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Nachricht vom 02.09.2025
Region
Tourismus in der Region: Kaum Urlaubsgäste in den Kreisen Altenkirchen und Neuwied?
Reizvolle Landschaft, kulturelle Angebote, eine gute Anbindung - aber kaum Touristen: Obwohl die Bedingungen für einen Urlaub hier gut zu sein scheinen, liegt der Kreis Altenkirchen bei den Übernachtungsgästen auf dem vorletzten Platz in Rheinland-Pfalz. Kaum besser steht es um den Kreis Neuwied. Der Westerwaldkreis liegt weiter vorn.
Urlaubsregion Kreis Altenkirchen? (Foto: rm)Region. Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts vermitteln den Eindruck, dass der Kreis Altenkirchen für Urlaubsgäste wenig attraktiv ist: Mit 63 Gästeankünften je 100 Einwohner, wie die Statistik es ausdrückt, liegt der nördlichste Kreis in Rheinland-Pfalz auf dem vorletzten Platz (vor dem Kreis Germersheim). Der Kreis Neuwied kam 2024 auf 80 Gästeankünfte je 100 Einwohner, der Westerwaldkreis immerhin auf 151. Zum Vergleich: Mit 972 Gästeankünften pro 100 Einwohner hat der Landkreis Cochem-Zell 2024 in Rheinland-Pfalz die meisten übernachtenden Touristen angezogen - also fast zehn Touristen auf jeden Einwohner. In den Landkreisen Altenkirchen und Neuwied dagegen übernachteten weniger Touristen als Einheimische.

Westerwaldkreis: Gut aufgestellt im Tourismusbereich
Der Westerwaldkreis sieht einen positiven Trend durch die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes bestätigt. Im Jahr 2024 konnte das Niveau von vor der Corona-Pandemie nicht nur erreicht, sondern leicht übertroffen werden. "Damit zählt der Westerwaldkreis zu den Regionen in Rheinland-Pfalz, die sich schnell und nachhaltig vom pandemiebedingten Einbruch erholt haben", weiß Maja Reifenrath, Geschäftsführerin der "Westerwald Touristik-Service". Die "Westerwald Touristik-Service" ist die zentrale Anlaufstelle für alle touristischen Belange im Westerwald. Auftraggeber der Regionalagentur, die vom Verein Westerwald Gäste-Service betrieben wird, sind die Landkreise Altenkirchen, Neuwied und Westerwald. Dass die Zahlen für den Westerwald sprechen, kann als Erfolg konsequenter Entwicklung verbucht werden. "Der Tourismus hat im Westerwaldkreis einen hohen strategischen Stellenwert", erklärt Maja Reifenrath. "Der Kreis bringt sich aktiv in die strategische Ausrichtung und Umsetzung der Tourismusarbeit ein - unter anderem durch die Beteiligung an Infrastrukturprojekten, Förderprogrammen und interkommunalen Kooperationen. Der Westerwaldkreis sieht sich klar als Tourismusregion mit wachsendem Profil, insbesondere in den Bereichen Naturtourismus, Wandern, Radfahren und nachhaltige Erholung."

Zudem gebe es im Westerwaldkreis eine Vielzahl attraktiver Natur- und Freizeitangebote. Zu den touristischen Leuchttürmen im Kreisgebiet gehören unter anderem der zertifizierte Fernwanderweg Westerwaldsteig, mehrere Wäller Touren als hochwertige Rundwanderwege, die Westerwälder Seenplatte, zahlreiche ausgebaute Rad-Strecken, sowie das anerkannte Kneipp-Heilbad Bad Marienberg mit seinem Gesundheits- und Erlebnisangebot. Darüber hinaus sorgen laut Maja Reifenrath regionale Manufakturen, Gastronomiebetriebe, familienfreundliche Ausflugsziele und Veranstaltungen für eine hohe Aufenthaltsqualität sowohl für Tages- als auch Übernachtungsgäste. "Der Westerwaldkreis bietet damit ein breites Portfolio für sanften Aktivtourismus, Naturerlebnis und nachhaltige Erholung."

