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Nachricht vom 14.09.2025
Kultur
Von Beust'sches Haus: Ein architektonisches Juwel im Westerwald
Die Kombination Wein- und Schlemmerfest sowie Tag des offenen Denkmals in Hachenburg zog Menschenströme in die Löwenstadt. Das geöffnete barocke Schloss und das "Von Beust’sche Haus", ein Haus der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in der Altstadt, unweit vom Alten Markt und dem Vogtshof gelegen, erlebten in halbstündigen Führungen einen enormen Besucherandrang.
Das BeustHachenburg. Benannt ist das herrschaftliche Haus in der Herrnstraße nach dem Regierungsdirektor Ludwig-August von Beust. Architekt André Kramm erläuterte kenntnisreich die versteckten Besonderheiten des eindrucksvollen Gebäudes. Die über dem Eingang eingemeißelte Zahl 1766 bezieht sich auf den An- und Ausbau des dreigeschossigen Symmetriebaus mit barockem Treppenhaus und Beletage.

Über die Jahrhunderte wurde immer wieder an- und umgebaut. Das zeigen ein Tonnen- und Kreuzgewölbe aus dem 12./13. Jahrhundert, mittelalterliches Fachwerk und ein rückwärtiger Anbau, der um 1900 erfolgte. Denkmalschützer generierten eine Vielzahl von Altersdaten durch über zweihundert Bohrungen.

Dass das Herrenhaus noch steht, ist einer Grundschullehrerin zu verdanken, die sich 1968 an Dr. Custodis vom Landesamt für Denkmalschutz wandte, weil die Stadt Hachenburg das verfallene Gebäude zum Abriss erworben hatte. Bereits 1920 war das Haus bekanntermaßen verwohnt, weil es als sozialer Wohnungsbau von sechs bis acht Familien gleichzeitig bewohnt wurde. Der Abriss wurde zunächst verschoben und 1979 von zwei Schwestern gekauft, die das Gemäuer liebe- und mühevoll sanierten.

Hinter der Eingangstür fällt sofort der Innenbalkon auf, auf dem die Hausherrin im 18. und 19. Jahrhundert Herrenbesuche an der Tür empfing. Eine sehr gut erhaltene Barocktreppe führt in den ersten Stock. Dort finden sich ein Balken von 1515 und Verformungen, die durch die Entnahme von Zwischenwänden zurückzuführen sind. Im Mittelalter waren kleine Räume üblich gewesen, während der Barock große, repräsentative Räume erforderte. Die Schwestern begradigten die verformten Decken nicht, sondern barockisierten sie durch Zierleisten aus Styropor. Mit Hohlblocksteinen und Styropor wurden auch zugemauerte Sichtfenster verfüllt und der ursprüngliche Holz-Stroh-Lehmputz mit Gipskartonplatten kaschiert. Durch bautechnische Fehler droht Holzverfall, ebenso durch nachträglich verlegte Abwasserrohre, von denen zum Glück nur zwei gefunden wurden. Barocke Originaltüren sind teilweise noch vorhanden, ebenso Originalböden, deren Höhenunterschiede beim Begehen nicht auffallen.

Die Sturm- und Drang-Dichterin Albertine von Grün, die mit Goethe in Kontakt stand, lebte von 1779 bis 1789 im Beust‘schen Haus. 2005 wurde eine Treuhandstiftung unter dem Dach der Deutschen Stiftung Denkmalschutz errichtet, die sich nun um eine denkmalgerechte Instandsetzung bemüht. Den Fachleuten, die sehr vorsichtig vorgehen stellen sich ständig Fragen, zum Beispiel wie mit einem massiven Holzständer verfahren werden soll, der mitten auf dem Kreuzgewölbe steht oder wie der Zustand des Fachwerks unter dem barocken Außenputz mit Rosshaar zu beurteilen ist.

Leider war es am Sonntag wegen der Besuchermenge nicht möglich, die Dienstmädchen-Kemenate im Obergeschoss und das Highlight des Hauses, den Gewölbekeller mit eigenem Brunnen zu besichtigen. Kramm verwies auf kommende Tage der offenen Tür, wenn die Sanierung weiter gediehen sein wird. Das Interesse der Hachenburger an dem architektonischen Juwel nutz die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, um Ideen für die zukünftige Verwendung des Anwesens zu sammeln. Auf der Pinnwand im Erdgeschoss standen Begriffe wie "Kunstgalerie", "Cafe´", "Bibliothek" und "Museum, in dem man sehen kann, wie sie zu der Zeit gelebt haben". Für weitere Anregungen ist man aufgeschlossen.

Hintergrund:
Der Tag des offenen Denkmals ist die größte Kulturveranstaltung Deutschlands und wird seit 1993 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz koordiniert. Er ist Teil der European Heritage Days und schafft große Aufmerksamkeit für die Denkmalpflege. Im Westerwald konnten viele Denkmäler besichtigt werden. Die Kuriere wählten stellvertretend für alle Denkmäler das "Von Beust’sche Haus" in Hachenburg aus.
htv
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