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Nachricht vom 16.01.2023    

Demo gegen Rechtsextremisumus in Hachenburg - "Aus für die Hassfabrik"

Von Elke Stockhausen

Mehr als 200 Menschen protestierten am Samstag (14. Januar) friedlich gegen rechts und für das "Aus der Hassfabrik" vor der Fassfabrik. Ein Verein der rechten Szene hatte in den sozialen Medien zu einem Netzwerktreffen eingeladen. Auch wenn das Posting schnell wieder gelöscht wurde, es blieb nicht ungesehen und gab Anlass zu dieser Demonstration, an der auch politische Amtsträger teilnahmen.

Der Hachenburger Stadtbürgermeister Stefan Leukel bei seiner Rede. (Fotos: Elke Stockhausen)

Hachenburg. Strömender Regen konnte die demokratisch denkenden Teilnehmer nicht abhalten, Gesicht zu zeigen und gegen rechtes Gedankengut Stellung zu beziehen. Sie folgten dem Aufruf des Wäller Bündnis für Menschlichkeit und Toleranz, das seit 2015 ein loser Zusammenschluss von Bürgern, gesellschaftlichen Gruppen, Politikern und Kirchen im Westerwald ist und für Gleichheit und Solidarität eintritt. „Extremistisches und menschenverachtendes Gedankengut dürfen in unserer Heimat keinen Fuß fassen“, so war es auf dem Flyer zur Aktion zu lesen. Die Fassfabrik, als Brutstätte für Intoleranz und Rechtsextremismus bekannt, stand in der Vergangenheit oft im Fokus. Das historisch bedeutende Haus, in dem während des Nationalsozialismus 40 Menschen, verschleppt aus Osteuropa, zur Zwangsarbeit unterworfen wurden, ist in der Vergangenheit immer wieder Treffpunkt für Netzwerkarbeit der rechten Kreise gewesen.

Gesicht zeigen und sich gegen Hass stellen
Thomas Mockenhaupt, Versammlungsleiter der Protestaktion, begrüßte die Teilnehmer und übergab das Rednerpodest dem Stadtbürgermeister Hachenburgs, Stefan Leukel. „Wir sind hier, wir sind laut, damit sich hier nichts zusammenbraut!“, begann Leukel seine Rede und erntete den ersten Applaus. Es sei wichtig, Gesicht zu zeigen und sich Hass und Intoleranz entgegenzustellen, die „widerlichen Anstrengungen“ in Hachenburg einen Ort für Rechtsextremismus und Intoleranz zu schaffen, seien mehr als besorgniserregend. Er sprach für alle und postulierte, dass „wir“ es nicht zuließen, dass sich in Hachenburg ein Rückzugsort für Rechtsextreme etabliere und Geschichte wiederholen könne. Leukel, der sich wegen der angeblichen Verletzung der Neutralitätspflicht als Bürgermeister vor dem Verwaltungsgericht Koblenz einem Prozess stellen musste, als er im Oktober 2020 Veranstaltungen in der Fassfabrik kritisierte, stellte eindeutig dar, dass er, solange es in Hachenburg rechtsradikale, anti-demokratische und intolerante Umtriebe gäbe, nicht schweigen würde. Hachenburg sei geprägt von Offenheit und Vielfalt. Diskriminierung und Rassismus hätten keinen Platz. Meinungen offen und respektvoll äußern, das Schätzen unterschiedlicher Ansichten, Chancengleichheit, Toleranz und Weltoffenheit seien feste Werte, die jeden Tag mit Leben zu füllen seien. Die Demonstration sein ein starkes Zeichen gegen Hass, Hetze und Intoleranz.

Preis der Freiheit ständig verteidigen
Gabriele Greis, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Hachenburg, führte in ihrer Rede an, dass der Preis der Freiheit jeden Tag neu erkämpft und verteidigt werden müsse. Dies sei der Grund „dass wir alle heute da sind“. Es sei einfach, Dinge zu zerstören und Menschen gegeneinander aufzuhetzen, andere als „die Bösen“ zu definieren und das Ganze mit absurden und kruden Verschwörungstheorien zu untermauern. So würde es in der Fassfabrik versucht. Ziel sei es, dass jeder Einzelne ein gutes Leben habe und es sei schwieriger, Menschen zusammenzuführen und zu engagieren, dieses Ziel zu verfolgen. „Das gute Leben beginnt mit dem So-Sein-Dürfen wie wir alle sind, wie jeder Einzelne von uns ist“, stellte sie heraus.

