Werbung

Nachricht vom 11.11.2011    

Zwischen Faschismus und Bildungspolitik

Traditionell bereisen Westerwälder Landtagsabgeordnete jedes Jahr am 9. November die Schulen im Westerwald zu einer offenen Diskussionsrunde mit den Schülern. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, MdL Hendrik Hering, besuchte in diesem Jahr das evangelische Gymnasium in Bad Marienberg. Im grünen Salon der Schule erzählte er den Schülern der Oberstufe von den menschenunwürdigen Ereignissen, die sich in Hachenburg im Zuge der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ereignet haben.

Hendrik Hering (links) diskutiert mit Schülern am evangelischen Gymnasium in Bad marienberg.

Bad Marienberg. Am Morgen nach der Reichspogromnacht wurden 1938 Schüler vom Unterricht befreit, um mit anzusehen, wie jüdische Mitbürger durch die Straßen von Hachenburg gezerrt, wie sie gedemütigt und geschlagen wurden. MdL Hendrik Hering schilderte die schrecklichen und aus heutiger Sicht unvorstellbaren Ereignisse von damals sehr anschaulich. Die Schüler ihrerseits hatten sich gut auf das Treffen mit dem heimischen Landtagsabgeordneten vorbereitet. Schülerinnen des Geschichts-Leistungskurses referierten über den Hitlerputsch 1923 und den Mauerfall 1989, die beide auch mit dem 9. November in Verbindung stehen. Hering stellte die Schüler vor die Gewissensfrage, ob es sinnvoll gewesen wäre, den Tag der deutschen Einheit am 9.November zu feiern, was diese in großer Mehrheit ablehnten, da die NS-Verbrechen angesichts mehr als sechs Millionen ermordeter Juden nicht in den Schatten des Vergessens gestellt werden dürften. Das Gedenkpotential habe an diesem Tag Vorrang.
Nichtsdestotrotz bleibe auch der Mauerfall ein ganz besonderes Ereignis, immerhin sei er eine Entscheidung von Menschen und nicht der Politiker gewesen. Die Wiedervereinigung werde am 3. Oktober aber ganz bewusst ohne Militärparaden gefeiert, dafür hätten deutsche Truppen im zweiten Weltkrieg zu viel Unheil gestiftet, erinnerte Hering, der bedauerte, dass es immer weniger Zeitzeugen des NS-Systems gebe, in dem man nur studieren durfte, wenn man der NSDAP beitrat.
Auf die Schülerfrage, wie man heute gegen Nazis vorgehen solle, antwortete Hering, es ginge nicht darum, Jugendliche zu bekriegen, die in die rechte Szene abgerutscht seien, vielmehr müsse diese menschenfeindliche Ideologie als ganzes bekämpft werden. Dazu müsse die Gesellschaft sich verstärkt für Gerechtigkeit einsetzen, bei aller wirtschaftlicher Freiheit dürfe niemand auf der Strecke liegen gelassen werden - Angesichts der Politikverdrossenheit keine leichte Aufgabe.
Schüler kritisierten einerseits, dass in den Medien zu wenig die politischen Zusammenhänge zwischen nationaler und kommunaler Ebene erklärt würden, andererseits hinterfragten sie den Stand der aktuellen Bildungspolitik. Hering sagte, die Landesregierung habe in den letzten Jahren Lehrerstellen nur nach Gesichtspunkten der demographischen Entwicklung abgebaut. Aktuell sehe der Haushalt 5,6 Prozent mehr Ausgaben im Bildungsbereich vor, während andere Positionen immer weiter gekürzt würden.
Zur Entwicklung der Realschule plus aüßerte Hering, immer weniger Eltern würden ihr Kind auf der Hauptschule anmelden, woraufhin die Politik mit der Zusammenlegung von Haupt- und Realschule reagiert habe. Die Realschule plus habe aber in ihrer jetzigen Form deutliche Vorteile. Hering gab zu bedenken, dass es für viele Kinder zu früh sei, die Weichenstellung für die berufliche Zukunft über die Wahl der weiterführenden Schule festzulegen. Oft entwickle sich der Ehrgeiz, mehr zu erreichen, erst später. Die Realschule plus sei eine Schulform, die zum Beispiel durch den späteren Besuch der Fachoberschule viele Chancen ermögliche. Dies sei ein Schritt zu mehr Chancengleichheit, die gegenwärtig laut Statistik nicht gegeben sei.
Die Schule leiste aber nur einen Teil der Persönlichkeitsbildung. Darüberhinaus sei es für alle Jugendlichen sinnvoll, sich in der Freizeit zu engagieren, empfahl Hering. Die Teilhabe an der Gesellschaft zum Beispiel im Ehrenamt, im Verein oder in Form von sozialen Projekten sei für spätere Bewerbungsgespräche hilfreich. In diesem Zusammenhang warb Konrektor Dirk Waigand, dessen Methodik im Sozialkundefach von den Schülern mehrfach gelobt wurde, für die Teilnahme an einer der Gedenkstunden zum 9. November, die unter anderem in Hachenburg und in Westerburg jedes Jahr gehalten werden.



