Buchtipp: "Tönende Tiere" von Dominik Eulberg & Matthias Garff
Von Helmi Tischler-Venter
"Die Musik heimischer Stimmwunder" mit abrufbaren Klangbeispielen und artbezogenen Sachinformationen hat der Westerwälder Biologe, Naturfreund und Musiker Dominik Eulberg in Kombination mit Fotos von aus Alltagsgegenständen kreativ und naturnah erstellten Tierskulpturen des Leipziger Künstlers Matthias Garff zu einem bibliophilen Kleinod zusammengefügt.
Dierdorf/Köln. Wie schon in seinem als bestes Sachbuch des Jahres ausgezeichneten Buch "Mikroorgasmen überall" will Eulberg mit seiner Leserschaft auf unterhaltsame Weise den Zauber der Natur feiern, denn nur durch positive Emotionen und sensibilisierte Sinne begegnen wir "den Mitbewohnern in der Welt der Flora, Fungi und Fauna auf Augenhöhe und mit dem nötigen Respekt". Das ist sehr nötig, weil wir Menschen "nur ein winziges Zahnrädchen in einer komplexen Biosphäre" sind und eine intakte Biodiversität somit eine Überlebensversicherung für uns ist.
Damit der Zauber sich schon bei der Lektüre entfaltet, ist jeder der 50 akustisch bedeutsamen Tierarten eine Doppelseite gewidmet. Den Anfang macht unser häufigster Brutvogel, die allseits bekannte Amsel, lateinisch Turdus merula. Sie wird von Eulberg als musikalischster Singvogel Mitteleuropas beschrieben, mit einem Tonumfang von deutlich mehr als einer Oktave, enormer Ausdrucksvariabilität und individuellen Tonfolgen. Den Amselgesang hört man beim Abscannen des QR-Codes für zehn Sekunden, gefolgt von einem kurzen Musikstück, das der Musiker aus ausgewählten Lautaufnahmen transkribiert und mit passenden Sounds und Effekten programmiert hat. Unter dem Code folgt stets ein kurzer Steckbrief: Größe, Spannweite, Gewicht, Fortpflanzungsperiode, Nachkommenzahl, Höchstalter, bundesweiter Gefährdungsgrad, volkstümlicher Name und Stimmenbeschreibung des portraitierten Individuums.
Die rechte Seite füllt eine Abbildung der von Matthias Garff geschaffenen Skulptur, die im Fall der Amsel aus Gummistiefel, Lederhandschuhen, Buntstiften und Blech besteht. Das Kunstwerk ist 30 x 15 x 50 Zentimeter groß. Es gibt auch wesentlich größere Darstellungen, zum Beispiel ist der aus Straßenleuchte, Fahrradblechen, Heckenschere und Aluminiumrohr gefertigte Kranich stattliche 230 x 30 x 80 Zentimeter groß.
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Tatsächlich verfügen die beliebten Vögel über eine Spannweite von bis zu 2,40 Metern und eine beeindruckende Stimmvolumenstärke, die die bis zu 1,30 Meter lange Luftröhre ermöglicht. Aus dem Trompeten-Gesang der Kranichzüge kann man auch die piepsigen Stimmen der Jungvögel heraushören. Man erfährt auch, dass Kraniche sehr sozial und monogam sind. Sie können 40 Jahre alt werden. Diese "menschlichen" Eigenschaften und ihre Eleganz bescherten den Kranichen eine mythologische und poetische Spitzenposition und ihre Beliebtheit, verbunden mit entsprechendem Artenschutz half den Beständen, sich zu erholen.
Wesentlich seltener hat man Gelegenheit, dem vom Aussterben bedrohten Auerhuhn zu begegnen. Die properen Männchen unserer größten Hühnervogelart erreichen die Größe einer Graugans und bis zu fünf Kilogramm Gewicht. Als Bewohner von Höhenlagen fressen sie im Winter Baumnadeln und Knospen und tragen Schneeschuh-ähnliche Hornstifte an den Füßen. Optisch und akustisch spektakulär ist die Balz, während der der Testosteronspiegel der Hähne sich verhundertfacht.
Den imposanten Auerhahn hat Garff aus einem Trolley, Holzjalousie, Zange, Fahrradsattel, Leder und Hufeisen zusammengebaut. Dagegen dienten Kegel, Suppenkelle, Gartenkrallen und Blech als Bauteile für die Bekassine. Es macht Spaß, zu erkennen, welche Alltagsgegenstände zu Tierkörperteilen mutierten. Ein 145 x 160 x 40 Zentimeter großer bunter Eichelhäher wurde aus Kanister, Kokosmatte, Koffer und Gummistiefeln geboren. Schlittschuh, Backform, Ohrenschützer und Topfgriffe ergaben eine Feldgrille.
"Es war die Nachtigall und nicht die Lerche" - Shakespears berühmte Zeile lässt sich mittels der QR-Codes vergleichen. Zudem gibt es erstaunliche Informationen zu diesen Singvögeln. Ebenso zu dem Nachtigall-Grashüpfer, der besser nicht in schickem Pink daherkäme.
Es macht Spaß, sich in das optisch, akustisch und kognitiv unterhaltsame Buch zu vertiefen, um die Mitlebewesen danach mit ganz neuen Augen und Ohren zu erleben.
Das 112-seitige Hardcover-Buch ist erschienen bei Eichborn, ISBN 978-3-8479-0106-8. (htv)
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