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Nachricht vom 22.11.2023    

Terrorverdacht in Westerburg: Zwischen Einzeltätern und Strukturen – Das Phänomen des Rechtsterrorismus

Von Jennifer Patt

Inmitten der beschaulichen Stadt Westerburg, gelegen in den Hügeln des Westerwaldes, gerät ein 18-Jähriger Schüler in den Fokus von Ermittlungen, die auf einen potenziell geplanten Terroranschlag hinweisen. Der Gymnasiast, von dem Medienberichten zufolge die Oberstufe besucht, soll eine "schwere, staatsgefährdende Gewalttat" vorbereitet haben. Die Behörden verfolgen den Verdacht rechtsextremer Motive bereits seit Monaten.

Symbolbild (Foto: Pixabay)

Westerburg. Die Kuriere hatten über den Terrorverdacht in Westerburg bereits berichtet, wo ein 18-Jähriger einen Anschlag vorbereitet haben soll. Die Hintergründe solcher Einzeltaten werfen immer wieder Fragen auf, und die Forschung steht vor der Herausforderung, diese zu erklären. Erst seit Kurzem versucht sie, Licht ins Dunkel zu bringen: Wie viele rechtsterroristische Gewalttaten wurden seit den 1950er-Jahren verübt, und steckt hinter diesen Taten wirklich nur das Handeln von Einzeltätern oder existiert ein strukturelles Problem?

Extremismusforscher geben Einblick
Der Extremismusforscher Armin Pfahl-Traughber gibt einen Einblick in die Definition von Rechtsterrorismus: "jenen Teilbereich des 'Terrorismus', der im Namen ethnischer Identität, Reinheit und Überlegenheit Gewalthandlungen von Anschlägen gegen Einrichtungen bis zu Morden an Menschen begeht". Diese Gewalt richtet sich oft gegen Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten sowie gegen die politische Ordnung.

Wilhelm Heitmeyer und Peter Waldmann betonen, dass rechtsterroristische Gewalttäter ihre Opfer gezielt aufgrund der Ideologie der Ungleichwertigkeit auswählen. Heitmeyer ist Soziologe und Pädagogikprofessor an der Uni Bielefeld, Peter Waldmann ist Jurist, Soziologe und Terrorismusexperte. Anders als bei anderen politisch motivierten Morden gehe es den Tätern nicht nur um die Tat selbst, sondern um die erzeugten gesellschaftlichen Folgen. Rechtsterrorismus wird als "Kommunikationsstrategie" beschrieben, die Unsicherheit, Schrecken und Sympathie in rechtsradikalen Milieus erzeugen soll.

Paradoxerweise werden rechtsextreme Terrorakte meist von kleinen Zellen oder Einzelpersonen, den sogenannten "einsamen Wölfen", verübt. Oft fehlen Bekennerschreiben oder politische Erklärungen, und die Opfer lassen sich schwer von politischen Zielen unterscheiden. Dies führte in der öffentlichen Wahrnehmung dazu, rechten Terror mit reinen Hassverbrechen gleichzusetzen.

School Shootings im Kontext
Ein Blick zurück auf den Amoklauf an der Columbine High School im Jahr 1999 verdeutlicht die Komplexität dieser Taten. Die Motivation der Täter, Eric Harris und Dylan Klebold, ist bis heute nicht vollständig geklärt, aber Indizien deuten auf rechtsextreme Motive hin. Der Hass in Harris entwickelte sich zu einem bösartigen Geschwür, genährt von Allmachtsfantasien und Selbstzweifeln.



Der Amoklauf an der Columbine High School markierte einen Wendepunkt und prägte den Begriff "School Shootings". Die Täter, Harris und Klebold, planten ursprünglich einen Bombenanschlag auf ihre Schule, der durch einen technischen Fehler vereitelt wurde. In der Folge begannen sie, auf ihre Mitschüler zu schießen. Ihre Beweggründe blieben teilweise im Dunkeln, doch die Medieninszenierung als Antihelden und die Schaffung einer eigenen "Marke" durch das Verbreiten ihres Gedankenguts im Internet waren ein Novum.

Verschwörungstheorien als Nährboden
Verschwörungstheorien haben eine alarmierende Anziehungskraft auf junge Menschen und können einen gefährlichen Nährboden für Gewalttaten schaffen. Die Reichsbürgerbewegung, die den Staat nicht anerkennt, ist ein Beispiel für eine solche Bewegung, die vor allem bei jungen Anhängern Zuspruch findet. Die Unsicherheiten und Ängste, die durch die Corona-Pandemie verstärkt wurden, haben wiederum antisemitische Verschwörungstheorien in den Vordergrund gerückt. Eine erschreckende Kontinuität zeigt sich auch bei den "Protokollen der Weisen von Zion", einer antisemitischen Fälschung aus dem frühen 20. Jahrhundert. Obwohl diese bereits als betrügerisch entlarvt wurden, finden sie auch heute noch Anhänger, die sie als Wahrheit akzeptieren. Diese Verschwörungstheorien schüren Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, fördern Hass und können junge Menschen dazu verleiten, Gewalt als vermeintlichen Akt des Widerstands zu betrachten. Es ist von entscheidender Bedeutung, diese gefährlichen Ideologien zu bekämpfen und gleichzeitig aufzuklären, um präventive Maßnahmen gegen extremistische Gewalt zu stärken.

Statistiken deuten auf eine Zunahme hin
Die Forschung und Sicherheitsbehörden sind intensiv darum bemüht, die Beweggründe und Hintergründe rechtsextremer Gewalttaten zu verstehen. Die Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz für das Jahr 2022 verdeutlichen die Aktualität dieser Herausforderung. Die Gesamtzahl der rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten stieg im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent auf 20.967 Delikte. Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten erhöhte sich um rund 7,5 Prozent auf 1.016 Taten.

Der aktuelle Fall in Westerburg unterstreicht die Dringlichkeit, rechtsextreme Tendenzen zu bekämpfen und präventive Maßnahmen zu entwickeln, um derartige Gewalttaten zu verhindern. Die Forschung spielt dabei eine entscheidende Rolle, um die Mechanismen und Strukturen hinter diesen Taten zu entschlüsseln und somit eine bessere Prävention zu ermöglichen. (JP)


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