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Pressemitteilung vom 05.09.2023    

Zwei Wällerinnen werden Pfarrerin auf Umwegen

Zu den ersten, die sich auf einen spannenden Kurswechsel einlassen, gehören zwei Frauen aus dem Westerwald: Gisella Loyola aus Wahlrod und Friederike Zeiler aus Deesen. Hinter beiden liegen drei aufregende und anstrengende Jahre - und vor ihnen ein neues Leben: Beide haben Anfang September mit ihrem Vikariat begonnen, also mit dem praktischen Teil der Pfarrerinnenausbildung.

Von links: Friederike Zeiler und Gisella Loyola beginnen nun mit ihrem Vikariat, also dem praktischen Teil der Ausbildung zur Pfarrerin. (Fotos: privat)

Westerwaldkreis. Als Quereinsteiger in den Pfarrberuf: Der berufsbegleitende Masterstudiengang "Evangelisch-Theologische Studien" bietet seit 2020 eine gute Möglichkeit, sich neu zu orientieren. Er ist ein Kooperationsprojekt der Universitäten Frankfurt und Mainz sowie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und ermöglicht es auch "Spätberufenen", Pfarrer zu werden.

Gisella Loyola absolviert das Vikariat in Selters. Für sie schließt sich damit ein Kreis. Der Glaube, erzählt sie, war für sie immer etwas, das ihr Halt und Haltung gibt. Schon früh liegen Beruf und Berufung eng beisammen: Von 2005 bis 2012 arbeitet sie als Jugendreferentin im Evangelischen Dekanat Selters; danach leitet sie unter anderem eine Jugendhilfeeinrichtung, und bis Ende August dieses Jahres ist sie in einer Familienberatungsstelle tätig. 2020 entscheidet sie sich dennoch, ihren Glauben ganz zum Beruf zu machen und Pfarrerin zu werden. Dafür nimmt sie drei Jahre in Kauf, die sie heute als "Survival-Training" bezeichnet.

"Das Arbeitspensum war hart. Ich habe bis in die Nacht gelernt - zusätzlich zu meinen Aufgaben in der Familie und im Job", erzählt sie. "Zunächst haben wir in einer Aufnahmeprüfung zum Studium unser Bibelwissen unter Beweis gestellt und in einem Essay Position zu einem kritischen Thema bezogen." Im Studium selbst wartet dann die größte Hürde auf Gisella Loyola: Innerhalb eines halben Jahres muss sie Hebräisch und Griechisch lernen. "Das hat mir Angst gemacht", gesteht sie. "Aber irgendwann dachte ich: Wenn ich die schaffe, schaffe ich alles." In der Pandemiezeit paukt sie gemeinsam mit Friederike Zeiler bis in die Nacht per Zoom - und besteht. "Inzwischen habe ich das Hebräische richtig ins Herz geschlossen. Eine wunderschöne Sprache!"

Doch das berufsbegleitende Studium bleibt herausfordernd. Denn bestimmte Seminare passen auf den ersten Blick nicht zu dem, was für sie lange theologisch in Stein gemeißelt war. Heute ist sie dankbar für diese neuen Sichtweisen. "Ich habe viele Arten und Facetten des Glaubens kennengelernt und sehe manches inzwischen weniger dogmatisch. Ich bin gelassener geworden."
Gelassen, aber nicht gleichgültig. Denn der Glaube soll nie zum reinen Job werden. Erst recht nicht in ihrem neuen Leben als Pfarrerin. "Ich werde auf meine eigene Spiritualität achten. Damit Gott nie zu einer Sache wird, die ich als Pfarrerin irgendjemandem verkaufe."
Auch Friederike Zeiler sieht sich nicht als "Verkäuferin", sondern als Neugierige, die von Theologie fasziniert ist und mit anderen Glauben gestalten will.



Schon in der Schule lernt sie Latein und Griechisch und engagiert sich als junge Frau ehrenamtlich im Evangelischen Jugendhaus "Baustelle" in Rückeroth. Pfarrerin wird sie in den 1990er-Jahren aber noch nicht. "Ich hatte nie diesen besonderen spirituellen Ruf", sagt sie. Stattdessen zieht sie nach Köln und übernimmt dort die Leitung einer Einrichtung für Menschen im Wachkoma. Als sie vor elf Jahren schließlich zurück in den Westerwald zieht, arbeitet sie als Krankenschwester. Und die Kirche rückt wieder mehr in ihren Blick. Sie wird Mitglied im Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde Selters und später sogar dessen Vorsitzende. "Irgendwie hat mich das faszinierende Thema Theologie doch nie so ganz losgelassen", erinnert sie sich heute. "Gläubig war ich immer, und ich habe mich oft gefragt, wie man Glauben miteinander gestalten kann."

Vor drei Jahren ermutigt sie die Selterser Pfarrerin Swenja Müller, dieser Frage noch tiefer auf den Grund zu gehen - und selbst Pfarrerin zu werden. "Swenja berichtete mir von dem berufsbegleitenden Studium, und ich habe sofort gewusst: das ist es!", sagt sie lächelnd.
Bereut hat sie diese Entscheidung nie - obwohl die sechs Semester auch für sie unglaublich herausfordernd waren. "Ich habe weiter als Krankenschwester gearbeitet. Aber um die dreifache Belastung stemmen zu können, musste ich meinen Dienst reduzieren, habe fast nur noch Nachtdienste geschoben und dadurch irgendwann keinen richtigen Tag-Nacht-Rhythmus mehr. Für meine Familie und für mich war das sehr anstrengend", sagt die Mutter von drei Kindern. "Aber das Studium war Bombe! Auch wenn ich gnadenlos durchgefallen wäre, hätte es mich sehr bereichert." Doch Friederike Zeiler hat’s geschafft und beginnt nun mit ihrem Vikariat in Westerburg. Dort freut sie sich besonders auf die Kinder- und Jugendarbeit. Und sie hofft - wie Gisella Loyola auch - auf viele gute und vor allen Dingen offene Gespräche, sagt sie: "Ob als Quereinsteigerin oder nicht: Glauben weitergeben kann ich nur, wenn ich authentisch bin."

Weitere Infos zum Berufsbegleitenden Studium gibt es auf der Internetseite der EKHN (www.ekhn.de), der Universität Frankfurt (www.uni-frankfurt.de) oder unter Telefon 069/79833317.


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