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Nachricht vom 03.08.2022    

Amtsgericht Montabaur verurteilt 77-jährigen Verkehrsrowdy

Von Wolfgang Rabsch

Einen nicht alltäglichen Fall von gefährlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, hatte am heutigen Mittwoch (3. August) das Schöffengericht in Montabaur zu verhandeln, das unter dem Vorsitz von Richter Ingo Buss tagte.

Amtsgericht Montabaur. Foto: Wolfgang Rabsch

Montabaur. Was wirft die Staatsanwaltschaft Koblenz dem Angeklagten vor?
Am Sonntag, dem 26. April 2020 hatte sich auf der L 318 zwischen Montabaur und Nentershausen ein schwerer Verkehrsunfall unter Beteiligung eines Motorrades ereignet. Zur Unfallaufnahme hatte die Polizei die L 318 in beiden Richtungen weiträumig abgesperrt. Der Angeklagte wird beschuldigt, trotz aufgestellter Absperrungshinweise, diese ignoriert zu haben und sich auf seinem Motorroller der Unfallstelle genähert zu haben. Da bei dem Unfall Schmiermittel ausgelaufen waren, stellte sich ein Zeuge vor diesen Ölfleck, als er den Roller ankommen sah, um ein eventuelles Wegrutschen zu verhindern. Der Angeklagte fuhr trotz der Kollision mit dem Zeugen weiter in Richtung Großholbach und missachtete dabei eine weitere Polizeiabsperrung. Hier geht es zum Unfallbericht.

Nach erfolgter Halterfeststellung gaben der Sohn des Angeklagten, aber auch der Angeklagte selbst, bei der Polizei an, dass der Vater am Tattag gefahren sei. Diese Aussage wurde später von dem Angeklagten korrigiert und konnte nicht verwertet werden, da die Polizei versäumt hatte, den Angeklagten ordnungsgemäß zu belehren.

In der ersten Hauptverhandlung im Januar 2022 blieb der Angeklagte bei seiner Behauptung, er sei nicht der Fahrer des Rollers gewesen. Nachdem alle beteiligten Zeugen vernommen worden waren, erklärte Richter Ingo Buss, dass er das Verfahren vom Einzelrichter an das Schöffengericht Montabaur verweisen werde. Seitens der Verteidigung und des Angeklagten wurden keine Einwände erhoben, sodass die Sache vertagt werden musste. Da zufälligerweise ein Videoteam vor Ort war, um den Unfall zu dokumentieren, konnte die Situation mit dem Motorroller und dem Zeugen per Video festgehalten werden. Die Helmvisiere des Fahrers und des Beifahrers waren hochgeklappt und Teile der Gesichter waren zu erkennen. Deshalb beauftragte Richter Buss einen Sachverständigen, ein human-anthropologisches SV-Gutachten zu erstellen. Nach entsprechenden Untersuchungen und Begutachtungen, kam der Sachverständige zu dem Schluss, dass der Angeklagte „mit höchster Wahrscheinlichkeit“ der Fahrer des Rollers gewesen sei.

Nachdem die Verteidigung Kenntnis von dem SV-Gutachten erhalten hatte, wurde die Fahrereigenschaft des Angeklagten nicht mehr bestritten. Der Vorsitzende verlas auszugsweise das Gutachten und machte es zum Gegenstand der Hauptverhandlung.

Wer nun einen reumütigen Angeklagten erwartet hatte, der sah sich arg getäuscht. Die Fahrereigenschaft wurde zwar nicht mehr bestritten, doch jetzt wurden Gründe und Ausflüchte für das Verhalten gesucht. Der Angeklagte: „Die Straße war nicht komplett abgesperrt, deshalb dachte ich, ich könne mit dem Roller durchfahren. Als ich den Zeugen auf der Straße sah, wollte ich mir keine dummen Sprüche anhören, etwa „Haste den Führerschein bei Neckermann gemacht?“ und fuhr an ihm vorbei. Dabei kam es zu einem leichten Rempler. Eigentlich ist der Zeuge in mich reingelaufen, ich konnte nicht mehr ausweichen."



Richter Buss führte die Videoaufzeichnung von dem Geschehen vor, auf der deutlich zu sehen war, dass der Zeuge bereits mitten auf der Fahrbahn stand, der Angeklagte trotzdem unbeirrt auf ihn zufuhr und ihn anfuhr.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft war nicht gerade entzückt von dem Aussageverhalten des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft unterstellte dem Angeklagten, den Zeugen mit Absicht angefahren zu haben. Da er auch keine wahre Einsicht in sein sinnloses Verhalten gezeigt habe, beantragte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Die Staatsanwältin beantragte weiterhin den Entzug der Fahrerlaubnis aufrechtzuerhalten und eine weitere Sperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von drei Monaten festzusetzen.

Die Verteidigung bat um eine milde Geldstrafe von unter 90 Tagessätzen, da das Verhalten des Angeklagten kein Verbrechen sei, und kein Vorsatz bestanden habe, höchstens eine grobe Fahrlässigkeit. Zu seinen Gunsten müsse auch berücksichtigt werden, dass der Angeklagte wegen seines hohen Alters nur noch über eine verlangsamte Reaktionsfähigkeit verfüge. Das letzte Wort des Angeklagten: „Ich kann dazu nichts mehr sagen.“

Urteil im Namen des Volkes
Der Angeklagte wird wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Richter Buss las dem Angeklagten kräftig die Leviten, als er dessen Einsichtsfähigkeit bemängelte, der ständig die Schuld bei anderen suchte. Trotz des hohen Alters seien das charakterliche Mängel, die auch zu einer weiteren Sperrfrist zur Erteilung der Fahrerlaubnis von drei Monaten führt.

Das Gericht unterstellt dem Angeklagten jedoch keine Absicht, obwohl er trotz unklarer Verkehrslage nicht angehalten habe und in Kauf nahm, dass der Zeuge verletzt wurde. Der Angeklagte war verbohrt in seinem Handeln, die Fahrt unbedingt fortsetzen zu wollen, ohne anzuhalten oder einen Umweg zu fahren. Bei der Körperverletzung nahm das Gericht einen minderschweren Fall an, obwohl der Motorroller als gefährliches Werkzeug eingestuft wurde, die Verletzungen des Zeugen jedoch nicht sehr gravierend waren und ausgeheilt sind.

Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre, als Bewährungsauflage hat der Angeklagte eine Geldbuße von 500 Euro an „Deutschland hilft - Flutopfer Ahr“, zu zahlen. Da kein Prozessbeteiligter nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung auf Einlegung von Rechtsmitteln verzichtete, wurde vorsorglich Bewährungsbelehrung erteilt. Wolfgang Rabsch



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