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Pressemitteilung vom 18.12.2025
Region
Kindeswohl im Fokus: 15. Netzwerkkonferenz thematisiert unterschätzte Folgen von Vernachlässigung
Über 400 Fachkräfte folgten der Einladung des Kreisjugendamtes zur Netzwerkkonferenz. Im Mittelpunkt stand die oftmals übersehene, aber schwerwiegende Problematik der Kindesvernachlässigung in ihren verschiedenen Formen.
Sie gestalteten das Programm der Netzwerkkonferenz (v.l.n.r.): Kristin Andree, Stephanie Schmitz, Udo Sturm und Birgit Köppe-Gaisendrees. (Foto: Kreisverwaltung / Carolin Faller)Westerwaldkreis. Bereits zum 15. Mal lud das Kreisjugendamt zur interdisziplinären Netzwerkkonferenz zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit ein. In diesem Jahr fand die Veranstaltung unter dem Titel "Wenn Fürsorge fehlt – die unterschätzten Folgen von Vernachlässigung" statt. Mit über 400 Anmeldungen verzeichnete die Konferenz eine Rekordbeteiligung.

Vernachlässigung: Eine häufig übersehene Gefahr
Als Hauptreferentin war Birgit Köppe-Gaisendrees zu Gast, ehemalige Leiterin der Ärztlichen Kinderschutzambulanz Bergisch Land. In ihrem Vortrag berichtete sie eindrucksvoll aus 33 Jahren Berufserfahrung. Sie hob hervor, dass Vernachlässigung eine der am häufigsten übersehenen Formen der Kindeswohlgefährdung sei.

Köppe-Gaisendrees unterteilte die Vernachlässigung in vier Unterformen: körperlich, emotional, kognitiv und erzieherisch. Besonders problematisch sei aus ihrer Sicht die emotionale Vernachlässigung, da sie häufig zu tiefgreifenden psychischen Folgen führe. Fehlen Geborgenheit, Anerkennung und eine liebevolle Kommunikation, könne dies das gesamte spätere Leben eines Kindes beeinflussen.

Emotionale Vernachlässigung mit weitreichenden Folgen
Ein zentrales Thema des Vortrags war die emotionale Entwicklung von Kindern. Köppe-Gaisendrees betonte die Wichtigkeit von verbaler Ansprache, Blickkontakt und emotionaler Zuwendung. Sie schilderte Fälle aus ihrer Praxis, etwa von Kindern, die aufgrund fehlender Fürsorge in einem späteren Alter ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung entwickelten und dadurch leichter Opfer sexueller Gewalt wurden.

Ein Beispiel war das einer Jugendlichen, die in der Ambulanz betreut wurde. Sie hatte bereits mit zahlreichen Männern Geschlechtsverkehr gehabt, sah darin jedoch kein Problem, da sie sich durch die erhaltene Aufmerksamkeit emotional bestätigt fühlte.

Kognitive und erzieherische Vernachlässigung im Alltag
Auch Beispiele für kognitive und erzieherische Vernachlässigung wurden thematisiert. So etwa die Geschichte einer Mutter, die ihr Baby regelmäßig mit einer Hand wickelte, während sie mit der anderen ihr Smartphone nutzte. Die fehlende Interaktion mit dem Kind könne langfristig die geistige Entwicklung beeinträchtigen.

Im Bereich der erzieherischen Vernachlässigung sprach Köppe-Gaisendrees über Eltern, die kaum Werte oder soziale Kompetenzen vermittelten. Diese Form könne dazu führen, dass Kinder später Schwierigkeiten haben, sich in gesellschaftliche Strukturen einzufügen.

Langfristige Auswirkungen erfordern frühzeitige Aufmerksamkeit
Zum Abschluss des Vortrags appellierte Köppe-Gaisendrees eindringlich an die Fachkräfte, alle Formen von Vernachlässigung stärker in den Blick zu nehmen. Da sich diese Formen oft schleichend entwickelten, sei eine frühzeitige Wahrnehmung und Begleitung durch Jugendhilfeeinrichtungen entscheidend.

Sie wies darauf hin, dass auch Vernachlässigung zu schwerwiegenden psychischen und physischen Schäden führen könne – bis hin zu Traumatisierungen oder Todesfällen. Ziel müsse es sein, neben Missbrauch und Gewalt auch das Thema Vernachlässigung dauerhaft im Kinderschutz zu verankern. (PM/bearbeitet durch Red)
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