Im Westerwaldkreis ist man "überzeugt davon, dass Naturerlebnis, Entschleunigung und Qualität zentrale Erfolgsfaktoren für den Tourismus von morgen sind - und sieht sich mit seinen Angeboten auf einem sehr guten Weg", erklärt Maja Reifenrath abschließend.

Kreis Neuwied: Aufwärtstrend im Tourismus
Im Kreis Neuwied will man die Zahlen des Statistischen Bundesamtes so nicht stehen lassen. Bei diesem Ranking sei zu beachten, dass hier nicht die eigentlichen Besucherankünfte miteinander verglichen werden, sondern diese in Relation zu den Einwohnern des Landkreises gesetzt werden, heißt es von der "Romantischer Rhein Tourismus GmbH" (RRT), die unter anderem für den Tourismus in den Verbandsgemeinden (VG) des Landkreises Neuwied entlang des Rheins zuständig ist. Demnach seien Landkreise mit unterschiedlicher Zahl an Einwohnern in Bezug auf ihre Bettenkapazität nur schwer zu vergleichen. Insgesamt zeichnet man in der Region ein positiveres Bild im Hinblick auf den Tourismus, so seien beispielsweise in den Verbandsgemeinden Bad Hönningen und Unkel stabile Zuwächse bei den Übernachtungen zu verzeichnen. Bei der Interpretation der statistischen Zahlen ist laut RRT zudem zu beachten, dass die Datenlage nicht vollständig sei. Demnach finden in der Analyse des Statistischen Landesamtes Beherbergungsbetriebe mit weniger als zehn Betten keine Berücksichtigung. "So wurden zum Beispiel aus Linz keinerlei Übernachtungen in die Betrachtung des Statistischen Landesamtes gezogen, da alle derzeitigen Beherbergungsbetriebe weniger als zehn Betten haben, dennoch ist Linz ein sehr beliebter Ort für Gäste."

Auch wenn der Kreis Neuwied andere bedeutende Wirtschaftszweige habe, sei der Tourismus hier ein wichtiger Faktor, erklärt die RRT weiter. Der Landkreis ist in zwei Regionalagenturen organisiert, neben "Romantischer Rhein Tourismus" auch in der "Westerwald Touristik-Service". Gemeinsam stehe man in engem Austausch miteinander, um damit eine bestmögliche Fortentwicklung des Landkreises zu bewirken. Die hohe touristische Relevanz des Landkreises Neuwied zeige sich laut RRT beispielsweise in vielbesuchten touristischen Einrichtungen wie dem Zoo Neuwied, der Römerwelt in Rheinbrohl, der Jugendherberge in Leutesdorf, ebenso verläuft der Rheinsteig durch den Landkreis, der Rheinradweg führt direkt am Rhein entlang. "Die Themen UNESCO Welterbe Obergermanisch-Raetischer Limes und Wein sind ebenfalls touristische Themen von hoher Bedeutung für den Landkreis und unsere Arbeit als Regionalagentur. Besonders zu erwähnen ist noch die enorme Relevanz an Tagesgästen, die die Region Romantischer Rhein besuchen. Laut Wertschöpfungsanalyse besuchten 2023 insgesamt knapp 30 Millionen Gäste den Romantischen Rhein im Rahmen eines Tagesausflugs."

