WW-Kurier
Ihre Internetzeitung für den Westerwaldkreis
Nachricht vom 16.09.2019
Kultur
Auf dem Neumarkt aufgetankt und los geht`s
Angesichts des zunehmenden Verkehrs im Kreisel auf dem Hachenburger Neumarkt mutet die historische Fotografie eines einzelnen dort an einer Zapfsäule tankenden Automobils um 1930 befremdlich an. Wie lebte es sich in der „guten alten Zeit“? Wie sah das Hachenburger Stadtbild vor etwa 100 Jahren aus? Zwei von zahlreichen Fragen mit denen sich am Abend des 7. September ein Vortrag im Löwensaal des Vogtshofs befasste.
Tankstelle auf dem Neumarkt (um 1930). Foto:  Stadt-Archiv HachenburgHachenburg. Am Vorabend zu der bundesweiten Aktion „Tag des offenen Denkmals 2019“ lud die Stadt Hachenburg beziehungsweise das Stadtarchiv zu einer Vortragsveranstaltung zum Thema „Aufbruch ins 20. Jahrhundert – Historismus, Jugendstil und Heimatschutz im Westerwald“ ein.

Bis heute wird die historische Innenstadt Hachenburgs, die um 1880 angelegten Ringstraßen sowie der Neumarkt von Bauten geprägt, deren Architektur die Formensprache des Historismus beziehungsweise der Gründerzeit verrät. Aufwändig gestaltete mit reichem Bauschmuck versehene Fassaden (zum Beispiel die Villa Lang an der Abzweigung zur Nisterstraße) dokumentieren eindrucksvoll den Wohlstand des aufstrebenden Bürgertums in Hachenburg um 1900.

Bereits in den 1920er Jahren zog die seit 1882 an die Eisenbahnlinie angeschlossene, in der reizvollen Landschaft des Westerwaldes gelegene Kommune Touristen an. Quartier boten nicht nur die Gastronomiebetriebe innerhalb der Stadt, sondern auch in den umliegenden Ortschaften der Kroppacher Schweiz, wie das 2017 abgebrochene Hotel Müller in Kroppach [Kroppacher Türmchen] oder das Gasthaus Weyer in Oberhattert. Das Hotel Friedrich sowie andere Häuser wiesen eigene Tanzsäle und Kegelbahnen auf. Auf die bereits in Wilhelminischer Zeit bestehende Krise auf dem Wohnungsmarkt (Wohnungsmangel) reagierte man ab den 1920er Jahren mit umfangreichen städtebaulichen Maßnahmen, die vor allem die Architektur des Heimatschutzes favorisierten. In Abkehr von den schmuckreichen Fassaden des Historismus und des Jugendstils entstanden zahlreiche zumeist schlichte zweigeschossige Wohnbauten.

Den Abschluss des Vortrags bildeten Ausführungen zu den zum Teil schmerzlichen Verlusten an Bauten der Gründerzeit in Hachenburg und Umgebung (zum Beispiel Villa Pickel 1975; Tanzsaal des Hotel Friedrich 2014 und anderen). Bauliche Zeugnisse der zu Beginn des 20. Jahrhunderts florierenden Heimatschutzarchitektur finden sich auch im Umland von Hachenburg, wie zum Beispiel die sich in einem beklagenswerten Zustand befindliche alte Schule in Atzelgift (1922) oder die den gleichen Bautyp repräsentierende als privates Wohnhaus genutzte Schule in Oberhattert.

Resümierend bleibt festzuhalten, dass der Vortrag mehr bot als einen nostalgischen Spaziergang durch das alte Hachenburg. Mahnend verwies der Referent auf die Gefährdung der überlieferten Bausubstanz durch Leerstand und fehlende Nutzung. (Dr. Jens Friedhoff; Stadtarchiv Hachenburg; Perlengasse 2; D-57627 Hachenburg; j.friedhoff@stadtarchiv-hachenburg.de)
 
Nachricht vom 16.09.2019 www.ww-kurier.de