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Nachricht vom 31.03.2014
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Stolz und Vorurteil
Von Eva Klein
Franzosen sind die besten Liebhaber, Italiener immer klein, schlaue Menschen tragen eine Brille und homosexuelle Männer erkennt man daran, dass sie knappe Lederwesten zu rosa Jeans tragen. Vorurteile sind nicht immer so plakativ, wie die hier gezeigten Beispiele. Sie können auch diffiziler und vielschichtig sein, es bleiben trotzdem Vorurteile.
Schubladen gibt es viele, leider auch im Kopf. Foto: Eva KleinVorurteile sind bequem, denn schließlich ersparen sie einem das Nachdenken, das im Allgemeinen der Bildung einer eigenen Meinung vorangehen sollte. Warum die grauen Zellen unnötig belasten, wenn man sich doch einer vorgefertigten Meinung bedienen kann? Warum nach-denken, wenn nach-reden doch so viel einfacher ist?

Warum jemanden oder etwas kennenlernen, wenn irgendwann und irgendwo jemand anders das für einen übernommen hat?

Das tückische an Vorurteilen ist, dass sie nicht nur wahnsinnig bequem sind, sondern auch noch furchtbar schwer zu überwinden. „Es ist leichter ein Atom zu spalten, als ein Vorurteil“ - erkannte schon Albert Einstein.

Dabei sind Beurteilungen, die auf Stereotypen beruhen, nicht unbedingt immer schlecht, denn genau genommen brauchen wir solche Urteile, um uns im Leben zurecht zu finden. Der Mann im Maßanzug wird als seriös empfunden. Dem Mädchen mit Piercings an allen erdenklichen Körperstellen wird diese Seriosität oft aberkannt wird. Der Anzugträger könnte ein Heiratsschwindler sein und das Mädchen mit den Piercings erfolgreiche Unternehmerin mit mehreren Tatoostudios. Aber unser Gehirn liebt Schemata und – auch wenn es manchmal viele sind – Schubladen. Es braucht diese geradezu, denn ohne sie würden wir ständig von Null anfangen und so ist unser Denkapparat einfach nicht konzipiert.

Nun ist der Mann gewiss nicht im Anzug auf die Welt gekommen und gepiercte Menschen wissen für gewöhnlich, was sie da tun. Traurig wird es, wenn wir mit Vorurteilen und dem, was daraus entstehen kann, Menschen verletzen und diskriminieren. In großer Runde ist schnell das eine oder andere Wort zu viel gesagt und gehört. Selbst Schuld, warum muss sie oder er denn auch so reden, denken, handeln oder sein? Man wähnt sich im Recht, schließlich sind es ja nur Gedanken, nur Worte. Nur?

Manchmal, im stillen Kämmerlein, schleicht sich dann doch beim einen oder anderen ein schlechtes Gewissen in die Gedanken. Besonders, wenn man – wie so oft – sich zu sehr von der Masse hat mitziehen lassen und eigentlich... ja eigentlich ganz anders denkt und es eigentlich auch besser weiß, aber … wie schon eingangs beschrieben – es ist halt einfacher.

In ein paar Wochen ist Ostern – das höchste christliche Fest, eingeführt zum Gedenken an den Tod und die Auferstehung Jesu. Ein brutaler Tod war das, Folter und Kreuzigung, körperliche Qualen. Auch Jesus war ein Opfer des Unverstands, der Vorurteile gegenüber etwas, dass so viel größer und reiner war, als das Alte, das Bekannte. Doch eine Kreuzigung kann auch verbal erfolgen und sie kann auch tiefe Wunden reißen.

Das Gebot der Nächstenliebe ist das vielleicht wichtigste Erbe dieser Geschehnisse – unabhängig von Glaube und Konfession. Und es sollte moralischer Leitfaden eines jeden Handelns sein. In den Tagen vor Ostern fasten viele Menschen, um dieser Tage zu gedenken. Sie verzichten auf Süßes, auf Fleisch oder andere weltliche Genüsse, um der Entbehrungen Jesu Christi zu gedenken. Wie wäre es, einmal den geistigen Genüssen zu entsagen und Vorurteile zu fasten? Vielleicht fällt das sogar schwerer, als der Verzicht auf Schokolade. Aber dafür hilft es nicht nur gegen Übergewicht, sondern schafft Raum für Dinge, die weitaus wichtiger sind, als ein paar Kilo zu viel.
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