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Nachricht vom 08.08.2020
Wirtschaft
Nachtspeicherheizung – Alternativen möglich? Gegensätzliche Meinungen
Besitzern von Nachtstromspeicherheizungen, die sich gerne von ihrem Heizsystem verabschieden möchten – vor allem wegen der hohen Stromkosten – empfahl die Verbraucherzentrale (VZ) Rheinland-Pfalz die Investitionskosten für Wärmepumpe, Pelletheizung oder Holz-Einzelofen genau im Einzelfall abzuwägen.
Nachtspeicherheizung. Foto: Bernhard AndréRegion. „Sehr vorsichtig sollte man bei den Elektrodirekt- oder Infrarotheizungen als möglichem Ersatz für die Nachtspeicherheizungen sein. Dagegen sprechen hier die noch höheren Heizkosten, da in der Regel keine Sondertarife wie bei den Nachtspeichergeräten, sondern der hohe Haushaltsstrompreis zum Tragen kommt.“ Wir berichteten.

Die Verbraucherberatung hält ein Gesamtpaket aus Wärmedämmung der Gebäudehülle und Umstellung auf ein zukunftsfähiges Heizsystem für optimal und durch vielen Förderprogramme auch für attraktiv.

Gegen diese Empfehlungen der VZ schrieb Karl-Friedrich Schuppert von „think [E] energy GmbH“ eine erboste Erwiderung. Er ist der Meinung, der Artikel enthalte zwei falsche Behauptungen und korrigiert wie folgt: Zu den Heizkosten: „Die Behauptung ist falsch! Die Heizkosten mit gut ausgelegten Stromdirektheizungen als zum Beispiel Niedertemperatur-Flächenheizungen liegen im Schnitt 50 Prozent niedriger und können mit Wärmepumpen in der Gesamtbilanz konkurrieren“

Zu fehlenden Sondertarifen: „Die Behauptung ist falsch! Im Bereich der West-Netz AG und auch anderer Netzbetreiber sowie die Energieversorger bieten den Wärmepumpenstrom-Tarif für Stromdirektheizungen an.“

Zudem polemisiert Schuppert in Richtung Verbraucherzentrale: „Die Entwicklung ist an den VZ vorbei gegangen oder wird aus Lobby-Gründen negiert - schon mal die Finanzierung der VZs angeschaut?“

Wir haben die Fachleute der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz um Stellungnahme gebeten. Das Antwortschreiben hat Hans Weinreuter, Fachbereichsleiter Energie/Bauen verfasst.

Antwort auf den Vorwurf:
„Diese Behauptung wird seit Jahren von Herstellern dieser Systeme ohne belastbare Belege in den Raum gestellt. Hier werden die Gesetze der Bauphysik, die die Grundlage sämtlicher Normen im Bereich der Energieeinsparung bilden, ignoriert. Auf diesen Bauphysikgrundlagen basieren unsere Darstellungen: Der Heizwärmebedarf eines Gebäudes wird bestimmt durch seine Energieverluste, die durch Wärmeleitung über die Gebäudehülle und durch Lüftungswärmeverluste entstehen. Dieser Grundsatz gilt unabhängig von der Art des Heizungssystems. Eine Heizung dient dazu, diese Verluste während der Heizperiode zu jedem Zeitpunkt auszugleichen.

Wie soll eine Stromdirektheizung als Nieder-Temperaturflächenheizung 50 Prozent niedrigere Heizkosten (im Vergleich zu welchem System?) schaffen?

Der Wärmebedarf eines Gebäudes ist definiert und diesen kann man decken, indem man entweder ein Heizsystem mit niedrigerem Temperaturniveau und größerer Fläche oder ein System mit höherer Temperatur und kleinerer Fläche wählt. An der insgesamt bereitzustellenden Wärmemenge ändert das nichts.

Der Vorteil, den elektrische Direktheizungen haben, ist die Tatsache, dass sie im Haus praktisch keinerlei Verluste bei der Umwandlung von Strom in Wärme haben. Das reicht jedoch bei weitem nicht aus, um die sehr große Preisdifferenz zwischen Haushaltsstrom (27 bis 30 Ct pro kWh) und den konventionellen Energieträgern Heizöl und Erdgas (4 bis 5 Ct pro kWh) auszugleichen. Selbst wenn ein günstigerer Nachstrom- oder Wärmepumpentarif von zum Beispiel 20 Cent pro kWh zum Tragen kommt, bleibt ein Faktor 4 bis 5 gegenüber Erdgas und Heizöl, der schwer zu kompensieren ist.

Die Wärmepumpe hat auch gegenüber den Elektrodirektheizungen den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Technik einen Großteil der bereit gestellten Wärme der Umwelt (Außenluft, Erdreich) entnehmen kann und damit den deutlichen Preisunterschied bei den Energieträgern zu großen Teilen ausgleichen kann.“

Auf Schupperts Aussage „Im Bereich der WestNetz AG und auch anderer Netzbetreiber sowie die Energieversorger bieten den Wärmepumpenstrom-Tarif für Stromdirektheizungen an.“, reagiert Weinreuter: „Wir wissen, dass es einzelne Energieversorger gibt, die Kunden mit Stromdirektheizungen den günstigeren Nachtspeichertarif anbieten. Dies ist jedoch nicht die Regel sondern die Ausnahme. Daher unsere Formulierung im Text: „in der Regel“ kommt bei Elektrodirektheizungen der hohe Haushaltsstrompreis zur Anwendung.

Wichtig zu wissen ist dabei, dass sich der Stromversorger in den Verträgen über Nachtspeicher- und Wärmepumpen-Stromlieferung vorbehält, die Versorgung für zwei bis drei Stunden pro Tag zu unterbrechen. Dies ist für eine Nachtspeicherheizung oder bei einem Fußbodenheizungssystem mit ausreichend Speichermasse in der Regel kein Problem. Im Falle von Elektrodirektheizkörpern in einem Haus mit niedrigem Dämmstandard kann dies jedoch zum Problem werden, wenn an kalten Tagen die Heizung für einen solchen Zeitraum nicht läuft.“

Zum Vorwurf, die Entwicklung sei an den VZ vorbei gegangen oder werde aus Lobby-Gründen negiert „schon mal die Finanzierung der VZs angeschaut?“, antwortet Weinreuter: „Es ist nicht klar, welche Entwicklung Herr Schuppert meint, aber die Grundlagen der Bauphysik haben sich in den letzten Jahren nicht geändert. Dazu reicht nur ein Blick in die Normen, die der Energieeinsparverordnung (bzw. dem GebäudeEnergieGesetz) zugrunde liegen und regelmäßig aktualisiert werden.

Zur Finanzierung der Verbraucherzentralen: diese ist völlig transparent und kann in jedem Jahresbericht der Verbraucherzentralen nachvollzogen werden. Wir finanzieren uns im Wesentlichen durch öffentliche Mittel seitens der Bundesländer und des Bundes. Daher wissen wir nicht worauf Herr Schuppert hier anspielen will.“

Beide Zuschriften wurden von der Redaktion gekürzt.
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