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Nachricht vom 30.09.2015    

Mulue ist Bereicherung und Herausforderung für Betrieb

Integration und Fachkräftesicherung: 22-jähriger Eritreer macht Einstiegsqualifizierung bei Metallbaubetrieb im Rhein-Lahn-Kreis. Agentur für Arbeit Montabaur fördert.Für den Betrieb ist die EQ grundsätzlich kostenneutral. Tragfähiges Netzwerk ist erforderlich.

Mulue Tekle und Marius Wieland. Foto: privat.

Montabaur. Zwei junge Männer stehen an einer Maschine und bohren Löcher in Metallplatten. Marius Wieland (21), Sohn des Chefs, wird den Metallbaubetrieb übernehmen, wenn sein Vater Werner den Ruhestand antritt. Mulue Tekle (22) stammt aus Eritrea und ist vor der Militärdiktatur geflüchtet. Auch er hat die Chance, in dem kleinen, florierenden Unternehmen eine Zukunft zu finden: Gefördert von der Agentur für Arbeit Montabaur, macht er eine Einstiegsqualifizierung - mit dem Ziel, eine Ausbildung zum Metallbauer/Fachrichtung Konstruktionstechnik zu beginnen.

Trotz seiner Jugend hat Mulue eine bewegte Lebensgeschichte. Er erzählt, dass junge Eritreer das letzte Schuljahr im Militärcamp verbringen. Dass die meisten an-schließend eingezogen werden und nur eine Minderheit eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren kann. Dass sein Vater als Soldat gestorben ist… Wie viele tausend Altersgenossen entschloss sich Mulue zur Flucht. Auf einem Pickup ging es durch den Sudan nach Libyen, dann in einem Boot übers Mittelmeer. Mit dem Zug fuhr er durch Italien und Frankreich nach Deutschland und landete im Mai 2014 in der Aufnahmeeinrichtung Trier. Von dort kam Mulue schließlich nach Buch im Rhein-Lahn-Kreis, wo er sich mit zwei anderen Flüchtlingen eine Wohnung teilt.

Bei den ersten Schritten in ein neues Leben half ihm besonders Ellen Hißnauer, die sich ehrenamtlich für geflüchtete Menschen einsetzt. Sie knüpfte den Kontakt zu Werner Wieland, dessen Firma in Nastätten (Büro) und Oberbachheim (Werkstatt) ansässig ist: Ob er Mulue Tekle als Praktikanten aufnehmen könne? Der Maschinenbaumeister, der im November 65 Jahre alt wird, und seine Frau Ute zögerten. Weil sie sofort weiterdachten: „Wir haben überlegt, ob ich noch lange genug im Betrieb bin, um Mulue im besten Fall ausbilden zu können“, erzählt Wieland. „Und natürlich haben wir uns gefragt: Können wir ihn in die Berufsschule schicken? Er spricht ja noch nicht besonders gut Deutsch.“

Mulue bekam seine Chance und überzeugte das Ehepaar Wieland und seine Mitarbeiter während eines Praktikums im Juli und August diesen Jahres. „Er ist absolut pünktlich, ordentlich und macht einwandfreie Arbeit“, sagt der Chef. „Einen solchen Azubi kann ich dringend brauchen – ich finde ja keine Facharbeiter mehr!“ Zugleich war klar, dass der junge Afrikaner auf eine Lehre zunächst vorbereitet werden muss.

Mit vereinten Kräften gelang es, diese Hürde zu nehmen. Zusammen mit Ellen Hißnauer und Nikolinka Georgieva, Flüchtlingsnetzwerkerin der Handwerkskammer Koblenz, erschien Mulue zum Gespräch bei Claudia Didinger, Berufsberaterin der Agentur für Arbeit Montabaur. Danach stand fest: Der junge Mann macht ab September eine Einstiegsqualifizierung. Eine solche EQ läuft in Betrieben und orientiert sich an den Inhalten des ersten Lehrjahres. Die Teilnehmer besuchen die entsprechenden Fachklassen der Berufsschule, so dass das „Langzeitpraktikum“ gegebenenfalls auf die Ausbildung angerechnet werden kann.



Für den Betrieb ist die EQ grundsätzlich kostenneutral, denn die Arbeitsagentur zahlt sowohl die vorgeschriebene Vergütung des Praktikanten als auch die Beiträge für die Sozialversicherung. Der Arbeitgeber muss für die Einarbeitung und angemessene Betreuung sorgen und den Willen haben, den Jugendlichen als Azubi ein-zustellen. In dieser Hinsicht muss Mulue sich keine Sorgen machen: Ute und Werner Wieland, die selbst fünf Kinder haben, kümmern sich intensiv um den jungen Eritreer. Sie bezahlen seine Schulbücher und die Fahrkarte zur Berufsschule in Diez und organisieren die Mitfahrgelegenheit zum Betrieb.

Madeleine Seidel, die Leiterin der Agentur für Arbeit Montabaur, freut sich ebenfalls über die positive Entwicklung für Mulue: „Die Arbeitsagentur unterstützt Flüchtlinge und Asylbegehrende bei der Integration. Das ist eine große Herausforderung, die nur gemeinsam in tragfähigen Netzwerken bewältigt werden kann. Bei Mulue Tekle funktioniert das vorbildlich. Der junge Mann profitiert von großem ehrenamtlichem Engagement. Und er hat einen Arbeitgeber gefunden, der die doppelte Chance er-kennt: Er hilft einem Menschen in einer schwierigen Situation und kann, wenn alles weiterhin so gut läuft, eine Nachwuchskraft qualifizieren. Diese positive Bereitschaft brauchen wir.“

Mulue Tekle und seine Unterstützer wissen, dass noch manches Problem gelöst werden muss. Größte Barriere sind die Sprachdefizite des Afrikaners. Er braucht dringend einen Deutschkurs, um dem Unterricht in der Berufsschule besser folgen zu können. Ein großer Vorteil ist, dass er sowohl in der Schule und als auch im Be-trieb unter jungen Leuten ist und in der Alltagskonversation rasch lernt. Physik und Mathematik sind seine Lieblingsfächer, und den Chef hat er im Betrieb mit seinen Rechenkünsten überrascht.

„Es klappt alles überraschend gut“, meint Wieland. „Mulue ist sowohl eine Bereicherung als eine Herausforderung für unseren Betrieb.“ Und so ungern er eine Fach-kraft wieder ziehen ließe – auch in diesem Punkt denkt Werner Wieland schon wei-ter: „Vielleicht kann Mulue eines Tages nach Eritrea zurückkehren und deutsches Knowhow nach Afrika bringen. Die beste Entwicklungshilfe ist, Menschen in ihrer Heimat zu fördern.“


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