Buchtipp: "Als der Glaube ins Rutschen kam" von Hermann Josef Roth
Von Helmi Tischler-Venter
Animiert von geheimnisvollen Zinken im Chorgestühl der Abteikirche Marienstatt, begann der bekannte Westerwälder Autor Dr. Hermann Josef Roth, selbst ehemaliger Mönch, zudem Naturwissenschaftler, Lehrer, Umweltaktivist und Historiker, mit Recherchen. Seine Ermittlungs-Ergebnisse hat er in einen Roman über die Zisterzienser im Strudel der Reformation im Westerwald eingearbeitet.
Dierdorf/Bonn. Dabei mischt Roth reale Persönlichkeiten mit fiktiven. Hachenburg, an der von den Niederlanden kommenden und über Herborn und Marburg nach Leipzig führenden Fernstraße gelegen, unterstand der weltlichen Regentschaft der Grafen von Sayn-Sayn, die sich als Gründer und Schutzherren betrachteten und der klerikalen der Kölner Diözese, wobei ein Teil der saynischen Besitztümer in der Trierer Erzdiözese lagen.
Als Tochterkloster von Heisterbach im Siebengebirge steht Marienstatt über Himmerod in der Eifel und Clairvaux in der direkten Nachfolge des Gründungsklosters der Zisterzienser, der Abtei Cîteaux in Burgund. Das sind auch die Schauplätze des Romans.
Bereits vor Luthers Thesenanschlag gärten reformerische Gedanken, die meist das Zölibat und die Kirchenleitung betrafen, in geistlichen Köpfen. Bürger klagten über das klerikale Gehabe der Kanoniker. Selbst die gottesfürchtige Landbevölkerung nahm die Einteilung in Arm und Reich nicht länger als gottgegebene Ordnung hin. Die Ungleichheit der Lastenverteilung sollte nach dem Willen der Rebellen behoben werden. So zog ein Trupp Bauern alkoholmutig zum Kloster Marienstatt, aber durch geschickte Gesprächstaktik der Mönche verpuffte die Aufmüpfigkeit der Landmänner schnell.
Im Gegensatz zu anderen Landesherren blieb der Graf von Hachenburg streng katholisch. Der reformerische Ring um Marienstatt wurde immer enger, als Graf Hermann zu Wied, Kurfürst und Erzbischof von Köln, vom Papst suspendiert, auf Burg Altwied residierte und fortan die Grafschaft Wied der neuen Lehre folgte.
Konspirative Treffen von Mönchen, machtorientierte Heiratspolitik des Grafen von Hachenburg, der Augsburger Religionsfrieden von 1555, der Katholiken und Protestanten gleichstellte - viele kleine und große Aktivitäten rüttelten an den Fundamenten des Klosters im Nistertal.
Mit dem chronisch finanzklammen Grafen Adolf von Hachenburg begann ein langwährender Kampf um die klösterlichen Besitztümer. Dem Grafen haftete schließlich der Ruf eines Raubritters an. Der Marienstatter Konvent schrumpfte auf nur vier Patres. Der Zisterzienser-Orden bemühte sich um den Erhalt seiner katholischen Tradition, daher trat anno 1574 der Abt von Citeaux höchstpersönlich als Generalvisitator in Erscheinung. Er beantragte den Schutz des Reiches gegen die gräfliche Einmischung in Marienstatter Kult und Konfession, dem Kaiser Maximilian stattgab. Ein Grundsatzpapier von Prior Daniel Meill legte fest, dass alles beim Alten blieb.
Da das Generalkapitel der Zisterzienser die Marienstatter zum Gehorsam mahnte, gaben die Rebellen innerhalb des Klosters auf und akzeptierten die Wahl von Pater Gottfried von Drolshagen zum Abt. Auch der Graf von Hachenburg war gezwungen, sich auf Verhandlungen einzulassen.
Fortschrittlich denkende Klosterfrauen wie die Äbtissin Walburga von Wischel waren bestrebt, Frauen in der Kirche ebenso maßgeblich wirken zu lassen wie Männer und dem Kloster ein modernes Gesicht zu verleihen. Die mittelalterlichen Reformbestrebungen wirken angesichts der aktuellen Diskussionen um die katholische Kirche sehr aktuell. Immer noch schleicht der Fortschritt mit Trippelschritten.
Deutlich wird in dem Roman, dass es sowohl dem weltlichen Adel als auch den klerikalen Akteuren in erster Linie um Vermögenswerte geht: "Letztendlich geht es um Macht und Geld, nicht ums Evangelium", stellte der Eberbacher Pater Canisius frustriert fest, "seit die Fürsten und Freien Reichsstädte über die Kirche gebieten, füllen sie sich den Säckel mit Klostergut."
Unter der Überschrift "Spurensicherung" verzeichnet der Autor den Text der geheimnisvollen Zinken, Quellenangaben, die Namen und Daten historischer Persönlichkeiten sowie ein Glossar. Im Anhang geht Roth auf "Reform und Reformation bei den Zisterziensern" ein.
Das 165-seitige Hardcover-Büchlein ist erschienen beim Gardez! Verlag Michael Itschert, ISBN 978-3-89796-303-0. (htv)
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