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Nachricht vom 11.02.2022    

Jugendgericht Montabaur schickt "Kiffer" in den Jugendarrest

Von Wolfgang Rabsch

Nachdem bei einem Wiederholungstäter genug Marihuana für viele Dutzend Joints gefunden wurde, obwohl er erst wenige Wochen zuvor rechtskräftig wegen eines ähnlichen Vorfalls verurteilt worden war, musste er sich erneut vor dem Amtsgericht Montabaur verantworten. Dieses Mal wird es ernst: Zwei Wochen Jugendarrest in Worms.

Symbolbild (Foto: Wolfgang Rabsch)

Montabaur. Ingo Buss, Jugendrichter beim Amtsgericht Montabaur, konnte es selbst kaum glauben, als der 18-jährige Angeklagte erneut vor ihm auf der Anklagebank saß. Der Richter hatte keine Erinnerungslücken, denn zuletzt hatte er ihn im Oktober 2021 wegen Drogenmissbrauchs verurteilt. Groß war die Wiedersehensfreude allerdings nicht, vor allen Dingen nicht auf der Seite des Angeklagten.

Warum saß der Angeklagte vor dem Jugendrichter?
Die Staatsanwaltschaft Koblenz warf dem Angeklagten vor, am 11. November 2021 in Siershahn mit zwei Gläsern angetroffen worden zu sein, in denen sich 28 Gramm Marihuana befanden. Da der Angeklagte keine medizinische Erlaubnis zum Besitz das Marihuanas vorweisen konnte, lag hier ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vor.

Angeklagter verfügt im Monat über 800 Euro ohne Job, ohne Arbeitslosmeldung
Zur Person befragt, gab der 2003 geborene Angeklagte an, dass er arbeitslos sei, keine Lehre und keinen Hauptschulabschluss vorzuweisen habe. Seit längerem würde er von Erspartem leben. Er sei jetzt in einem Ort in der Verbandsgemeinde Ransbach-Baumbach wohnhaft, an Miete müsse er monatlich 250 Euro zahlen, insgesamt stünden ihm monatlich rund 800 Euro zur Verfügung. Unverständnis erzeugte die Aussage des Angeklagten, dass er sich nicht als arbeitslos gemeldet hat, obwohl er möglicher Weise Anspruch auf Unterstützung seitens Arbeitsagentur oder Jobcebter hätte.

Der Angeklagte gab die Tat zu, zeigte aber keine Emotionen
Der Angeklagte, der ohne Verteidiger erschienen war, räumte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vollumfänglich ein. auf Fragen des Vorsitzenden sagte er: „Das Marihuana hatte ich zum Eigenkonsum bei mir. Ich weiß, dass es mir nur schadet, wenn ich kiffe. Wenn bei mir irgendetwas Sch... läuft, geht es wieder los. Das sind dann so Phasen, in denen ich das Zeug konsumiere. Der Anlass zum Konsum am 11. November 2021 war, dass ich gerade zuvor meine Arbeit als Möbelpacker verloren hatte. Es war absolute Sch..., dass ich so kurz nach der Verurteilung im Oktober 2021 schon wieder aufgefallen bin."

Weiterhin sagte der Angeklagte: "Die Auflagen aus der Verurteilung habe ich auch nicht erfüllt, da ich weder eine Einladung zur Drogenberatung erhalten habe, noch zur Abgabe der Drogenscreenings aufgefordert wurde. Die auferlegte Geldbuße von 600 Euro habe ich auch nicht bezahlt."

Dem Richter kam die Aussage des Angeklagten irgendwie suspekt vor, weil dieser ohne große Emotionen seine Aussage tätigte. Er stellte ihm die Frage: „Wenn ich Sie jetzt pinkeln lassen würde und die Urinprobe auf Drogen getestet würde, welches Ergebnis könnte danach herauskommen? Wann haben Sie vor dem Termin zum letzten Mal gekifft?“ Der Angeklagte rutschte nach der Frage etwas unruhig auf seinem Stuhl herum, und musste sich seine Antwort wohl reiflich überlegen. „Es könnte so ungefähr vor zwei Wochen gewesen sein, als ich zuletzt Marihuana geraucht habe.“

Jugendamt, Staatsanwaltschaft und Richter sahen nur wenige Optionen

Die Vertreterin des Kreisjugendamtes sah auch die hohe Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten. Eine rosige Zufallsprognose für den weiteren Werdegang konnte auch sie nicht stellen, so dass sie anregte, einen Jugenddauerarrest gegen den Angeklagten zu verhängen.



Der Vorsitzende verlas den Bundeszentralregister-Auszug, der zwei einschlägige Eintragungen enthielt. Der Angeklagte verzichtete auf die Rückgabe und das Eigentum des beschlagnahmten Marihuanas.

Bevor Richter Ingo Buss die Beweisaufnahme schloss, seufzte er noch etwas ratlos: „Was soll ich denn bloß mit dir machen?“

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Koblenz sah sich anhand der hohen Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten nach der letzten Verurteilung gezwungen, gegen den Angeklagten einen Jugenddauerarrest von zwei Wochen zu beantragen.

Etwas fassungslos hörte man den Angeklagten stammeln: „Muss ich jetzt in den Knast?“ Ansonsten schwieg der Angeklagte bei seinem letzten Wort.

Zwei Wochen Jugenddauerarrest wegen des unerlaubten Besitzes von Drogen
Nach kurzer Beratung verkündete der Jugendrichter das Urteil: „Der Angeklagte wird wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einem Jugenddauerarrest von zwei Wochen verurteilt.“

Richter Buss: „Also mir fehlen da die Worte, mir bleibt ja nichts anderes übrig, als dich in die Jugendarrestanstalt nach Worms zu schicken. Der Jugendarrest in Worms ist nicht mit einem normalen Gefängnis zu vergleichen, es ist die mildere Variante der Strafverbüßung. Innerhalb der Arrestanstalt kann man sich frei bewegen, jedoch gibt es Regeln an die man sich zu halten hat, die auch belohnt werden, wenn ein Verurteilter sich positiv verhält. Viele Täter gelangen durch den ersten Freiheitsentzug doch zu der Meinung, das es besser ist, sich an Recht und Ordnung zu halten. Der Arrest ist nur ein Vorgeschmack für den Knast, wenn du nicht mit dem Kiffen aufhörst.“

Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt, der Angeklagte erklärte, dass er das Urteil erst in Ruhe überdenken möchte.

28 Gramm Marihuana: Hintergrund
28 Gramm Marihuana klingt zunächst nicht nach viel. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass aus nur einem einzigen Gramm zwei bis drei Joints hergestellt werden können. Die organisierte Kriminalität handelt die Drogen nach US-amerikanischem System. So entsprechen 28,3 Gramm genau einer Unze. Abgaben der Droge in dieser Menge sind deutlich günstiger, weshalb in der Regel Kleindealer ein oder mehrere Unzen kaufen, diese in kleinere Gebinde aufteilen und weiterverkaufen. Mit dem Gewinn finanzieren sie ihren eigenen Drogenkonsum. Dabei bieten sie die Drogen skrupellos auch Minderjährigen an. Das ist im Westerwald längst Alltag geworden und sollte nicht tabuisiert werden. Um Missverständnisse auszuschließen: Im vorangehenden Prozess ging es nicht um den Handel mit Drogen, sondern lediglich um den Besitz. (Wolfgang Rabsch)



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