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Nachricht vom 31.03.2017
Wirtschaft
Duale Ausbildung: Was unternehmen gegen sinkende Bewerberzahlen?
Betrieben bereitet es immer größere Probleme, qualifizierte Bewerber für die duale Ausbildung zu finden. Wie reagiert der größte deutsche Hersteller von Lichtbogen-Schweißtechnik, die Mündersbacher EWM AG, auf diese Entwicklung? Ein Gespräch mit der Aufsichtsratsvorsitzenden sowie der Personalvorständin über eigene Erfahrungen, die Karrierechancen für Auszubildende und die Verantwortung des Schulsystems.
Kurier: Frau Szczesny-Oßing, Sie sind Geschäftsführende Gesellschafterin der EWM Industry GmbH und Aufsichtsratsvorsitzende der EWM AG. Welche Erfahrung hat Ihr Unternehmen mit der Anwerbung von qualifizierten Auszubildenden gemacht?

Susanne Szczesny-Oßing: Unsere Erfahrungen zeigen: Das Qualifikationsniveau ist deutlich nach unten gegangen. Selbstverständlich führen wir Einstellungstests durch – die allerdings nur einen kleinen Beitrag zum Erkenntnisgewinn liefern, wie junge Menschen aufgestellt sind. Im gewerblich-technischen wie im kaufmännischen Bereich müssten wir eigentlich für unsere Auszubildenden zu einer Grundausbildung kommen. Im gewerblich-technischen Bereich scheint es kaum noch junge Menschen zu geben, die mit ihren Eltern basteln oder heimwerken oder praktische Tätigkeiten verrichten. Oft können viele von ihnen weder messen noch bohren, fräsen oder Ähnliches.

Wir wollen hier nicht alle über einen Kamm scheren, doch das Niveau ist in der Breite deutlich gesunken, insbesondere das der praktischen Fähigkeiten. Sowohl bei den gewerblich-technischen Fertigkeiten als auch im kaufmännischen Bereich sind oft Defizite erkennbar, wenn es ums Rechnen oder die Rechtschreibung geht. Früher waren gute Schulnoten in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern noch ein verlässliches Indiz im gewerblich-technischen Bereich. Die Personalabteilung konnte dann davon ausgehen, dass solche Bewerber eine Ausbildung bei uns gut schaffen werden.

Innerbetrieblicher Unterricht oder zum Beispiel Vorbereitungskurse der IHK waren damals noch ausreichend, um die wichtigsten Grundlagen aufzufrischen. Heute ist dies nicht mehr grundsätzlich so.


Wie hat EWM auf diese Entwicklung bisher reagiert, um qualifizierte Bewerber anzulocken?

Angelika Szczesny-Kluge (EWM AG, Vorstand Personal): Wir haben zum Beispiel Partnerschaften mit verschiedenen Schulen ins Leben gerufen, was sich bewährt hat. Die Schüler können sich dann unser Unternehmen im Rahmen eines Tags der offenen Tür einmal direkt ansehen. Das Interesse daran ist immer sehr groß. Darüber hinaus bieten wir auch Praxistage an, bei denen Schüler im Betrieb schweißen oder an der Werkbank arbeiten können.

Ebenso sind wir auf Ausbildungsmessen vertreten, und auch da können sich Schülerinnen und Schüler an unserem Stand praktisch erproben. Ein Angebot, das die jungen Menschen sehr gerne wahrnehmen – und das uns gleichzeitig einen Eindruck über die Fähigkeiten potenzieller Bewerber vermitteln kann.

Darüber hinaus bieten wir diverse Praktika in unserem Haus an – genauso wie die Begleitung von Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten. Ausführliche Informationen geben wir in unserer Ausbildungsbroschüre, und unser Karriereportal im Internet wird ständig aktualisiert.

