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Nachricht vom 14.10.2025 |
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Psychisch kranker Mann bedrohte Passanten und Kinder mit Spielzeugpistole – Landgericht Koblenz verhandelt |
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Vor der 6. Strafkammer des Landgerichts Koblenz wurde ein Sicherungsverfahren gegen einen 40‑jährigen Mann aus der VG Hachenburg verhandelt. Der psychiatrische Sachverständige diagnostizierte eine paranoide Schizophrenie; das Gericht ordnete die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. |
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Fast jeden Tag erfährt man durch die Presse, dass irgendwo in der Bundesrepublik Menschen ausrasten und andere mit Pistolen oder Messern bedrohen. Tatorte sind überwiegend Großstädte; eher selten finden solche Attacken im ländlichen Raum statt. Einen solchen Fall hatte die 6. Strafkammer beim Landgericht Koblenz zu verhandeln, bei dem es sich um Vorfälle aus einer Stadt in der Verbandsgemeinde Hachenburg handelte. Da die Staatsanwaltschaft Koblenz davon ausging, dass der Mann psychisch erkrankt sei und eine Gefährdung für die Allgemeinheit darstelle, beantragte sie im Rahmen eines Sicherungsverfahrens, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.
Das Sicherungsverfahren ist eine besondere Verfahrensart und wird anstelle einer Anklageerhebung durchgeführt. Im Sicherungsverfahren wird ein Täter nicht als Angeklagter, sondern als Beschuldigter bezeichnet.
Ist der Beschuldigte an paranoider Schizophrenie erkrankt?
Der 40‑jährige Beschuldigte soll Anfang 2025 in der VG Hachenburg im Zustand der Schuldunfähigkeit durch fünf selbstständige Handlungen exhibitionistische Handlungen an sich vorgenommen haben und unbeteiligte Personen, auch Kinder, mit einer Spielzeugwaffe bedroht und auf sie gezielt haben, wobei diese davon ausgingen, dass es sich um eine echte Pistole handelte. Im Einzelnen wird ihm vorgeworfen, einer 16‑jährigen Praktikantin im Krankenhaus von Hachenburg ohne deren Zustimmung an ihr Gesäß gefasst zu haben. In einem anderen Fall ließ er vor einer Frau die Hose herunter und begann zu masturbieren. Dem Beschuldigten wird weiter vorgeworfen, dass er in Hachenburg eine Mutter, die mit ihrem sechsjährigen Sohn unterwegs war, bedrohte, indem er die Pistole auf sie und das Kind richtete und auch abdrückte. Eine Frau, die mit ihm in einem Haus wohnte, wurde ebenfalls auf diese Art bedroht: Als er bei ihr klingelte, die Frau jedoch nicht öffnete und ihn durch den Türspion beobachtete, konnte sie sehen, wie er die Pistole zog und in Richtung der Tür zielte, weil er vermutete, die Frau sei doch zu Hause und würde hinter der Tür stehen. Da die Straftaten im Zustand einer paranoiden Schizophrenie begangen worden sein sollen, beantragte die Staatsanwaltschaft die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 Strafgesetzbuch (StGB).
Nach Verlesen der Antragsschrift stellte der Vorsitzende fest, dass bisher keine Gespräche zur Herbeiführung einer tatsächlichen Verständigung (sogenannter Deal) stattgefunden hätten.
Der Beschuldigte, der in Pakistan geboren ist, sich seit 2015 in der Bundesrepublik aufhält und sich zurzeit in der Fachklinik Nette‑Gut befindet, ließ sich zur Sache ein: Etwa fünf Monate vor den Taten habe er eine Veränderung an sich bemerkt; ihm sei es miserabel ergangen. Er habe Stimmen gehört; unter anderem hätten Engel mit ihm gesprochen und gesagt: „Ich bin deine Seele und dein Leben.“ In dieser Zeit habe er auch Alkohol und Drogen konsumiert. Medikamente habe er nicht genommen, weil ihm nicht erklärt worden sei, wofür diese seien. Zu den einzelnen Tatvorwürfen berief er sich auf Erinnerungslücken: Er könne sich nicht daran erinnern, mit der Spielzeugpistole auf Menschen gezielt zu haben, und bestritt, der Praktikantin ans Gesäß gefasst und in dem anderen Fall vor der Frau onaniert zu haben.
