 83 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren zu verurteilen. Gegen eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung würden die Vielzahl und die Dauer der Straftaten, das planmäßige Ausnutzen der Kinder durch den Missbrauch des Vertrauensverhältnisses und das Ausnutzen der finanziellen Situation der Eltern sprechen. Die Vertreterin der Nebenklage schloss sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft an und bedauerte, dass der Angeklagte keine erkennbare Reue zeigte, das Geständnis durch eine Verteidigererklärung erfolgte und er keine Entschuldigung aussprach. Die inzwischen jugendlichen Opfer würden auch heute noch stark unter dem Erlebten leiden.

Rechtsanwalt Dr. Brinkmann beantragte eine Verurteilung des Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung. Die beantragte Freiheitsstrafe der Staatsanwaltschaft wäre nur zutreffend gewesen, wenn der Angeklagte unmittelbar nach den Taten verurteilt worden wäre, aber nicht sieben Jahre später. Er bemängelte die überlange Verfahrensdauer, erwähnte auch die gesundheitlichen Einschränkungen des Angeklagten und dass dieser unter der Trennung von seiner Familie leiden würde. In seinem letzten Wort erklärte der Angeklagte emotionslos, dass er sich dem Antrag seines Rechtsanwalts anschließen würde.

Urteil im Namen des Volkes
Der Angeklagte wird wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 83 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Wegen der überlangen Verfahrensdauer werden drei Monate auf die Gesamtstrafe angerechnet. Zur Begründung führte der Vorsitzende aus, dass der Angeklagte auch psychischen Druck auf seine Enkel ausgeübt und das Vertrauensverhältnis als Großvater ausgenutzt hat.

Nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung wurden keine Erklärungen abgegeben, somit ist das Urteil bislang nicht rechtskräftig. Wolfgang Rabsch

Hinweis der Redaktion:
Machen Sie sich Sorgen um ein Kind oder suchen für sich selbst Hilfe und Unterstützung? - Sprechen Sie darüber. Auf dem Hilfe-Portal "Sexueller Missbrauch" unter www.hilfe-portal-missbrauch.de finden Sie vertrauliche und professionelle Hilfe per Telefon, Online-Beratung oder im persönlichen Gespräch durch Fachkräfte, die auf das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche spezialisiert sind.


Mehr dazu:   Blaulicht  
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