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Pressemitteilung vom 01.10.2025
Rheinland-Pfalz
Generationen im Einklang: Einblicke in innovative Pflegeprojekte in Rheinland-Pfalz
Mit dem Älterwerden der geburtenstarken Jahrgänge wird der Mangel an Pflegekräften immer deutlicher. Viele Menschen wünschen sich, so lange wie möglich zu Hause zu leben. In Rheinland-Pfalz entstehen daher neue Projekte, die ambulante und stationäre Pflege verbinden.
Zwei Bewohnerinnen einer Pflege-WG. (Foto: Ira Schaible/dpa)Rheinland-Pfalz. Kitakinder singen, spielen und sprechen mit Rentnern in einer gemeinsamen Tageseinrichtung oder schnippeln mit ihnen Obst. Pflegebedürftige Menschen leben in einer WG - unterstützt von Angehörigen und Pflegern. Das sind zwei Beispiele aus Rheinland-Pfalz für Projekte an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Pflege in einer alternden Gesellschaft mit Fachkräftemangel.

Drei Generationen kommen täglich zusammen
KiSenTa heißt die Einrichtung im südpfälzischen Rohrbach, einem Dorf mit rund 1.800 Einwohnern. Das steht für Kindertagesstätte und Seniorentagespflege. Die älteren Menschen leben zu Hause in ihrer gewohnten Umgebung und kommen tagsüber in die Pflegeeinrichtung. Die Gründe beschreibt Oswald Fechner vom Träger Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) so: Tagesstrukturen, Versorgung, Beschäftigung - und die Vermeidung von Einsamkeit. Das Besondere ist das selbstverständliche Miteinander von drei Generationen unter einem Dach. "Es geht um ganz alltägliche Begegnungen, es soll wie Alltag sein, nicht aufgesetzt", erklärt die Leiterin der evangelischen Kita, Daniela Rupp. 17 Plätze für betagte Menschen gibt es in der Einrichtung, die durch eine Tür von der Kita mit 45 Kindern getrennt ist. Dazu kommen die Erzieherinnen und Betreuerinnen der Senioren.

Selbstbestimmtes Leben in der Pflege-WG
Johanna Strack ist die älteste Bewohnerin der Wohn-Pflegegemeinschaft in Alzey. "Ich bin zufrieden", sagt die 98-Jährige bei einem Besuch von und im Gespräch mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD). "Ich finde auch meinen Heimweg noch." Denn: "Ich gehe jeden Tag ein bisschen spazieren, man muss sich bewegen, sonst rostet man ein." Seit rund sieben Jahren lebt sie in der WG, war eine der ersten Bewohnerinnen; ihr Haus hat sie zuvor verkauft. Voraussetzung für die Aufnahme in die WG ist Pflegegrad 2 oder höher, eine Demenzdiagnose und die Bewohner müssen sich in eine Gruppe integrieren können. Sie dürften ihren Rhythmus aber so leben, wie sie es gewohnt seien, sagt Gabriele Barth, die Sprecherin der Angehörigen. Die gehören zur Gemeinschaft der WG, die auf "geteilte Verantwortung" setzt.

Ohne Angehörige geht es nicht
"Wir passen uns an individuelle Gegebenheiten an", sagt Barth. Dies gelte auch für demente Menschen, die nachts aufstehen. Sie bekämen dann vielleicht vom professionellen Nachtdienst eine Tasse Kakao und würden wieder ins Bett gebracht. "Hier kann man in Würde alt werden", sagt Stracks Sohn Jürgen, der Kassenwart für die WG mit zweimal zwölf Plätzen ist. Er habe sich auch schon auf die Warteliste setzen lassen, sagt der 68-Jährige augenzwinkernd. In der Haushaltskasse findet sich das Geld für Lebensmittel, alltäglichen Bedarf und für Rücklagen. Alles in allem kostet ein WG-Platz gut 2.900 Euro im Monat mit Betreuungspauschale, Miete und Nebenkosten.

Kinder hören alten Menschen unvoreingenommen zu
In Rohrbach können sich Kinder und Senioren gegenseitig besuchen. Die älteren Menschen werden dabei von einer Betreuerin begleitet. Sicherheit und Hygiene nennt Kita-Leiterin Rupp als Grund. Neben den Begegnungsflächen gebe es für Jung und Alt aber auch Orte, wo man sich gegenseitig in Ruhe lasse. Rupp erlebt beim Aufeinandertreffen der Generationen in der Einrichtung am Dorfgemeinschaftshaus "viel Herzlichkeit, die berührt". Dekan Dietmar Zoller erzählt von der unvoreingenommenen Neugier der Kinder auf die Menschen im Alter ihrer Großeltern. Und umgekehrt: "Vielen älteren Menschen geht einfach das Herz auf, wenn sie ein Kind sehen." Feste wie Nikolaus, die für die Erwachsenen eigentlich keine Bedeutung mehr hätten, vermittelten ihnen durch die Aufregung und Freude der Kinder neue Lebensfreude, berichtet eine Betreuerin. Eine ehemalige Lehrerin, die inzwischen dement sei, beruhige das gemeinsame Singen mit den Kindern. Und eine andere Frau habe so jeden Tag Kontakt zu ihrem Enkel gehabt, was "draußen gar nicht möglich gewesen wäre", erzählt Fechner.

Mit Begleitung in der Pflege-WG sterben
In Alzey hat jeder der Bewohnerinnen und Bewohner ein eigenes Zimmer mit Bad. Dazu kommen Gemeinschaftsräume, eine Terrasse mit Garten und Hühnern sowie die Küche, in der jeden Tag gemeinsam gekocht wird. Der jüngste pflegebedürftige WG-Bewohner ist 62, das Durchschnittsalter liegt bei 80 Jahren, wie Barth berichtet. Über die täglichen Belange, auch die Wahl des Pflegedienstes, wird abgestimmt - manche kennen das WG-Leben noch aus ihrer Jugend. "Wir denken noch nicht ans Sterben", sagt Hannelore Vögeli, die ihr Alter nicht so parat hat wie ihr Geburtsjahr 1938. "Wenn was los ist, sind wir dabei." Und Brigitte Comos, die neben ihr auf dem Sofa sitzt, ergänzt lachend: "Wir haben den Schalk im Nacken." "Man kann bis zum Lebensende bleiben. Wir machen auch Sterbebegleitung", sagt Barth. Die Angehörigen sind für das Funktionieren der WG wichtig. "Man braucht Menschen, die engagiert sind und am Ball bleiben", formuliert es Barth. Sie ist überzeugt: "Viele, die bei uns wohnen, wären im Heim schon verstorben."

Dekan: "Wir brauchen intelligente Lösungen"
Rund 150 Wohn-Pflege-Gemeinschaften gibt es dem Sozialministerium zufolge in Rheinland-Pfalz. Bei der Suche nach einem passenden Lebensmodell für das Alter mit Unterstützungs- und Pflegebedarf helfen die Landesberatungsstelle "Neues Wohnen", 135 Pflegestützpunkte sowie rund 90 Fachkräfte der sogenannten Gemeindeschwestern Plus. Ein Vorbild für die vor rund drei Jahren eröffnete KiSenTa gibt es nicht, auch noch keine Nachahmer, sagt Zoller. Der Dekan ist angesichts der demografischen Entwicklung aber überzeugt: "Wir brauchen intelligente Lösungen mit Quartiersbezug, unterstützt durch Familien." (dpa/bearbeitet durch Red)

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