Susanne Szczesny-Oßing: Unserer Meinung nach besteht ein wichtiger weiterer Aspekt in der Außendarstellung der Betriebe. Wir glauben, es kann hochattraktiv sein, im Westerwald zu leben und zu arbeiten. Das wird uns auch immer wieder von unseren Bewerbern bestätigt.

Warum aber denken viele Menschen das Gegenteil? Weil zu wenige Firmen sich nach außen positiv genug darstellen. Man glaubt noch, dass auf einen Ausbildungsplatz 50 Bewerbungen plus X kommen. Mittlerweile macht sich jedoch die kleiner werdende Anzahl von Schülern und daraus resultierend ein Fachkräftemangel bemerkbar. Je besser sich ein Unternehmen darstellt, desto mehr Bewerbungen kann es erwarten.

Noch nie gab es so viele Wege, das Abitur abzulegen und damit das Recht auf ein Studium zu erlangen. Geht diese Entwicklung in die falsche Richtung?


Susanne Szczesny-Oßing: In der Schullandschaft sehen wir ein Problem in der versuchten „Gleichmacherei“ der verschiedenen Schulformen. Wenn alle Schüler bis zum Abitur „durchgeschleppt“ werden, entwertet das diesen Abschluss. Wenn man das Wort „Elite“ nicht mehr in den Mund nehmen darf, dann werden wir Schiffbruch erleiden. Auch die IHK betont deshalb immer wieder den Stellenwert der beruflichen Bildung.

Es müssen sich nicht alle Schüler durch eine schulische Laufbahn quälen, die nach unten hin durchnivelliert wird. Schulabgängern sollte vermittelt werden, welch hohen Stellenwert eine berufliche Ausbildung hat und wie viele Chancen es zur Weiterqualifizierung gibt. Es braucht nicht jeder einen Doktortitel und einen Universitätsabschluss für den beruflichen Aufstieg – im Gegenteil. Die Karriereperspektiven, die eine duale Berufsausbildung bietet, waren vielleicht noch nie so gut wie heute.

Gleichzeitig werden duale Studiengänge bei Schulabgängern immer beliebter. Welchen Mehrwert sehen Sie in dieser Möglichkeit, eine Ausbildung mit einem Studium zu verbinden?


Susanne Szczesny-Oßing: Wir bieten auch duale Studiengänge an. Das ist aufgrund des Praxisbezugs ausgesprochen attraktiv, sowohl für uns als Arbeitergeber als auch für die jungen Leute. Neben einem rein universitären oder einem Fachhochschulstudium kann das duale Studium eine sehr attraktive Alternative sein. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich die jungen Menschen viel stärker mit dem Unternehmen identifizieren und viel früher praktisch einsetzbar sind. Ich selbst habe von einem dualen Studium nur profitiert.



Unternehmensprofil:

Die EWM AG ist der größte deutsche Hersteller und weltweit einer der bedeutendsten Anbieter von Lichtbogen-Schweißtechnik. Dank zahlreicher hochinnovativer Entwicklungen und einem Komplettangebot an Produkten und Dienstleistungen gilt das Unternehmen als einer der wesentlichen Technologietreiber. Das Leitmotiv „We are Welding“ ist der umfassende Anspruch und zusammen mit dem Grundsatz „BlueEvolution“ die Basis für effiziente Lösungen. Die Kunden sparen durch die energiereduzierten Schweißprozesse erhebliche Kosten ein und steigern so ihre Wettbewerbsfähigkeit. EWM bietet ein vollständiges Systemangebot rund um das Schweißen, das auch die Innovations- und Technologieberatung „ewm maXsolution“ sowie umfangreichen Service umfasst. Der Kunde hat damit einen einzigen Ansprechpartner, der die technologische Verantwortung für seinen gesamten Schweißprozess übernimmt. Rund 600 Mitarbeiter an zwölf deutschen und sieben internationalen Standorten und Werken sowie weltweit mehr als 400 Vertriebs- und Servicestützpunkte sorgen für eine flächendeckende Präsenz von EWM.
Quelle: www.ewm-group.com




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