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Nachricht vom 28.10.2015
Wirtschaft
Junge Menschen für betriebliche Ausbildung begeistern
Agentur für Arbeit Montabaur und Kammern ziehen die Bilanz des Ausbildungsjahres 2014/15 – Herausforderungen gemeinsam angehen und Zukunft sichern. Markt ist zum Bewerbermarkt geworden. Großer Drang der Schulabgänger an die Hochschulen bereitet Betrieben Probleme.
Logo Arbeitsamt.Montabaur. Ausbildung schafft Fachkräfte und sichert Zukunft. Darin sind sich die Partner am Arbeitsmarkt in der Region einig. Sie kennen die wachsenden Herausforderungen und wissen: Nur mit vereinten Kräften gelingt es, mehr junge Menschen für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen, damit Unternehmen aus den eigenen Reihen qualifiziertes Personal heranziehen können. Jetzt gab es eine gemeinsame Pressekonferenz der Agentur für Arbeit Montabaur, der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer zur Bilanz des Ausbildungsjahres 2014/15.

Madeleine Seidel, Leiterin der Agentur für Arbeit Montabaur, präsentierte die wichtigsten Zahlen aus ihrem Bezirk, der die beiden Landkreise Westerwald und Rhein-Lahn umfasst. Das Ausbildungsjahr hat seine eigene Taktung und dauert jeweils vom 1. Oktober bis zum 30. September. In diesen zwölf Monaten meldeten sich 2014/15 bei der Arbeitsagentur 2.466 junge Menschen mit dem Wunsch, eine Ausbildung zu absolvieren; das sind 146 weniger als im Jahr zuvor. Zeitgleich meldeten die Betriebe 1.727 Ausbildungsstellen; hier ist ein Plus von 172 zu verzeichnen. Am Stichtag 30. September kamen 37 unversorgte Bewerber (28 weniger als 2013/14) auf 122 unbesetzte Lehrstellen (20 mehr als 2013/14). Rein rechnerisch blieben also mehr als 3 Stellen für jeden Jugendlichen, der bis dahin noch auf der Suche war.

„Diese Zahlen spiegeln auch deutlich den demografischen Wandel wider“, sagt Seidel. „Die Schulentlasszahlen sind in den vergangenen Jahren gesunken. Hinzu kommt ein verstärktes Interesse an einem weiterführenden Schulbesuch oder einem Studium. Auf der anderen Seite stehen die Betriebe: Ihre Ausbildungsbereitschaft ist hoch, aber es ist oft schwierig, geeignete Azubis zu finden. Der Markt ist zum Bewerbermarkt geworden.“

„Es ist erkennbar, dass sich der Ausbildungsmarkt endgültig gedreht hat“, beobachtet auch Dr. Holger Bentz, stellvertretender Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer Koblenz. „In den meisten Bereichen haben die Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten, alle ihre offenen Ausbildungsstellen zu besetzen. Das ist insbesondere in den ländlichen Regionen erkennbar und besorgniserregend. Es gibt zwar in einzelnen Berufen noch geringe positive Ausschläge, die reichen jedoch nicht für ein positives Gesamtergebnis.“ Tatsächlich bereite der große Drang der Schulabgänger an die Hochschulen den Betrieben mehr Probleme als die demografische Entwicklung: „In Rheinland-Pfalz entschließen sich inzwischen mehr als 50 Prozent der Abgänger für ein Studium, für eine duale Ausbildung nur rund 35 Prozent.“

Nachwuchssorgen drücken auch das Handwerk, das mit fast 2.000 Lehrlingen im Westerwald- und Rhein-Lahn-Kreis eine starke Säule der Fachkräftesicherung im nördlichen Rheinland-Pfalz ist. „Viele Betriebe suchen aktuell und in den kommenden Jahren Betriebsnachfolger, Führungs- und Fachkräfte“, weiß Bernd Hammes, Leiter des Geschäftsbereichs Berufsbildung bei der HwK Koblenz. Die Kammer-Experten und die Agenturleiterin sind sich einig: „In Zukunft werden vor allem beruflich qualifizierte Fachkräfte gebraucht. Wir müssen dringend wieder mehr junge Menschen für eine Ausbildung begeistern.“

Hammes und Dr. Bentz betonen die beinahe unbegrenzten Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, die eine klassische Lehre eröffne: „Dass Akademiker bessere Karrierechancen haben, ist schlicht ein Irrglaube, der sich leider in vielen Köpfen festgesetzt hat.“ Weiterer Vorteil einer Ausbildung: Statt Schulgeld oder Studiengeld zu zahlen, erhalten Azubis sofort eine Vergütung.

Die Agentur für Arbeit Montabaur bietet Jugendlichen umfassende Unterstützung – angefangen von der beruflichen Orientierung im Rahmen des Schulunterrichts über die individuelle Beratung bis hin zur Vermittlung von Ausbildungsstellen. Die Eltern als wichtigste Bezugspersonen werden gerne eingebunden.

Auf dem Weg von der Schule in den Beruf können etliche Stolpersteine liegen: Jugendliche fokussieren sich auf die immer gleichen „Traumberufe“, obwohl es in Deutschland mehr als 300 Ausbildungsberufe gibt. Im ländlichen Raum scheitert eine Ausbildung manchmal daran, dass ein 16-Jähriger nicht mit Bus oder Bahn zum Betrieb fahren kann. Ein Hauptproblem ist, dass die Bewerber nicht dem Stellenprofil entsprechen, also die Erwartungen des Arbeitgebers nicht erfüllen. Madeleine Seidel appelliert an die Betriebe, auch Jugendlichen eine Chance zu geben, die nicht die besten Zeugnisse mitbringen oder Handicaps haben: „Noten haben nur eine bedingte Aussagekraft. Manch schlechter Schüler blüht in der Praxis auf und entwickelt sich zum engagierten und fähigen Mitarbeiter. Es lohnt sich also, Zeit und Mühe zu investieren. Und auch hier kann die Agentur für Arbeit unterstützen, z.B. mit Einstiegsqualifizierung, ausbildungsbegleitenden Hilfen und seit diesem Jahr auch durch die assistierte Ausbildung.“







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