Mehrere Polizeibeamte sagten aus, dass der Beschuldigte stadtbekannt gewesen sei und sie bereits zu mehreren Einsätzen gerufen worden seien. Der Beschuldigte sei in Hachenburg unter der Bezeichnung „Bekloppter“ bekannt gewesen.
Traumatische Nachwirkungen und Tränen bei Zeugen
Dramatische Szenen spielten sich bei den Vernehmungen der Zeuginnen ab: Die Praktikantin schilderte, dass sie nach dem Vorfall im Krankenhaus ein Trauma habe, da sie sich bei Zusammenkünften von Menschen immer an eine Wand stelle, damit sie niemand von hinten anfassen könne. Die Zeugin, vor der der Beschuldigte masturbierte, wollte nicht in Anwesenheit des Beschuldigten aussagen, da sie bis heute den Vorfall nicht verarbeitet habe, Schlafstörungen habe, nicht mehr allein aus dem Haus gehe und oft weinen müsse. Fürsorglich und behutsam ging der Vorsitzende auf die Zeugin ein und schlug vor, dass sich ihr Ehemann bei ihrer Aussage neben sie setzen dürfe, um die Sicht auf den Beschuldigten zu versperren. Diese Zeugin bestätigte dann bei ihrer Aussage, dass sie bei ihrer Arbeit als Reinigungskraft gerade eine Scheibe putzte, als der Beschuldigte erschien, vor ihr die Hose fallen ließ und zu onanieren begann. Sie rief ihren Mann zur Hilfe, der rasch vor Ort war und als Zeuge selbst noch bestätigen konnte, dass der Beschuldigte mit heruntergelassener Hose dastand und er dessen Penis sehen konnte. Auf die Mitteilung weiterer Einzelheiten wird verzichtet.
Die Nachbarin des Beschuldigten leidet auch heute noch an Schlafstörungen und hat große Angst, dass wieder etwas passieren könne, wenn der Beschuldigte erneut frei herumläuft. Die polizeiliche Vernehmung der Mutter, die zusammen mit ihrem sechsjährigen Kind von dem Beschuldigten mit der Pistole bedroht wurde, verlas der Vorsitzende im allseitigen Einverständnis. Dabei schilderte die Zeugin die dramatische Situation und die extremen Folgen des Geschehens. Sie habe Todesangst gehabt, um sich und ihr Kind, weil die Pistole echt ausgesehen habe, als diese auf sie gerichtet wurde und der Beschuldigte den Abzug betätigte. Es machte „klick“, und sie dachte, das wäre es gewesen. Sie konnte dann mit ihrem Sohn, der zu weinen begann, trotzdem in ihr Elternhaus flüchten, das sich in unmittelbarer Nähe des Tatorts befand.
Der Sachverständige diagnostizierte paranoide Schizophrenie
In seinem ausführlichen Gutachten bescheinigte der psychiatrische Sachverständige dem Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie, da sämtliche vier Kriterien zur Feststellung dieser Krankheit erfüllt seien. Gemäß § 20 StGB liege bei allen Straftaten Schuldunfähigkeit vor. Um eine weitere Gefährdung der Allgemeinheit zu verhindern, sei eine Unterbringung gemäß § 63 StGB zwingend erforderlich; dafür gebe es keine Alternative. Der Beschuldigte bestätigte, dass die Feststellungen des Gutachters zutreffend seien.
Nachdem die Beweisaufnahme geschlossen worden war, erfolgten die Plädoyers. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte, bei den Anlasstaten Schuldunfähigkeit wegen paranoider Schizophrenie festzustellen und den Beschuldigten wegen weiterer Gefährdung der Allgemeinheit nach § 63 StGB dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Rechtsanwältin Kathrin Schneiderbanger widersprach dem Antrag zur Unterbringung nicht, da ihr Mandant sich auf einem guten Weg befinde. In seinem letzten Wort beteuerte der Beschuldigte, dass er sich für seine Taten sehr schäme und sich bei allen Beteiligten aufrichtig entschuldigen möchte.
Urteil im Namen des Volkes
Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet, und der Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts Koblenz bleibt aufrechterhalten (§§ 20, 63 StGB).
In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, dass den Ausführungen des Gutachters und dem Antrag der Staatsanwaltschaft weitestgehend gefolgt werde; eine stationäre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei zwingend erforderlich, um eine Gefährdung der Allgemeinheit auszuschließen.
Nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung wurden keine Erklärungen zu dem Urteil abgegeben. |
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Nachricht vom 14.10.2025 |
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