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Nachricht vom 09.11.2025
Wirtschaft
Immobilie geerbt – was nun?
RATGEBER | Der Verlust eines geliebten Menschen stellt Angehörige vor emotionale und praktische Herausforderungen. Besonders komplex wird die Situation, wenn eine Immobilie zum Nachlass gehört. Plötzlich stehen Erben vor wichtigen Entscheidungen, die weitreichende finanzielle und rechtliche Konsequenzen haben können. Die Komplexität steigt exponentiell, wenn mehrere Personen gemeinsam erben und unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der geerbten Liegenschaft haben. Statistisch gesehen entstehen die meisten Erbstreitigkeiten im Zusammenhang mit Immobilienvermögen, da emotionale Bindungen, finanzielle Interessen und rechtliche Vorgaben aufeinandertreffen. Besonders herausfordernd wird es, wenn eine Erbengemeinschaft gebildet werden muss, in der alle Beteiligten gemeinsam über das weitere Vorgehen entscheiden müssen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des deutschen Erbrechts schaffen dabei klare Strukturen, lassen aber gleichzeitig Spielraum für individuelle Lösungen.
Symbolfoto (KI generiert)Die Erbengemeinschaft und ihre besonderen Herausforderungen
Die Erbschaft einer Immobilie führt bei mehreren Erben automatisch zur Bildung einer Erbengemeinschaft. Diese Zwangsgemeinschaft entsteht kraft Gesetzes und kann nicht einseitig aufgelöst werden. Jeder Miterbe erhält einen ideellen Anteil am gesamten Nachlass, nicht etwa einen konkreten Teil der Immobilie. Dies bedeutet, dass niemand allein über einzelne Zimmer oder Gebäudeteile verfügen kann. Alle wichtigen Entscheidungen bezüglich der geerbten Liegenschaft erfordern Einstimmigkeit unter den Miterben. Diese gesetzliche Regelung soll alle Beteiligten schützen, führt aber häufig zu Blockaden und langwierigen Auseinandersetzungen.

Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gestaltet sich oft schwierig. Schon alltägliche Entscheidungen wie notwendige Reparaturen oder die Auswahl eines Mieters können zu Konflikten führen. Besonders problematisch wird es, wenn Miterben unterschiedliche finanzielle Situationen oder Lebenspläne haben. Während ein Erbe vielleicht dringend Geld benötigt und einen schnellen Verkauf anstrebt, möchte ein anderer die Familienimmobilie aus emotionalen Gründen behalten.

Rechtliche Grundlagen der Erbengemeinschaft
Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in den Paragraphen 2032 bis 2063 die rechtlichen Rahmenbedingungen für Erbengemeinschaften. Demnach steht der Nachlass den Erben gemeinschaftlich zu, wobei jeder Miterbe über seinen Anteil am gesamten Nachlass, nicht aber über einzelne Nachlassgegenstände verfügen kann. Für die rechtlichen Aspekte beim Immobilienerbe gelten zusätzliche Besonderheiten, da Grundstücke und Gebäude im Grundbuch eingetragen werden müssen. Die Berichtigung des Grundbuchs sollte zeitnah erfolgen, da nur eingetragene Eigentümer rechtswirksam über die Liegenschaft verfügen können.

Verwaltung und Nutzung der geerbten Immobilie
Die laufende Verwaltung einer geerbten Liegenschaft erfordert kontinuierliche Abstimmung zwischen den Miterben. Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung können durch Stimmenmehrheit beschlossen werden, wobei sich die Mehrheit nach den Erbteilen richtet. Dazu gehören beispielsweise notwendige Instandhaltungsarbeiten, die Beauftragung von Handwerkern oder die Kündigung bestehender Mietverträge aus wichtigem Grund. Grundlegende Veränderungen oder die Veräußerung der Immobilie bedürfen hingegen der Zustimmung aller Beteiligten. Diese Unterscheidung führt in der Praxis oft zu Streitigkeiten darüber, welche Maßnahmen als ordnungsgemäße Verwaltung einzustufen sind.

Lösungswege aus der Erbengemeinschaft
Es existieren verschiedene Möglichkeiten, eine Erbengemeinschaft aufzulösen und zu einer klaren Eigentumssituation zu gelangen. Die ersten Schritte nach dem Hauserbe sollten wohlüberlegt sein, da sie die Weichen für den weiteren Verlauf stellen. Der ideale Weg ist eine einvernehmliche Auseinandersetzung, bei der sich alle Beteiligten über die Aufteilung des Nachlasses einigen. Dies kann durch Realteilung erfolgen, wenn der Nachlass aus mehreren teilbaren Vermögenswerten besteht, oder durch Verkauf und Aufteilung des Erlöses.