Religion, sexuelle Orientierung und Hautfarbe oder eine andere, willkürlich festgelegte Eigenschaft – wir seien Gleiche unter Gleichen. Freiheit sei nicht das zu tun, worauf der Einzelne gerade Lust hätte, sondern sei auch die Verpflichtung „all das, was für mich gilt, das, was ich für mich in Anspruch nehme, auch für den nächsten gelten zu lassen“. Es sei nicht einfach so zu handeln, einfach sei Gewalt, Unterdrückung und Ausgrenzung. Es würde immer klein anfangen, vor Ort anfangen – man dürfe dies nicht zulassen. Ein Zeichen für Freiheit und Demokratie würde durch die Anwesenheit der Teilnehmer der Kundgebung gesetzt werden und dafür dankte sie den Demonstranten.

„Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Tyrannei auf!“
Hendrik Hering, Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags und federführend für die Veranstaltung, ist selbst Hachenburger Bürger. „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Tyrannei auf!“, mahnte der Politiker. „Schweigen und nichts tun bedeutet Zustimmung zu dem, was Rechte machen“, stellte er klar heraus. Der Westerwald sei eine Region der Vielfältigkeit, frei und offen. Rechtsradikale Feinde der Demokratie können in Hachenburg kein Netzwerk gegen Demokratie und für Hass etablieren, man schweige nicht, zeige Präsenz und aktiven Widerstand gegen diese Bestrebungen. Hering gab einen Einblick, Treffen von rechten Gruppierungen, von denen die AfD sage, dass diese rechts von ihnen ständen. Gruppen, die ein totalitäres Regime anstreben und Demokratie beseitigen wollen. Diese dürfen in Hachenburg keinen Treffpunkt haben, so der Präsident. Er untermauerte die Gefahr. Die Bundesregierung beziffert die durch rechtsradikalen Terror getöteten Menschen mit 113, Hering vertraue der Amadeu Antonie Stiftung , die seit 1990 bereits 219 Todesopfer rechten Terrors zählt. Nihad Yusufoglu war eines der ersten Opfer, ein Bürger Hachenburgs. „Demokraten müssen immer verhindern, dass Extremismus sich breitmacht.“

Hendrik Hering prangerte an und stellte heraus, dass rechtsextreme Ängste schüren, aufwiegeln, Hass und Hetze in sozialen Netzwerken nutzen und entgegen einer offenen und freien Gesellschaft stünden. Die Räumlichkeiten der Fassfabrik würden für diese Aktivitäten genutzt. „Wir sind mehr“, stelle Hering fest und ermahnte, dass es nicht ausreiche, auf dem Sofa zu sitzen und die Zustände zu beklagen. „Wir werden weiter machen“, die Basis des großen Bündnisses würde genutzt werden, bis die Pforten dieser „Hassfabrik in Hachenburg“ geschlossen würden. Schon 2015 versuchte sich die PEGIDA Bewegung im Westerwald festzusetzen und konnte durch Einsatz des Wäller Bündnis gestoppt werden. Es sei das Ziel, dass die Hassfabrik ihre Tore schließe und in der Fassfabrik friedliche Veranstaltungen stattfänden. Seine Rede wurde von den Teilnehmern der Kundgebung mit dem Sprechgesang „Nazis raus!“ nochmals verstärkt.



Dr. Axel Wengenroth trat als Redner für die beiden großen christlichen Kirchen, den katholischen Bezirk Westerwald und das evangelische Dekanat Westerwald, vor das Mikrofon. Er befürwortete den Aufruf des Wäller Bündnis für Menschlichkeit und Toleranz nachdrücklich. Große Teile der Kirche seien bereits einmal den Nazis „auf den Leim gegangen“ und es sei eine große Scham und Schande, so Wengenroth. „Nie wieder, nie wieder werden wir diese Ideologie der Unmenschlichkeit und des Hasses unwidersprochen hinnehmen.“, versprach der Dekan. Er bezeichnete diese Ideologie als anti-christlich. Man solle sich nichts vormachen, denn es seien die Mächte der Finsternis, auch wenn dieses Wort in der Vergangenheit oft missbraucht wurde. Es gäbe keine andere Umschreibung, ideologisch Waffen zur Aufrüstung einer neuen NSU würden in der Fassfabrik geschmiedet. Man erhebe die Gläser, wenn tote Flüchtlingskinder an den Ufern des Mittelmeeres angeschwemmt würden und man johle und klatsche, wenn es wieder Jagdszenen wie in Cottbus gäbe.

