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Nachricht vom 03.02.2020
Region
Wenn Glaube unter die Haut geht: Tattoos und Christentum
Tattoos sind im Trend. Sie sind dem eher zwielichtigen Ruf des Knast- oder Matrosenschmucks längst entkommen und zum Mainstream geworden. Und dennoch steckt dahinter der Wunsch vieler Menschen nach Einzigartigkeit. Oder sie sind sogar ein Ausdruck des Glaubens, sagt der Westerwälder Theologe und Schriftsteller Paul-Henri Campbell in seinem Buch: „Tattoo und Religion. Die bunten Kathedralen des Selbst.“
Wilfried Kehr (links) vom Männertreffpunkt des Evangelischen Dekanats Westerwald begrüßte Paul-Henri Campbell als Referenten zum Thema "Tattoos und Glaube". Fotos: Sabine Hammann-GonschorekWesterburg. Der Männertreffpunkt des Evangelischen Dekanats Westerwald wollte dem Zusammenhang zwischen Tätowierungen und dem christlichen Glauben nachspüren und hat Campbell nach Westerburg eingeladen. Paul-Henri Campbell hat für sein Buch zahlreiche Tätowierer im In- und Ausland zu ihrer Intention und nach ihren Erfahrungen mit ihren Kunden befragt und Erstaunliches zutage gefördert. Mit Hilfe eines Bildvortrages machte der Referent die Vielfältigkeit der Hautbilder deutlich. Besonders eindrucksvoll: Die Kirchenfenstern ähnlichen Bilder, die der Franzose Mikael de Poissy sticht. Inspiriert wurde der Künstler von der Glasmalerei mittelalterlicher Kathedralen. Farbenprächtige Heiligenfiguren und biblische Szenen auf großen Köperstellen sind seine Spezialität.

Tätowierungen sind im Christentum schon lange bekannt, berichtete Paul-Henri Campbell. Der dominikanische Mystiker Heinrich Seuse (1295 – 1366) zum Beispiel hatte das Christusmonogramm auf der Brust tätowiert. Es gibt Quellen, die ihn damit zeigen. Selbst in der Bibel gebe es Hinweise auf die Möglichkeit sich den Glauben praktisch in den Körper prägen zu lassen, sagte Campbell. „Der Apostel Paulus spricht in seinem Brief an die Galater die Gemeinde an und sagt: "Ich trage die Leidenszeichen Jesu an meinem Leib." (Gal. 6, Vers 17).

Das griechische Wort dafür ist "Stigma", also wörtlich übersetzt Malzeichen. In dem Wort erkennt man die sprachwissenschaftliche Wurzel für den Ausdruck "stechen".“ Campbell berichtete von weiteren Nachweisen, dass Tätowierungen lange Zeit ganz selbstverständliche Merkmale der Glaubenszugehörigkeit gewesen sind. Wie unter Kreuzrittern, die mit Hilfe eines tätowierten Kreuzes auf ein christliches Begräbnis hofften, wenn sie in der Ferne starben. Oder bei den koptischen Christen, die ein kleines Kreuz auf dem rechten Handgelenk als Teil der Glaubensgemeinschaft ausweist. Campbell berichtete von einer, im christlichen Viertel in Jerusalem beheimateten Familie, die sich seit 700 Jahren darauf spezialisiert hat, diese Kreuze zu tätowieren. Inzwischen kommen Christen aus aller Welt zu ihnen, um sich ihre Pilgerreise mit diesem Souvenir dokumentieren zu lassen.

Heute sind die Gründe für eine Tätowierung vielschichtig, sagte Campbell. Viele Tätowierungen erzählen von wichtigen persönlichen Ereignissen und werden im Laufe des Lebens ergänzt, erweitert und vervollständigt. „Der Körper ist die ultimative Instanz der Selbstvergewisserung im 21. Jahrhundert“, sagte der Referent. „Nicht nur offensichtliche Motive, wie Rosenkränze, Madonnen oder Kreuze können Ausdruck von Religiosität sein; der Akt des Tätowierens selbst, die radikale Entscheidung für immer ein Zeichen auf der Haut zu tragen ist ein Verhalten mit religiösen Zügen. Die Suche nach einem unauslöschlichen Zeichen, das mich ausdrückt und das zu mir passt.“ Im Anschluss an den Vortrag hatten die Teilnehmer Gelegenheit Fragen zu stellen und mit dem Referenten und untereinander ins Gespräch zu kommen.

Das nächste Treffen des Evangelischen Männertreffpunkts in Westerburg am 11. Februar um 19:30 Uhr wird sich mit dem „Umgang mit rechten Parolen“ beschäftigen. Als Referent wird Matthias Blöser vom Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) im Diakonischen Werk, Hergenrother Straße 2a zu Gast sein. (shg)
 
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