Ein Miterbe kann seinen Anteil an einen anderen Miterben verkaufen oder verschenken. Dieser Weg bietet sich an, wenn einzelne Erben kein Interesse an der Immobilie haben oder dringend liquide Mittel benötigen. Der Verkauf an Dritte außerhalb der Erbengemeinschaft ist zwar möglich, die anderen Miterben haben jedoch ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Die Übertragung muss notariell beurkundet werden, und es fallen entsprechende Kosten und gegebenenfalls Steuern an.

Eine weitere Option stellt die Auseinandersetzungsvereinbarung dar. In diesem notariellen Vertrag regeln die Erben verbindlich, wie der Nachlass aufgeteilt wird. Dabei können kreative Lösungen gefunden werden, etwa dass ein Erbe die Immobilie übernimmt und die anderen auszahlt, oder dass bestimmte Nutzungsrechte eingeräumt werden.

Die Teilungsversteigerung als letzter Ausweg
Wenn keine Einigung erzielt werden kann, bleibt als ultima ratio die Teilungsversteigerung. Jeder Miterbe kann diese beim zuständigen Amtsgericht beantragen, unabhängig von der Größe seines Erbteils. Das Verfahren ähnelt einer Zwangsversteigerung und führt meist zu Erlösen deutlich unter dem Marktwert. Studien zeigen, dass bei Teilungsversteigerungen durchschnittlich nur 70 bis 80 Prozent des Verkehrswertes erzielt werden. Dieser erhebliche Wertverlust trifft alle Miterben gleichermaßen und sollte daher möglichst vermieden werden.

Der Ablauf einer Teilungsversteigerung folgt strengen gesetzlichen Vorgaben. Nach Antragstellung bestellt das Gericht einen Sachverständigen zur Wertermittlung. Es folgen mehrere Termine, wobei im ersten Termin oft noch kein Zuschlag erteilt wird, wenn das Mindestgebot nicht erreicht wird. Die häufigsten Fragen zum Immobilienerbe betreffen oft genau diese Problematik der Zwangsversteigerung und deren finanzielle Folgen. Das Verfahren kann sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen und verursacht erhebliche Kosten.

Präventive Maßnahmen und professionelle Unterstützung
Um Konflikte zu vermeiden oder zu lösen, empfiehlt sich frühzeitig professionelle Unterstützung. Ein Mediator kann helfen, zwischen verhärteten Fronten zu vermitteln und einvernehmliche Lösungen zu entwickeln. Die Kosten einer Mediation sind meist deutlich geringer als die Verluste bei einer Teilungsversteigerung. Auch die Einschaltung eines Nachlassverwalters kann sinnvoll sein, wenn die Erben sich nicht über die Verwaltung einigen können.

Steuerliche Aspekte spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Je nach Verwandtschaftsgrad und Wert der Erbschaft fallen unterschiedlich hohe Erbschaftssteuern an. Die wichtigen Tipps für Immobilienerben umfassen daher auch steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, die selbstgenutzte Immobilie zu behalten, da diese unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei geerbt werden kann. Bei vermieteten Objekten gelten andere Regelungen, und es sollte geprüft werden, ob eine Aufteilung oder ein Verkauf steuerlich günstiger ist.

Fazit
Eine geerbte Immobilie stellt Erbengemeinschaften vor komplexe Herausforderungen, die sowohl rechtliche als auch emotionale Aspekte umfassen. Die gesetzliche Regelung, dass alle wichtigen Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen, führt häufig zu Blockaden und Konflikten. Während eine einvernehmliche Lösung durch Auseinandersetzungsvereinbarung oder Anteilsverkauf den größten Werterhalt verspricht, droht bei unlösbaren Konflikten die kostspielige Teilungsversteigerung mit erheblichen finanziellen Einbußen für alle Beteiligten. Professionelle Beratung durch Mediatoren, Notare oder Fachanwälte kann helfen, individuelle Lösungswege zu finden und den Wert des Erbes bestmöglich zu erhalten. Letztendlich profitieren alle Beteiligten davon, wenn persönliche Differenzen zugunsten einer wirtschaftlich sinnvollen Lösung zurückgestellt werden. Die frühzeitige Kommunikation und das Einholen fachkundiger Unterstützung sind dabei entscheidende Erfolgsfaktoren für eine zufriedenstellende Auflösung der Erbengemeinschaft. (prm)
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