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Nachricht vom 11.11.2015
Region
AfA Stegskopf: Langer Atem wird nötig sein
Die Verbandsgemeinde Herdorf-Daaden reagiert auf den öffentlichen Besichtigungstermin im Aufnahmelager für Asylbegehrende (AfA) Stegskopf und die Ehrenamtlichen-Initiative mit Zustimmung, aber auch erneuter Überforderungswarnung. Ausführlich wird in der Pressemitteilung dargelegt, das die geplante Zahl von 3000 Menschen auf dem Stegskopf nicht akzeptiert wird. Bürgermeister Wolfgang Schneider weist darauf hin, das der VG-Rat eine eigenständige Meinung hat und sich das Recht der eigenen Entscheidung vorbehält. Die Ortsgemeinde Emmerzhausen hat bereits anwaltliche Hilfe geholt.
Symbolfoto: AK-KurierDaaden. In dieser Woche haben zwei wichtige Ereignisse im Zusammenhang mit der AfA Stegskopf zu Recht ein breites Medienecho erfahren: Die Besichtigung der Aufnahmeeinrichtung durch zwei Ministerinnen der Landesregierung, verschiedene
Landtagsabgeordnete sowie hohe Behördenvertreter einerseits und die
Ehrenamtlichenbörse der Flüchtlingshilfe Heller-Daadetal mit ihrer überwältigenden
Resonanz andererseits.

Vor allem die Ehrenamtlichenbörse macht durch die große Zahl der Teilnehmer, das breit
besetzte Angebotsfeld und die Intensität des Engagements, aber auch die professionelle
Begleitung bis hin zum gelungenen Internetauftritt der Initiative die große Einsatz- und
Hilfsbereitschaft der ganzen Region, insbesondere aber des Daadetals deutlich. Dem
gebührt Lob, Anerkennung und Unterstützung. Dabei darf auch nicht vergessen werden, mit
welchem Fleiß und zeitlichem Aufwand die ehren- und hauptamtlichen Helfer des Deutschen
Roten Kreuzes jetzt schon seit einigen Wochen ihre Aufgaben in der Einrichtung
wahrnehmen. Die Begeisterung und die Freude an dieser Arbeit werden belohnt durch die
positiven Reaktionen der Flüchtlinge auf die entsprechenden Hilfsangebote.

Dieses von Empathie getragene Engagement wird für viele Monate, wahrscheinlich Jahre
notwendig sein, weil ein Ende des Zustroms nicht in Sicht ist. Die Erstaufnahmeeinrichtung
wird für lange Zeit in Betrieb bleiben und Flüchtlingen und Asylbewerbern Zuflucht bieten
müssen. Das dazu notwendige Engagement kann aber nur dann von Dauer sein, wenn eine
Überforderung vermieden wird. Diese Überforderung sieht der Verbandsgemeinderat
Herdorf-Daaden, aber auch die benachbarten Verbandsgemeinden Rennerod, Bad
Marienberg und die Gemeinde Burbach bei einer Größenordnung von mehr als 1.500
Personen in der AfA. Auch der Gesamtkoordinator der Ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe
Heller-Daadetal, Kreisbeigeordneter Günter Knautz hält die Einhaltung einer
Belegungsobergrenze von 1.500 Personen für dringend geboten.

Bleibt man innerhalb des Rahmens von etwa 1.500 Personen, kann das angestrebte soziale
Angebot in den vorhandenen Gebäuden realisiert werden, das Platzangebot für die
Flüchtlinge ist für eine familiengerechte und situationsangepasste Unterbringung
ausreichend groß und es bleibt Platz für Aktivitäten. Eine wesentlich über diese
Größenordnung hinaus gehende Belegung kann nur durch den Bau einer Zelt- oder
Containerstadt und erhebliche zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur verwirklicht
werden. Dies führt zu einer hohen Verdichtung.

Es ist doch mehr als naheliegend, dass damit die Gefahr von Frustrationen, Konflikten und
Aggressionen steigt. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welcher Nationalität oder
Religion die Bewohner angehören, diese Folgen sind einfach der hohen Personenzahl auf
der Fläche geschuldet. Im Fall dieser AfA kommt – anders als bei anderen Standorten -
erschwerend hinzu, dass die großartige natürliche Umgebung des Stegskopfes den
Bewohnern überhaupt nicht zur Verfügung steht. Das Betretungsverbot gilt bisher
uneingeschränkt außer für die Zufahrtsstraßen und den Lagerbereich. Selbst wenn die
beiden Platzrandstraßen im Dezember freigegeben werden, ist das für 3.000 Menschen
keine Alternative, wer geht schon gerne jeden Tag viele Stunden auf jeweils einer der beiden Straßen auf und ab?

