Messermord an einer jungen Soldatin - Psychiater erstattet das Gutachten
Von Wolfgang Rabsch
Der aufsehenerregende Mordprozess vor der 14. Strafkammer des Landgerichts Koblenz ist auf die Zielgerade eingebogen. Am letzten Verhandlungstag, Freitag, dem 25. August erstattete Dr. Gerhard Buchholz sein mit Spannung erwartetes psychiatrisches Gutachten.
Neuhäusel. Dem 32-jährigen Angeklagten wird seitens der Staatsanwaltschaft Koblenz zur Last gelegt, am Abend des 9. Dezember 2022 auf einem Pendlerparkplatz bei Neuhäusel seine ehemalige Lebensgefährtin aus Verärgerung, weil sie ihm keine weitere Chance hinsichtlich einer Liebesbeziehung mehr geben wollte, nach einem Streit mit 23 Messerstichen getötet zu haben. Die Anklage lautet auf Mord. Wir berichteten.
Blick in Abgründe menschlichen Seins
Der Gutachter führte aus, dass der Angeklagte während der Exploration sich kooperativ zeigte, aber häufig an seine physischen und psychischen Grenzen stieß, wenn explizit nachgefragt wurde. Vor der Tat am 9. Dezember 2022 habe er sich wegen eines Unfalls mit seinem Motorrad, bei dem er sich schwere Verletzungen zuzog, unter anderem waren beide Handgelenke gebrochen, im Dauerstress befunden. Der Unfall sei bis dahin in seinem Leben der schlimmste Einschnitt gewesen, deshalb habe er sich auch in psychologischer Behandlung befunden, weil er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gelitten habe. Vor der Gerichtsverhandlung habe er Diazepam eingenommen, ein Medikament, welches angstlösend, muskelentspannend, krampflösend und beruhigend wirkt, weil er nicht mehr er selbst gewesen sei, wenn er in den Spiegel schaut. Er sei Kettenraucher und rauche pro Tag 30 bis 40 Zigaretten.
Der Vorwurf des Mordes, wie in der Anklage vorgeworfen, sei so nicht zutreffend. Der Angeklagte habe auch sehr unter dem Tod seines geliebten Hundes gelitten, der zu Unrecht eingeschläfert worden sei, das habe ihn stark belastet. In seiner Kindheit und Jugend hätte er im Elternhaus keine Misshandlungen in Bezug auf Gewalt oder sexuellen Missbrauch erlebt. Der Angeklagte bezeichnete sich als hetero und habe normale Liebesbeziehungen gehabt, wobei er keine abnormen Praktiken ausgeübt habe.
Um Geld zu verdienen, kam er gemeinsam mit dem späteren Opfer auf die Idee, im Internet eine Plattform zu gründen, auf der pornografische Fotos und Sex-Videos von sich und seiner damaligen Freundin gegen Bezahlung heruntergeladen werden konnten. Um ihre Anonymität zu gewährleisten, seien bei den Darstellungen keine Gesichter zu erkennen gewesen. Seine damalige Freundin habe im Internet auch von ihr getragene Slips angeboten. Ein Slip sollte 40 Euro bringen. Er habe das alles mitgemacht, weil er sich für seine damalige Freundin verantwortlich fühlte.
Lösten dauernde Provokationen des Opfers die Tat aus?
Zum vorgeworfenen Tathergang habe sich der Angeklagte laut Gutachter wie folgt geäußert: Der 9. Dezember 2022 hätte eigentlich ganz anders verlaufen sollen. Er hatte geplant, mit seiner damaligen Freundin in Limburg essen zu gehen. Doch sie sei äußerst aggressiv gewesen, weil er ihr eigentlich ein Kampfmesser und eine Jacke der Bundeswehr habe schenken wollen, was er aber verweigerte, weil sie nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte. Deshalb eskalierte die Situation extrem, mit üblen Beleidigungen und Handgreiflichkeiten. Sie wusste genau, wie sie ihn treffen konnte, als sie sagte, er sei ein "langweiliger Auto- und Motorradfahrer". Auf der Rückfahrt von Limburg nach Koblenz fuhr der Angeklagte auf den Pendlerparkplatz bei Neuhäusel, um dort zu urinieren. Wegen einer Stressinkontinenz habe das sehr lange gedauert, deshalb betätigte die Freundin mehrmals die Hupe.