WW-Kurier Newsletter: So sind Sie immer bestens informiert

Täglich um 20 Uhr kostenlos die aktuellsten Nachrichten, Veranstaltungen und Stellenangebote der Region bequem ins Postfach.

Ausgerechnet in der Nacht vom 9. auf den 10. November sind übrigens Einbrecher in die Stadtverwaltung Bad Marienberg eingedrungen und durchwühlten in dem Gebäude auch das Wahlkreisbüro Herings. Die unbekannten Täter durchwühlten Schubladen und Schränke, scheinen aber nichts entwendet zu haben. "Da wir weder Geld noch andere Wertsachen im Büro deponiert haben und die Technik für die Einbrecher anscheinend uninteressant war, ist der Schreck zwar groß, aber uns ist kein Schaden entstanden", teilte Herings Mitarbeiter, Thomas Mockenhaupt, mit.
(Thomas Sonnenschein)


Lokales: Bad Marienberg & Umgebung

Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Bad Marienberg auf Facebook werden!


Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Region


Peter Stanger zum Verbandsbildungsbeauftragten im Fußballverband Rheinland berufen

Fußballkreis Westerwald/Sieg. Peter Stanger kümmert sich um die Auswahl der Veranstaltungsorte und die Rahmenbedingungen ...

Einbruchversuch in Juweliergeschäft in Rennerod vereitelt

Rennerod. Wie die Polizeidirektion Montabaur berichtet, ereignete sich der Vorfall zwischen 21.40 Uhr und 22.15 Uhr in der ...

Arbeiten an der Kirburger Kirche dauern noch bis Ende des Jahres

Kirburg. Mit dem Dach startet die zweite Phase der umfangreichen Sanierung des vom 1872 bis 1874 erbauten Gebäudes. Die Planungen ...

Blaulichterlebnis beim Girls' Day: Die Polizeiinspektion Hachenburg öffnete die Türen für interessierte Mädchen

Hachenburg. Von 9 bis 14 Uhr erhielten 13 neugierige Mädchen im Alter von 15 bis 18 Jahren aus dem oberen Westerwaldkreis ...

Angriff aus der Luft: Raubvogel attackiert Joggerin zwischen Lützelauer Mühle und Limbach

Limbach. Die Sportlerin, die zu ihrer gewohnten Jogging-Runde aufgebrochen war, erlebte eine böse Überraschung, als hätte ...

Geldautomatensprengungen in Montabaur, Andernach und Köln: 20-Jähriger dringend tatverdächtig

Region. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln führen nach mehreren Geldautomatensprengungen umfangreiche Ermittlungen ...

Weitere Artikel


Kranichzug über Rheinland-Pfalz

An den Rastgebieten in Nord-Ost-Deutschland halten sich nach Angaben der Naturschutzorganisaton NABU (Naturschutzbund Deutschland) ...

Heimische Künstlerin stellt aus

Bad Marienberg. Von Karl Valentin ist ein prägender Satz überliefert: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Karin Bäsler ...

Westerwald Bank ehrte verdiente Mitarbeiter

Hachenburg/Region. Mitarbeiterjubiläen bei der Westerwald Bank: Auf insgesamt 515 Jahre in Diensten der Bank blickten 19 ...

Arbeit der Polizei-Puppenbühnen in Rheinland-Pfalz geht weiter

In zahlreichen Schreiben hatten sich Schulen und Kindergärten an die Landtagsabgeordnete Ellen Demuth gewendet und den Unmut ...

Altenkirchen lädt zum traditionellen Weihnachtsmarkt

Altenkirchen. Die Stadt begrüßt die Besucher des traditionellen Altenkirchenen Weihnachtsmarktes mit einer neuen, stimmungsvollen ...

Selterser Schüler zu Gast in Krakau

Die Krakauer Gastgeber hatten sich ein tolles Programm ausgedacht. So standen neben der Besichtigung der wunderschönen Krakauer ...

Werbung