Die Verbandsgemeinden Asbach, Dierdorf, Puderbach und Rengsdorf-Waldbreitbach im Kreis Neuwied werden von der "Westerwald Touristik-Service" betreut. Auch hier sieht man einen Aufwärtstrend in den touristischen Zahlen. Besonders in der VG Rengsdorf-Waldbreitbach sei ab 2022 ein markanter Anstieg der Übernachtungen zu beobachten. Auch die VG Asbach verzeichne stabile Gästezahlen von rund 12.000 pro Jahr. Wie die "Romantischer Rhein Tourismus GmbH" sieht auch die "Westerwald Touristik-Service" die Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Kreis Neuwied kritisch: "Die amtlichen Zahlen bilden das touristische Gesamtgeschehen in der Region nur teilweise ab. In die Statistik des Statistischen Bundesamtes fließen ausschließlich Beherbergungsbetriebe mit mindestens zehn Betten ein - kleinere Ferienwohnungen, Privatvermietungen, Ferienhäuser oder alternative Übernachtungsformen wie 'Urlaub auf dem Bauernhof' werden ebenso wenig berücksichtigt wie ein großer Teil der Direktbuchungen über Airbnb & Co." Gerade in ländlich geprägten Verbandsgemeinden wie Puderbach oder Dierdorf sei die touristische Infrastruktur oft kleinteiliger, familiärer und verteile sich auf viele nichtmeldepflichtige Betriebe - was statistisch zu einer Untererfassung führt. Das reale touristische Geschehen dürfte daher umfangreicher sein als die Statistik suggeriert.

Der Tourismus habe in den Verbandsgemeinden Asbach, Dierdorf, Puderbach und Rengsdorf-Waldbreitbach einen hohen Stellenwert, betont die "Westerwald Touristik-Service", insbesondere im Kontext von Naherholung, Gesundheits- und Aktivtourismus. Die vier Verbandsgemeinden setzen auf naturnahen Tourismus mit den Schwerpunkten Wandern, Radfahren, Familienangebote und Gesundheitsurlaub. Dabei besonders hervorzuheben ist laut "Westerwald Touristik-Service" in Rengsdorf-Waldbreitbach der Premiumwanderweg Klosterweg, der Wäller Tour Bärenkopp und Angebote im Heilklima sowie gesundheitsorientiertem Tourismus. Asbach bietet Freizeitmöglichkeiten im Naturpark Rhein-Westerwald, darunter Rad- und Wanderwege sowie Familienaktivitäten. Dierdorf kombiniert ein Freizeitbad, Naturerlebnispfade und kulturelle Angebote. Puderbach überzeugt durch naturnahe Wandertouren, wie zur Burg Reichenstein oder durch das Grenzbachtal. "Alle vier Verbandsgemeinden richten sich vor allem an Aktivurlauber, Naherholungsgäste und Familien - eingebettet in die landschaftlich reizvolle Region des Rhein-Westerwaldes."

Kreis Altenkirchen: Mehr Tourismus als durch die Zahlen suggeriert
Wie der Kreis Neuwied weist auch der Kreis Altenkirchen hinsichtlich der Bewertung des Tourismus auf Lücken in der offiziellen Statistik hin, weil ausschließlich Betriebe mit mindestens zehn Betten erfasst werden. Gerade im ländlich geprägten Kreis Altenkirchen sei die Dichte größerer Beherbergungsbetriebe geringer als in städtischen Regionen. "Dafür verfügen wir über zahlreiche qualitativ hochwertige Ferienwohnungen und kleinere Übernachtungsbetriebe. Hinzu kommt, dass Campingplätze und Direktvermietungen zunehmend an Bedeutung gewinnen, ihre Zahlen sind in den offiziellen Statistiken jedoch nicht enthalten. Dadurch wird das touristische Gesamtbild nur eingeschränkt wiedergegeben", erklärt die Kreisverwaltung. Sie sieht im Hinblick auf fehlende Übernachtungsgäste kein "Nachfrageproblem", vielmehr deuten die Zahlen eher auf fehlende oder wegfallende Betten hin.

Dennoch räumt die Kreisverwaltung in Altenkirchen ein, dass es weitere Gründe für die vergleichsweise niedrigen Gästezahlen gibt. Zum einen gehöre dazu das Fehlen klassischer touristischer Hotspots im Kreis, wodurch man stark vom Naherholungstourismus abhänge. Auch der demografische Wandel spiele eine Rolle, weil viele kleinere Betriebe aufgegeben wurden und Nachfolger fehlen. Hinzu kommen steigende Ansprüche der Reisenden an Wellness, Erlebnisangebote und digitale Buchbarkeit. Der Wettbewerb mit starken Nachbarregionen wie Eifel, Mosel und Pfalz, die in den letzten 20 Jahren erheblich in touristische Infrastruktur und internationales Marketing investiert haben, sei ebenfalls ein Grund für geringere Gästezahlen sowie nicht zuletzt externe Faktoren wie die Wirtschaftskrise von 2001 bis 2009 oder die Corona-Pandemie 2020/21, die strukturschwache Regionen besonders hart getroffen habe.

