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Nachricht vom 12.04.2020
Kultur
Roberto Capitoni: Künstler gehen auf die Barrikaden
Die in Rheinland-Pfalz lebenden Comedians, Kabarettisten, Sänger, Musiker, Tontechniker, Künstler, Artisten, Freelancer, Solo-Selbstständige sind sauer. Denn die Soforthilfen der Landesregierung treffen auf sie nicht zu. Künstler haben oft kaum laufende Kosten und können so keine Beihilfe erhalten.
Roberto Capitoni bei seinem Auftritt in Melsbach mit Kollegen. Archivfoto: Wolfgang TischlerRegion. Der Comedian Roberto Capitoni hat die nachfolgende Nachricht an die Ministerpräsidentin wegen der Soforthilfe in Rheinland-Pfalz verfasst. Nachstehend das Schreiben im Wortlaut:
„Sehr geehrte Frau Dreyer,
leider geht das an der Realität komplett vorbei. Abgesehen davon, dass es ein Unding ist, nur Betriebskosten geltend machen zu dürfen, was bei vielen Künstler unmöglich ist, da sie de facto kaum welche haben, ist der Vorschlag, doch Corona-Grundsicherung zu beantragen, für mich und viele meiner Kollegen ein Witz.

Denn, wenn man wie ich, in den letzten 40 Jahren den Fehler gemacht hat, gut zu arbeiten, immer brav alle Steuern bezahlt zu haben, gut zu wirtschaften und sein Geld gut angelegt zu haben, damit man im Alter vernünftig versorgt ist, und zwar ohne staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen, dann hat man nämlich keinen Anspruch auf diese Grundsicherung.

Auch wenn man monatelang keinerlei Einkommen haben wird. Dann heißt es beim Amt, man solle doch seine Lebensversicherung, die man als Altersversorgung abgeschlossen hat, auflösen und seine Wertpapiere, die Aufgrund der Corona-Maßnahmen z.Zt. tief im Keller sind, verkaufen. Dass beides auch noch zusätzlich nur mit massiven Verlusten durchführbar ist, interessiert da kein Schwein.

Da stellt sich doch die Vermutung: hätte ich in den letzten Jahrzehnten wenig oder schlecht gearbeitet und gewirtschaftet und hätte das verdiente Geld mit vollen Händen ausgegeben, dann würde ich jetzt vom Land Rheinland-Pfalz damit belohnt werden, das Corona-Grundeinkommen zu erhalten. Da ich aber so doof war, mich selbst um meine Altersversorgung zu kümmern, auch damit ich dem Staat, von dem ich übrigens noch nie etwas bekommen habe, später nicht auf der Tasche liegen muss, gehe ich leer aus. Das ist doch ein schlechter Witz.

Und das Lustigste an diesem schlechten Witz ist, dass, wenn ich in Mannheim oder Karlsruhe wohnen würde, das alles kein Problem wäre. Das soll mir mal einer intelligent erklären.

Die Un-Wörter des Jahrhunderts werden wohl Grundsicherung, Soforthilfe, das sind die schlechtesten Witze die ich je gehört habe. Dass ich nicht lache, neun Anträge für drei Leute, das soll Vereinfachung sein. Das sind 30 Seiten, liebe Frau Dreyer, haben Sie selbst mal versucht so eine Flut von Anträgen auszufüllen. Und wir Drei sollen einen Lebenslauf abgeben, wozu, ich will mich nicht bewerben, ich such auch keinen Job, ich will nur eine Unterstützung über diese Zeit in der ich keinen Auftritt habe, ich will ja arbeiten, darf aber nicht.

Das ist Verarsche, nix anderes, keine Wertschätzung für Kultur, „Deutschland ein Land der Dichter und Denker“, dass ich nicht lache, da wurde leider nicht zu Ende gedacht, das ist ein Schlag ins Gesicht, nix anderes.

An alle in Rheinland-Pfalz lebenden Comedians, Kabarettisten, Sänger, Musiker, Tontechniker, Künstler, Artisten, Freelancer, Solo-Selbstständige und... und... und... Nicht aufgeben, wir kämpfen für unser Recht!“

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