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Nachricht vom 02.11.2016
Vereine
Sautrupp füttert Berschder Wutzje gorzegern
Da staunten die Urgesteine am Tresen der Dorfschänke nicht schlecht. Die Herren, die da am samstagsabends den Weg in ihr Heilberscheider Stammlokal gefunden hatten, waren nicht nur älter als sie, sondern auch trinkfester. Ein Tablett nach dem anderen, prall gefüllt mit goldgelbem Kaltgebräu aus dem Westerwald, wanderte an den Tisch mit den Männern in Weiß und Grau.
Herrengedeck eines 88-Jährigen: Edmund freut sich, dass es zwischen Schnaps und Bier auch noch Schoko-Mousse gibt. Fotos: privatHeilberscheid. Es waren jedoch nicht nur die Gaumenfreude und der Biergenuss, die den Stammtisch Sautrupp aus Westerburg ins 23 Kilometer entfernte Heilberscheid lockten. Der dortige Stammtisch Gor ze gern hatte zum Gegenbesuch eingeladen. Bereits im April hatte man sich im Westerburger Hotel „Zum Adler“ beim Ehrensautruppenmitglied Drago Balic fröhlich zum geistigen Austausch getroffen; ein Zusammentreffen, das bei Weitem nicht ausreichte, um die Erfahrungen und Anekdoten aus 90 Jahren ungleich verteilter Stammtischgeschichte auszutauschen. Die historische Diskrepanz – der Sautrupp besteht seit nunmehr über 63 Jahren, Gor ze gern seit nicht mal 17 – schlägt sich zwar auch im Durchschnittsalter (Ü80 versus U40) der Männergruppen nieder, nicht aber in den Interessen. Schankwirt Muhammet Aslanoglu, die Tresen-Urgesteine und andere Zuhörer merkten schnell, dass da zwei Stammtische auf derselben Wellenlänge unterwegs waren. So wurde auch an diesem Abend wieder viel erzählt, viel gelernt und viel gelacht.

Dass die wohlgelaunten Altherren aus dem Oberen Westerwald dabei immer noch einen draufsetzen konnten, wenn die (nicht mehr ganz so) jungen Heilberscheider aus dem Bierkästchen plauderten, tat der prächtigen Stimmung keinen Abbruch. So ist das eben unter Stammtischfreunden.

Ließen die Männer in den 15 Jahre alten weißen Hemden den diesjährigen Stammtischausflug nach Paris Revue passieren, erzählten die Herren mit den 80 Jahre alten grauen Schläfen von ihrer Schiffsreise nach Oslo. Glänzte ein Gor ze gern - Mitglied mit einer Story aus Staat, Sport oder Sterneküche, so kam aus irgendeiner Ecke immer noch ein Sautruppler daher, der eine „Schweinerei“ dazu beitragen konnte.

Ganz besonders freute sich über den schweinischen Besuch eines ganzen Trupps an Säuen das einzige Wutzje auf Seiten von Gor ze gern. Dessen blaues Sparschwein heißt Margot und wird am Ende jedes Stammtischjahres während der Jahreshauptversammlung geschlachtet. Beim Sautrupp ist hingegen sogar der Name des Stammtischs auf das Sparschwein zurückzuführen. „Mit früheren jugendlichen Verfehlungen bestimmter Art hat das nichts zu tun!“ legt Wortakrobat und Cheflaudator Dieter Dünnes Wert auf die korrekte Deutung. Beim jetzigen Treffen hielt er sich mit offiziellen großen Worten aber dezent zurück. Schließlich war auch die Begrüßungsrede seines Gegenübers kurz ausgefallen. Der aktuelle Obmann von Gor ze gern, Prof. Schaarschmidt, begrüßte die Westerburger rasch, aber herzlich im Dorf mit der Madonnenfigur im Orts- und der Linde im Stammtischwappen. Alsdann ging es zügig zum gemütlichen Teil über.

Hans-Jürgen, seines Zeichens „Krakeeler des Jahres“, hatte sich als „Fahrer des Tages“ zur Verfügung gestellt und übte sich, verglichen mit der Begegnung im April, in gewisser Zurückhaltung. So wird es sicher schwierig werden, seinen Krakeeltitel am Fest der unschuldigen Kinder, der Jahreshauptversammlung des Sautrupps zu verteidigen. An seiner Statt unterhielten diesmal Gerd-Udo, Helmut und der fidele 88-Jährige Edmund die Burschen von Gor ze gern dezent, aber köstlich mit prächtig ausgeschmückten Geschichten und Erfahrungen. Ein Sautruppenmitglied berichtete lachend von seinem letzten Arztbesuch: „Der gibt mir noch einige Jahre – bis ich 100 bin!“ Bis dahin wird der Westerburger Stammtisch aber sicher noch das ein oder andere Jubiläum feiern. Denn der Lack ist noch lange nicht ab – ganz im Gegenteil zur Lage bei Margot XVI. Für sie wird es höchste Zeit, dass sie unter den Hammer kommt.

Höchste Zeit nach Hause zu kehren, verspürte am vergangenen Samstag keiner der Anwesenden. Es war fast Mitternacht als das ungewöhnliche Stammtischtreffen endete. Natürlich nicht ohne sich gegenseitig das Versprechen eines Wiedersehens abzunehmen. Dieter Dünnes deutete unmissverständlich an, dass das im Jahr 2018 anstehende 65-jährige Bestehen des Sautrupps ordentlich zu feiern sei – und feiern sollte man können als Stammtischmitglied.

Ob denn das sonntägliche Treffen des Sautrupps an diesem Wochenende ausfiele, wollte ein Gor ze gern - Mitglied von Gerd-Udo wissen. Die Antwort hätte er sich denken können: „Nein. Natürlich nicht.“ Sonntag für Sonntag, jede Woche geht es zum Stammtisch. Dennoch: Eine ausführliche Statistik über alle Treffen seit 1953 fehlt. Da hatte man nun doch noch eine Sache gefunden, mit der der Nachwuchsstammtisch auftrumpfen konnte. Gor ze gern - Schriftführer Stefan Gilges verwies auf die akribisch geführte Stammtischchronik. Just am Samstag zelebrierte man den 200. Stammtisch, insgesamt war es das 532. Treffen.

Über einen Schnitt von 33 Zusammenkünften pro Jahr konnten die Sautrupp-Herren natürlich nur lachen. Gemeinsam ermittelte man, dass in 63 Jahren wohl etwa 3.250 Treffen stattgefunden haben müssen. Als dann per hopfenhaltiger Hochrechnung auch noch der Pro-Kopf-Bierkonsum analysiert wurde, stellte die gesellige Runde mit nahezu zweifelsfreier Unsicherheit fest, dass jedes Sautrupp-Gründungsmitglied wohl schon an die 100 Hektoliter Pils in stammtischlicher Glückseligkeit verzehrt haben dürfte. Welch ein gelungener Abend!

Als am Ende Ruhe einkehrte in der Dorfschänke, saß der Sautrupp wieder glücklich im Bus des Krakeelers. Der Inventarbeauftrage von Gor ze gern sammelte das Hab und Gut des Stammtischs ein, sein Schatzmeister beglich die Rechnung an der Theke. Dort staunten neben ihm die anderen Kneipenbesucher immer noch. Über ein generationenübergreifendes Fest. Über ungezwungene Gespräche. Über eine überwältigende Atmosphäre. In diesen Moment der Stille sagte der Jüngste vom Stammtisch Gor ze gern „Das war sicher nicht das letzte Treffen mit dem Sautrupp.“ und keiner widersprach.
       
 
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