Die Kreisverwaltung sieht dennoch einen positiven Trend im Tourismus. So habe man 2023 im Vergleich zu 2022 einen Zuwachs von 6,5 Prozent bei Gästeankünften verzeichnen können. Dies sei ein deutliches Signal, dass sich der Tourismus nach Corona erholt. "Tourismus ist für den Landkreis Altenkirchen und die Verbandsgemeinden ein wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor. Bereits 2021 hat die Kreisverwaltung daher gemeinsam mit den sechs Verbandsgemeinden das Projekt ‚Weiterentwicklung der touristischen Strukturen‘ gestartet. Dieses wurde 2023 verlängert und wird 2025 durch einen neuen Kooperationsvertrag gesichert", heißt es aus Altenkirchen. Der Kreis Altenkirchen wird von der "Westerwald-Sieg Tourismus" betreut. Die Kreisverwaltung in Altenkirchen betont: "Der Landkreis Altenkirchen versteht sich nicht als eigene Tourismusregion, sondern ist Teil der größeren Destinationen Westerwald und Naturregion Sieg. Nur durch das Zusammenspiel regionaler Angebote kann die Attraktivität gesteigert werden - Gäste machen schließlich keinen Halt an Verwaltungsgrenzen."

Besonders gut aufgestellt im eigenen Gebiet sieht sich der Kreis Altenkirchen in den Bereichen Natur- und Kulturerlebnis: Es gebe bei den Wanderwegen zahlreiche zertifizierte Routen wie der Auenlandweg, der 2023 den 2. Platz als "Deutschlands schönster Wanderweg" (Tagestouren) gewonnen hat. Unter dem Motto "Abenteuer Heimat" werde in Zusammenarbeit mit der Kreis-Volkshochschule kulturhistorisch bedeutende Orte wie Schloss Crottorf oder Schloss Friedewald für Führungen zugänglich gemacht. Zudem wurde das Angebot in den Verbandsgemeinden Altenkirchen, Hamm, Wissen und Kirchen hinsichtlich Gästeführungen deutlich ausgebaut, viele Führungen seien heute online buchbar. Darüber hinaus sei man dabei, neue Themenwelten zu eröffnen: Konzepte wie die Grubenwelten sind in Arbeit und sollen künftig überregionale Strahlkraft entwickeln. "Mit Trends wie ‚Urlaub vor der Haustür‘, Nachhaltigkeit, Wandern und Radfahren knüpfen wir bewusst an aktuelle Gästebedürfnisse an", so die Kreisverwaltung. Um die Zahlen in Bezug auf den Tourismus zu verbessern, will man in Zukunft noch stärker auf Digitalisierung setzen, um beispielsweise auch die Online-Sichtbarkeit der Region zu steigern. Zudem sei es ein "klarer Wettbewerbsvorteil", dass der Kreis Altenkirchen durch die doppelte Anbindung an "Westerwald Touristik Service" und "Naturregion Sieg" in gleich drei Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen) präsent ist. Insgesamt hat man noch einiges vor, was den Tourismus im Kreis Altenkirchen angeht. Dazu gehöre auch, das eigene Profil zu schärfen. Mit einem "klar sichtbaren Reiseanlass-Profil (zum Beispiel zertifizierte Qualitätswanderwege, Radfernweg-Anschlüsse, Events) plus bessere Einbindung in starke Marken der Nachbarschaft (Rhein/Westerwald)" könne man sich attraktiver für Kurzreisen aufstellen. "Ziel ist es, den Landkreis flächendeckend auf einen hohen touristischen Standard zu bringen - auch dort, wo Mittel und Strukturen begrenzt sind." (rm)
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