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Nachricht vom 26.02.2017
Politik
Flexibel, fähig, feminin – Frauen in die Bundeswehr
Frauen werden in der Bundeswehr noch immer benachteiligt und unterschiedliche Maßstäbe bei der Bewertung ihrer Leistungen sowie Perspektiven angelegt. Um einen höheren Anteil von Frauen in allen Bereichen zu erreichen, sind gezielte Maßnahmen nötig. Gerade auch die männlichen Kollegen und Vorgesetzten müssen darin einbezogen werden.
Konferenz: Frauen in der Bundeswehr – Chancen und Perspektiven. Fotos: privat Wirges. Auf einer Konferenz der SPD-Fraktion unter Leitung der beiden Bundestagsabgeordneten Gabi Weber und Heide Henn diskutierten rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Thema „Frauen in der Bundeswehr – Chancen und Perspektiven“. Neben Gleichstellungsbeauftragten aus verschiedenen Abteilungen im militärischen und zivilen Bereich der Bundeswehr nahmen an dieser Konferenz auch Mitglieder der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Vertreter des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), darunter auch Staatssekretär Gerd Hoofe, sowie Repräsentantinnen Israels, Schwedens und Norwegens teil.

Im ersten Teil der Konferenz lag der Schwerpunkt auf der Situation von Frauen in der Bundeswehr. Zunächst berichtete der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels über die Situation im Allgemeinen, die sich zwar seit der Öffnung der Bundeswehr für Frauen im Jahr 2001 über die Zeit verbessert habe, aber noch immer schwierig sei. Mit nicht einmal 15 Prozent seien Frauen deutlich unterrepräsentiert, obwohl die Bundeswehr, auch gemäß ihres Selbstverständnisses als Armee aus „Staatsbürgern in Uniform“, ein Spiegel der Gesellschaft sein solle.

Die Vortragenden verwiesen als Ergebnis auf den Gleichstellungsindex für die obersten Bundesbehörden des Jahres 2016, wonach weibliche Beschäftige vor allem im Höheren Dienst im BMVg „deutlich unterrepräsentiert“ seien. Auch die Berichte der Teilnehmenden in der anschließenden Diskussion zeigten deutlich, dass Diskriminierung von Frauen in der Bundeswehr ein alltägliches Problem ist.

Der Austausch mit Vertreterinnen anderer Staaten im zweiten Teil der Konferenz war für die Teilnehmenden sehr aufschlussreich, da hier unterschiedliche Lösungen zur besseren Integration und Gleichstellung von Frauen im Militär aufgezeigt wurden.

Die Organisatorinnen Gabi Weber und Heide Henn, aber auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich mit den Ergebnissen der Konferenz außerordentlich zufrieden: Der Austausch von Erfahrungen untereinander sowie mit den Vertreterinnen von Partnerländern sei nicht nur aufschlussreich, sondern überaus konstruktiv gewesen und lege damit ein solides Fundament für weitere Konferenzen und die Sensibilisierung für das Thema in Politik und Verwaltung.

Gabi Weber, Bundestagsabgeordnete aus Wirges und stellvertretende verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, und Heidtrud Henn, Bundestagsabgeordnete aus Homburg/Saarland und Mitglied im Verteidigungsausschuss, kommentieren die Empfehlungen des Personalboards des BMVg sowie das Verhalten gegenüber Frauen in der Bundeswehr: Um die Empfehlungen des Personalboards zu erfüllen, muss eine zeitgemäße Bundeswehr endlich auch Frauen in allen militärischen und zivilen Bereichen wollen und akzeptieren.

Die Bundeswehr muss sich stärker für Frauen öffnen. Das beginnt bei der Vermittlung von Kenntnissen an die Führungskräfte und geht weiter zum Ansatz, wie sich die Streitkräfte präsentieren und sowohl um bestehendes wie um neues Personal bemühen.

Frauen sind im höheren militärischen Bereich der Bundeswehr – selbst im Sanitätsdienst – kaum vertreten und insgesamt mit einem Anteil von 15 Prozent deutlich unterrepräsentiert. Auch bei Führungspositionen im zivilen Bereich ist die Situation ähnlich, obwohl hier nie Einschränkungen für Frauen bestanden haben. Nach dem Gleichstellungsindex in den obersten Bundesbehörden liegt der Frauenanteil an allen Leitungsfunktionen im BMVg bei lediglich 25,2 Prozent.

„Für einen lösungsorientierten Ansatz halten wir, Zielvorgaben für den Anteil von Frauen auf höheren Dienstposten festzulegen. Dazu notwendig sind allerdings Vorgaben für die übrigen Bereiche, da es sonst nie einen Pool geben wird, aus dem die höheren Posten besetzt werden können.“

Die SPD-Bundestagsfraktion befasst sich seit einiger Zeit mit der Situation von Frauen und wie sie verbessert werden kann. Das fängt bei eigentlich selbstverständlichen Dingen wie Kinderbetreuung an und geht hinein bis in die tatsächliche Beurteilungs- und Bewertungspraxis.

Daher ist vor dem Hintergrund einer realistischen Personalplanung aktive Frauenförderung ein wichtiges Thema für die Zukunft der Bundeswehr. Entscheidende Anteile liegen bei der Kompetenz von Beurteilern und Beurteilungskriterien, die eng mit einem oft althergebrachten Familienbild sowie generell der Verbindung von Familie und Beruf verknüpft sind. Daraus leitet sich der Komplex einer allgemeinen Willkommenskultur für Frauen ab, für den die Bundeswehr noch viel leisten kann, gerade in den sog. MINT-Berufen, im IT-Bereich sowie im Vergleich zu anderen Ländern.

Unverständlicherweise spielt bei Beurteilungen die Anwesenheit am Arbeitsplatz eine größere Rolle als die tatsächlich geleistete Arbeit. Da Frauen häufiger in Teilzeit gehen oder von zu Hause aus arbeiten, um sich um die Familie zu kümmern, haben sie bei Beförderungen trotz gleicher oder sogar besserer Leistung regelmäßig das Nachsehen.

Enttäuschend, aber nicht überraschend ist, dass Diskriminierung von Frauen in der Bundeswehr ein alltägliches Problem darstellt. Statt ihnen wie den Männern einen Dienst auch in Kampfeinheiten zuzutrauen, erfolgt in den Karrierezentren der Bundeswehr oft eine auf administrative Tätigkeit zielende und daher frustrierende Beratung.

Die Ministerin sollte Gleichstellung von Frauen daher nicht nur verbal fördern. Sie muss entsprechende strukturelle Änderungen tatsächlich vorantreiben und institutionalisieren. Eine bloße Festlegung von Zahlen reicht nicht. Andere Länder sind entsprechend weiter. In Israel leisten Frauen seit der Gründung des Militärs überwiegend den gleichen Dienst wie Männer. In Norwegen hat sich das Militär zu einem attraktiven Arbeitgeber entwickelt, der Frauen ausdrücklich willkommen heißt und sie nicht als notwendiges Übel betrachtet. Und Schweden plant mit der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht eine Steigerung des Frauenanteils von derzeit 10 auf 30 Prozent.

Hintergrund: Eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium der Verteidigung hat der Ministerin Empfehlungen an die Hand gegeben, die Zahl des militärischen wie zivilen Personals in den kommenden Jahren zu erhöhen. Bis 2024 soll es 198.000 Stellen für Soldatinnen und Soldaten sowie 61.400 zivile Dienstposten geben. (PM Gabi Weber)
 
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