WW-Kurier |
Ihre Internetzeitung für den Westerwaldkreis |
|
Nachricht vom 28.06.2025 |
|
Region |
Nicole nörgelt … über Diätenerhöhungen |
|
Allein das Wort Diätenerhöhung ist ja schon ein Paradoxon und ein Widerspruch in sich. Bedeutet das Wort "Diät" ja schließlich in der uns bekannten Form, dass man sich in irgendeinem Bereich – meist beim Essen – einschränkt und den Gürtel etwas enger schnallt. Auf die historische Bedeutung kommen wir noch. |
|
GLOSSE! Damit hat nun die Diätenerhöhung für unsere lieben Politiker im Bundestag rein gar nichts zu tun. Denn auch wenn es sich "nur" um die Anpassung der Diäten an die Inflation handelt, so bedeutet das bei einem recht sportlichen Ausgangsgehalt von etwas über 11.000 Euro und einer steuerfreien Pauschale von circa 5.300 Euro zur Deckung von Kosten, die in Ausübung des Mandates entstehen, immerhin noch einmal gut 600 Euro mehr. Wir sprechen also über einen Stundenlohn für einen Vollzeitjob von etwas über 70 Euro brutto. Das hat im Angesicht der Diskussion über den Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde mit Gürtel enger schnallen nun beim besten Willen nichts zu tun.
Über Sinn und Notwendigkeit
Natürlich kann man jetzt sagen, dass Top-Manager wesentlich mehr verdienen und es ja auch jedem Einzelnen freigestanden hätte, sein Glück in der Politik zu suchen und dort seine Karriere zu machen. Das ist richtig, allerdings muss es in diesem Land leider auch noch Menschen geben, die mit ihren Steuerabgaben diese Diäten im Wesentlichen finanzieren. Spricht also die Politik gerade aktuell von der Streichung eines Feiertages, der Verlängerung der Arbeitszeit und dem späteren Eintritt ins Rentenalter zum Wohle der sich in der Rezession befindlichen Wirtschaft, könnten die Herrschaften ja eventuell auch einmal bei sich selbst anfangen, statt die arbeitende Bevölkerung weiter zu schröpfen. Denn wenn man fünfstellige Summen im Monat verdient, kann man vielleicht eher auf ein paar hundert Euro verzichten als Menschen, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen, damit es irgendwie bis zum Ende des Monats reicht. Wäre auf jeden Fall ein feiner Zug.
Lange Arbeitstage?
Das andere immer wieder angebrachte Argument für die hohen Diäten sind die angeblich langen Arbeitstage von über zwölf Stunden der Abgeordneten. Nun, auch das ist in der arbeitenden Bevölkerung keine unbedingte Seltenheit – es gibt mehr als genug Menschen, die sowieso schon weit mehr als acht Stunden am Tag arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Geht man geschichtlich zu den alten Griechen um 500 vor Christus zurück, so wurde dort die "Diät" geboren. Abgeleitet von "diēs" – der Tag - war es damals so, dass Politiker ein Tagegeld erhielten. Denn sonst wären nur die Vermögenden angereist, um ihre Meinung einzubringen, was natürlich der Demokratie nicht förderlich gewesen wäre. Schaut man sich heute die Sitzungen des Bundestages an, so sind oft genug mehr als die Hälfte der Plätze nicht besetzt – möglicherweise, weil die Abgeordneten neben ihrem Job in der Politik ihren anderen Tätigkeiten in Aufsichtsräten nachgehen? Selbstverständlich eher nicht ehrenamtlich.
Gleiches Recht für alle?
Wo aber das Wort ehrenamtlich hier gerade fällt – die in der Lokalpolitik tätigen Menschen machen Politik neben ihrem Vollzeitjob und ohne Bezahlung. Mit ein bisschen Glück bekommen sie eine kleine Aufwandsentschädigung, die allerdings noch nicht einmal die entstehenden Ausgaben deckt, geschweige denn die Stunden, die von der Freizeit aufgewendet werden.
Nachhaltigkeit und Sparsamkeit
Die Bürger werden permanent zu Sparsamkeit und Nachhaltigkeit aufgefordert – auch im Sinne des Umweltschutzes und der Ressourcenschonung. Ist es dann wirklich nötig, dass manche Politiker tausende Euro jeden Monat für Visagist, Friseur und ständig neue Kleidung ausgeben? Selbst der Topmanager trägt seinen Anzug und seine Hemden über einen längeren Zeitraum und schließlich ist der Bundestag ein Arbeitsplatz und kein Laufsteg. Wer dauernd in neuen Fummeln durch die Gegend laufen will, der sollte sich als Model versuchen. Auch wenn Gottfried Keller vor langer Zeit die These aufstellte, dass Kleider Leute machen, so sollte insbesondere in der Politik, die die Geschicke zahlloser Menschen in ihrer Hand hält, wohl eher die Qualität der Arbeit als das Äußere von Bedeutung sein.
Und absolut niemand wird schließlich an dem Ast sägen, auf dem er sitzt. Während es in knallharten Tarifverhandlungen um jedes einzelne Prozent wie auf dem Basar gefeilscht wird, um wenigstens die Inflation ausgleichen zu können, läuft die Sache bei den Diäten ein wenig anders. Wer stimmt über die Genehmigung der Diätenerhöhung ab – der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Dieser hat entschieden, dass die Diäten an die Inflation angepasst werden. Aber selbstverständlich könnten die Abgeordneten im Hinblick auf die wirtschaftlichen Probleme ablehnen. Tun sie natürlich der Natur des Menschen folgend nicht. Ganz ehrlich, liebe Leser, wenn man Sie fragen würde, ob Sie der Erhöhung Ihres Gehalts zustimmen würden, Sie würden wohl kaum ablehnen und sagen: "Nein danke, ich möchte lieber nicht mehr Geld verdienen." Dann wären Sie ja schon – sagen wir mal – anders.
In diesem Sinne, liebe Leser, ärgern Sie sich nicht, denn leider werden wir an den Regeln nichts ändern können. Aber mit einem Augenzwinkern und einem Lächeln auf den Lippen ist der politische Irrsinn vielleicht ein wenig besser zu ertragen.
Ihre Nicole
Definition einer Glosse
Als Glosse wird ein kurzer journalistischer Text bezeichnet, in dem sich der Autor mit aktuellen Nachrichten auf satirische Art und Weise auseinandersetzt. Die Themen einer Glosse können sowohl gesellschaftlich wichtig als auch witzig oder kurios sein.
|
|
Nachricht vom 28.06.2025 |
www.ww-kurier.de |
|
Quelle: 1751112071 |
|
|
|
|
|