Dem stellen die Vertreter des Landes unverändert die Forderung nach einer Belegung mit
bis zu 3.000 Personen gegenüber. Zuletzt in der Pressekonferenz am Montag hat der
Vertreter des Landes erneut diese Absicht bekräftigt. Aber selbst der vom Land – ohne
Absprache mit Orts- und Verbandsgemeinde – bestellte Gutachter sagt zutreffend, dass in
der Kürze der bis Mitte Dezember verbleibenden Zeit keine wissenschaftlich fundierten
Ergebnisse erarbeitet werden können, sondern allenfalls Einschätzungen möglich sind. Für
diese Einschätzung braucht es aber keinen wahrscheinlich gut dotierten Gutachter, sondern
es genügt, die Betroffenen in den umliegenden Gemeinden in den Verbandsgemeinden
Herdorf-Daaden, Rennerod und Bad Marienberg zu hören.

Seine Sorgen im Hinblick auf die Überforderung von Region und Ehrenamt hat Bürgermeister Wolfgang Schneider bereits am 16. Oktober – mit dem VG-Ratsbeschluss vom Vortag im Rücken – in einem sehr persönlichen Schreiben an Integrationsministerin Irene Alt formuliert und auch Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler informiert. Er hat darum gebeten, von dem Formelkompromiss und der Maximalforderung abzurücken. Dabei wurde auch ausdrücklich dargelegt, dass der Verbandsgemeinderat sich bei der Verträglichkeitsprüfung nicht auf die Einschätzung eines Gutachters des Landes verlassen wird, sondern sich eine eigenständige Entscheidung vorbehält. Leider hat die zuständige Ministerin bis heute in keiner Weise auf das Schreiben reagiert. Im Gegenteil: Sie lässt ihren Mitarbeiter weiterhin öffentlich die kompromisslose Haltung des Landes verkünden.

Da ist es zu verstehen, dass die Ortsgemeinde Emmerzhausen inzwischen unter Kritik an
der baurechtswidrigen Nutzung der AfA Stegskopf ihre Zustimmung zu der Einrichtung
verweigert und anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Die Ablehnung als
„deklamatorisch“ zu bewerten zeigt, wie das Land die kommunale Ebene jedenfalls nicht
einschätzt: Als Gesprächspartner auf Augenhöhe.

Zum Abschluss ein Zitat aus dem Brief des Bürgermeisters von Mitte Oktober:
„Sehr verehrte Frau Staatsministerin, wir alle werden einen langen Atem brauchen und
unsere Kräfte einteilen müssen, als Marathonläufer weiß ich, wovon ich rede. Überfordern
Sie uns im nördlichsten Teil von Rheinland-Pfalz nicht. Ich kann mir gut vorstellen, wie
verlockend das reine Flächenangebot auf dem Stegskopf angesichts ihrer Unterbringungsnot
ist. Aber die Nutzung der Fläche mit einer zu hohen Personenzahl wäre eine sehr kurzfristige Lösung, der langfristig erhebliche Nachteile gegenüber stehen.

Deshalb appelliere ich mit aller mir zu Gebote stehenden Überzeugungskraft: Belegen Sie
die AfA Stegskopf nur mit einer Personenzahl in der Größenordnung 1.500 Menschen,
lassen Sie uns einige Monate Zeit und dann überprüfen wir gemeinsam, ob eine weitere
Erhöhung sinnvoll und richtig ist. Schaffen Sie keine Fakten, die dem Unmut noch mehr
Vorschub leisten würden. Lassen Sie es im Interesse der Flüchtlinge, der ehrenamtlichen
und hauptberuflichen Helfer, der Bevölkerung hier vor Ort, aber nicht zuletzt auch im
Interesse unseres Gemeinwesens insgesamt nicht zu, dass ein Keil zwischen das Land und
die kommunale Ebene getrieben wird.“ (Soweit die Pressemitteilung aus dem Rathaus Daaden)
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