Nach der Abfahrt in Neuhäusel steigerte sich im Auto die Eskalation noch weiter. Die Freundin beleidigte ihn ununterbrochen, schlug ihm während der Fahrt ins Gesicht und griff sogar ins Lenkrad. Er habe sich gegen die Schläge gewehrt. In Koblenz, in der Nähe der Kaserne angekommen, führte er eine Vollbremsung durch. Ab diesem Moment habe er keine Erinnerung mehr, da er einen Blackout gehabt habe. Als er wieder zu sich kam, habe er gesehen, was mit der Frau passiert war. Er wollte sie ins Bundeswehrzentralkrankenhaus (BWZK) fahren und habe zu ihr gesagt "Wir schaffen das noch". Er hätte nicht geplant, sie zu töten und könne sich nicht erklären, warum er mit der toten Freundin auf dem Beifahrersitz noch zur früheren gemeinsamen Wohnung in der Nähe von Limburg gefahren sei. Erst dort habe er begriffen, was passiert war. Er rastete total aus und zertrümmerte seine komplette Playstation. Dort fasste er den Entschluss, mit der Frau gemeinsam zu sterben. Dazu hatte er vor, den Suizid mit dem Auto zu begehen, durch einen Unfall, bei dem aber keine fremden Personen zu Schaden kommen sollten.
Der Versuch, von hinten auf einen Lkw zu fahren, scheiterte kläglich. Wie es zu dem Unfall bei Dierdorf kam, als er auf eine Leitplanke auffuhr, daran könne er sich auch nicht mehr erinnern. Zur Psyche des Angeklagten meinte der Gutachter, dass der Angeklagte bei seiner Freundin auf "dicke Hose" gemacht habe und sie mit Prahlerei und Imponiergehabe beeindrucken wollte. Bei dem Angeklagten würde keine zeitüberdauernde Persönlichkeitsstörung vorliegen. Durch die Selbstdarstellung, unter anderem durch Motorräder und teure, getunte Autos, sowie einer eigenen Homepage, sei eine narzisstische Komponente nicht auszuschließen. Die Beziehung zu der damaligen Freundin könne man als absolut toxisch und tief zerrüttet bezeichnen, zumal er sogar für Sex mit seiner Freundin bezahlen musste.
Der Sachverständige sah keine Schuldunfähigkeit
Der Sachverständige konnte keine paranoide Schizophrenie und keine schwerwiegenden Depressionen feststellen, da der Angeklagte trotz Stress durch die Zerrüttung in der Beziehung, seinen Dienst bei der Bundeswehr gut verrichtet habe. Ihm wurde sogar die Verlängerung der Dienstzeit von acht auf zwölf Jahre angeboten.
Da keine vorübergehenden krankhaften seelischen Störungen vorgelegen haben, ebenso keine Abhängigkeitsproblematik im Hinblick auf Alkohol oder Drogen, könne keine Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt werden.
Die Hauptverhandlung wird am 1. September 2023 fortgesetzt, dann wird mit den Plädoyers und dem Urteil gerechnet. Wir werden weiter berichten. (Wolfgang Rabsch)
Bericht vom 7. Juni 2023
Bericht vom 13. Juni 2023
Bericht vom 4. Juli 2023
Bericht vom 11. Juli 2023
Bericht vom 10. August 2023
Hinweis
Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter www.telefonseelsorge.de.
Direkte Anlaufstellen sind auch Hausärzte sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken.
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