Der Pfarrer stellte bildhaft die Grausamkeit des Vorhabens der Rechtsextremisten dar und wies darauf hin, dass die Kirche für diese die Verräter am Volk das Feindbild seien. Finsterer ginge es nicht. Sie fürchten vielmehr das Licht, denn die Herausforderung der heutigen Demo hätten sie nicht angenommen. “Sie haben sich nicht getraut, sich uns zu stellen.“ Ob Taktik oder nicht, diese Möglichkeit bestünde, doch sah Dr. Wengenroth den Aspekt der Angst im Vordergrund zur Absage des Netzwerktreffens in der Fassfabrik. „Unsere Toleranz findet ihre Grenze allein an der Intoleranz jener, die andere herabsetzen, verachten und diskriminieren.“ Sein Resümee? Langfristig hätten sie bereits verloren und die Hassfabrik sei zum Bankrott verurteilt.

Emotionale Reden mit klaren Worten
Reden, die emotional gefasst und dennoch mit klaren Worten den Grund der Demonstration erfassten - keine Chance den rechtsextremen Umtrieben in der Region. Dafür zeigten viele Westerwälder ihr Gesicht. Unter den Teilnehmern aus dem Westerwald, wenn auch ohne Redebeitrag, befanden sich Walter Strunk, Stadtbürgermeister Daaden und Björn Scheyer, erster Beigeordneter Bad Marienberg. Karsten Lucke, Abgeordneter im Europäischen Parlament, und Tanja Machalet, Bundestagsabgeordnete, hatten nicht nur den Aufruf unterzeichnet, sie bewiesen Solidarität und nahmen an der Kundgebung teil.

Die Stimmen der Bürger - eindeutig. Lissi von DEMOS e.V. erwartete schon vor Beginn der Veranstaltung mehr als 200 Teilnehmer, sie behielt recht. Es war ein Zufall, dass der Aufruf zum Netzwerktreffen der Rechten gesichert wurde und das Wäller Bündnis so zur Demonstration rief. Herr Coura sprach von der Angst, dass die faschistischen Rechten zu starke Zustimmung fänden und mit Argumenten arbeiten würden, die zwar zum Teil berechtigt wären, aber hinter denen sie nicht wirklich stünden. Diese würden nur angeführt, um „Leute zu fangen“. Bei den „harten Rechten“ müsse man nicht auf einen Wandel hoffen, sie seien festgefahren. Rita R., die bereits viele Jahre Engagement gegen Rechts lebt und im Vorstand von DEMOS e.V. war, sah es als Selbstverständlichkeit an, den demokratischen Protest zu unterstützen und „Gesicht zeigt“. Sie habe über viele Jahre ein stärkeres ziviles und gesellschaftliches Engagement vermisst, heute sei das breite Bündnis hier ziehe viele Menschen an. Stimmen wie „Dem Fremdenhass keinen Raum geben“, führte Marion S. zur Kundgebung. Als weltoffener Mensch mit dem Wissen aus den Erzählungen ihrer Großmutter über die Deportation der Juden in der Region gehörte auch sie wie selbstverständlich zu den Teilnehmern.

Pater Benedikt, Abtei Marienstatt, beantwortete die Frage nach seiner Intention dabei zu sein: „Ich bin deshalb hier, weil ich für ein ganz anderes Menschenbild einstehe, für das christliche Menschenbild, aber auch das, was wir in der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Das sehe ich bei diesen radikal Rechten überhaupt nicht. Da geht es um Hass, um Menschenfeindlichkeit, da kann ich nicht mit leben und deshalb stehe ich hier.“

Thomas Mockenhaupt war mit der Teilnahme zufrieden und ging davon aus, dass bei besserem Wetter noch mehr Personen teilgenommen hätten. Trotz des Dauerregens - es waren weit mehr als 200 Menschen vor Ort. Das Ziel, die Hassfabrik in die Öffentlichkeit zu rücken, sei auf jeden Fall erreicht worden. Sich zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen, da hätten sich Menschen und Institutionen heute klar postuliert. (Elke Stockhausen)


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