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Nachricht vom 15.06.2019    

Patrick Roth las und erzählte in Selters von der „Fremden Heimat Hollywood“

Patrick Roth entschied sich bei seiner Lesung in Selters klar für die Muttersprache, genauer den Karlsruher Dialekt als eigentliche Heimat, obwohl der Cineast als Student die Hollywood-Studios von Los Angeles als Wunsch-Heimat erwählte. Inzwischen lebt und schreibt Roth in Mannheim. In Selters las er seinen Beitrag aus dem Begleitband zum Kultursommer „Heimat Europa“ und aus dem Buch „Die amerikanische Fahrt“.

Patrick Roth bei seiner Lesung in Selters. Fotos: Helmi Tischler-Venter

Selters. Gastgeber Bürgermeister Rolf Jung zeigte sich stolz und erfreut, dass dank „DENKBARES“ der Literatursommer auch in Selters angekommen ist. Die Begründer des Veranstaltungsformats „DENKBARES. Begegnungen mit Menschen und Büchern“, Martin W. Ramb und Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski bestätigten, man dürfe die Provinz nicht unterschätzen, denn was man bei der „lit.COLOGNE“ erlebe, könne man in gleicher Qualität im Literatursommer haben.

Patrick Roth ist ein Geschichtenerzähler in Bildern, die er wortstark visualisiert und den Fühlaspekt der Sache, die Emotionen verbal mitvermittelt. Die Bilder hatten ihn einst nach Los Angeles gezogen, wo er als Kinoredakteur die bekannten und populären Regisseure interviewte und besonders intensiv die weniger bekannten, aber von ihm hoch geschätzten Regisseure kennenlernte. Er berichtete von Bildpoeten wie John Ford und Orson Welles, von Begegnungen mit Henry Fonda und David Lynch, von Lion Feuchtwangers Villa Aurora, in deren Büchermuseum sich auch ein Sophokles-Band mit Handzeichnungen von Michelangelo Buonarotti befand und vom abenteuerlichen Erlernen filmischer Mittel für das eigene Schreiben.

„Long voyage home“ erzählt in Bildern und Träumen die Rückkehr: Roth ging mit 22 Jahren als Filmstudent in die USA und kam 37 Jahre später als Schriftsteller zurück nach Deutschland. Die Botschaften von der Notwendigkeit der Rückkehr kamen ihm in Träumen von einem zusammenbrechenden brennenden Haus, das das brennende Hollywood symbolisierte. Oder in dem Bild von der easy passage in Form des ausgetrockneten Neckars, den er bis auf die letzten fünf Meter mühelos durchqueren konnte. Synchronistische Ereignisse bestätigten seine Träume in der Wirklichkeit.

Dem Hölderlin-Verehrer war das Deutsche immer Heimat geblieben. Die flatternde Markise des Beverley Wilshire Hotels, die ihn an eine Sequenz in dem Film „Paper Moon“ erinnerte, wurde sein Kreuzweg zur Heimat.



Nach der Rückkehr war er für Deutschland ein Fremder geworden, ein Ausländer, der eine Niederlassungserlaubnis beantragen musste. „Doch fühle ich mich hier wieder ganz zu Hause. Heimat ist nicht hier oder dort, sondern „intra me“, der Ort der Seele“, betonte der Literat. Er hätte dem Deutschen nicht so nachgespürt, wenn er in den USA geblieben wäre, ist sich Roth sicher, er habe das Haus der Sprache von außen betrachtet, Sprachverrat empfunden und dann Sehnsucht nach dem Vertrauten.

Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski fasste nach den beiden Lesungen zusammen, dass in beiden Texten Sprache als Heimat eine Rolle spielt. Er fragte, ob eine andere Sprache Heimat werden könne. Roth fand, dass für ihn das Deutsche die Grundlage gelegt habe, weil es in die Kindheit zurückreichte und er die Gefühlsschichten mit einer Fremdsprache nicht mehr einholen könne. Das Englische sei ihm immer noch vertraut, er träume immer noch auf Englisch und es stelle sich sofort eine Verschworenheit ein, wenn er einen Amerikaner treffe.

Auf die Frage, ob die deutsche Sprache sich verändert habe, fiel dem Schriftsteller ein, dass er nach seiner Rückkehr den Begriff „Fräulein“ nicht mehr verwenden durfte und das Wort „Diskurs“ neu war. Roth beklagte eine Verarmung der Sprache in Deutschland, die er bei seinen Lesungen in Schulen feststellen könne. Erziehung sei die einzige Gegenmaßnahme, daher forderte der Autor mehr Unterstützung für die Lehrer, bessere Lehrer-Ausbildung und mehr Bezahlung ab der Grundschule. Denn „mit der Differenzierung der Sprache geht auch das Gedachte weg.“

Es entspann sich eine Diskussion mit Zuhörern um die Bedeutung und Ausdrucksfähigkeit des Dialekts.

Morgen, am Sonntag, 16. Juni um 17 Uhr wird Patrick Roth in der Matthiaskirche Neuwied eine Lesung mit anschließendem Gespräch durchführen mit dem Titel „Alexa. Sekt. Echo“. Der Eintritt ist frei. htv



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