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Nachricht vom 03.04.2012
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Fastenaktion: Drei "Wahr-Sager" ziehen Bilanz
Sieben Wochen lang die Wahrheit sagen, nicht flunkern oder lügen. Eine harte Fastenaktion hatten sich Mitglieder der Jugendkirche im Dekanat Selters "Way to J" ausgedacht. Ihre Bilanz: Es ist schwierig, aber nicht unmöglich. Außerdem fühle man sich besser, wenn man aufrichtig und ehrlich mit sich selbst und dem Gegenüber umgehe.
Lästige Referate, gut gemeinte Geschenke oder die Frage nach dem Befinden: Für Katharina Isack, Teresa Hahnel und Matthias Marschall (von links) war\Selters. Die vergangenen sieben Wochen waren hart für Matthias Marschall, Katharina Isack und Teresa Hahnel: Die drei jungen Erwachsenen hatten sich vorgenommen, in der Fastenzeit nicht zu lügen. Eine ungewöhnliche Aktion, auf die sich das Trio gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Selterser Dekanatsjugendkirche "Way to J" eingelassen hat. Und eine überaus erkenntnisreiche.
Eine Erkenntnis: So ganz ohne Lügen und Übertreibungen geht’s dann doch nicht. Denn obwohl die drei Wahr-Sager wussten, worauf sie sich einlassen, haben alle mindestens einmal geflunkert. Wenngleich sie damit recht unterschiedlich umgegangen sind.
Matthias Marschall meint, dass die Lüge bei ihm letztlich zu einer größeren Aufrichtigkeit geführt hat: „Nach einer dreistündigen Schulklausur sollte ich ein Referat halten – wozu ich aber absolut keine Lust mehr hatte. Deshalb sagte ich dem Lehrer, dass ich meine Unterlagen vergessen habe. Und das war gelogen.“ In den kommenden 45 Minuten hat sich der junge Mann „absolut beschissen“ gefühlt, wie er sagt. „Deshalb fasste ich mir am Ende der Schulstunde ein Herz, ging zum Lehrer und gestand ihm, dass ich ihn angelogen habe.“ Statt einer Abreibung warf ihm der Lehrer einen bewundernden Blick zu – ebenso wie seine Klassenkameraden, die die Sache mitbekommen hatten. „Letztendlich war das die Situation, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe: in die Lügenfalle zu tappen, aber dann vernünftig damit umzugehen“, meint Matthias. „Denn so unangenehm das Geständnis auch war: Ich habe das Gefühl, dass ich dadurch etwas gereift bin. Klar ist es blöd, dass ich gelogen habe, aber ich habe es bekannt und dadurch eine Menge Respekt erfahren.“

Katharina Isack ist es auch passiert. Und zwar bei einem feierlichen Abendessen: „Jemand, der mir sehr nahesteht, hat mir ein wertvolles Geschenk gemacht, das mir dummerweise überhaupt nicht gefallen hat. Ich hab's in dem Moment einfach nicht übers Herz gebracht, dieser Person meine ehrliche Meinung zu sagen.“ Sie wirkt immer noch verlegen, während sie erzählt. Obwohl sie mittlerweile weiß, warum sie so gehandelt hat. „Ich hatte mir am Anfang der Fastenzeit vorgenommen, gegen meine Bequemlichkeit zu kämpfen. Denn ich lüge oft, um unangenehme Situationen zu vermeiden, denen ich mich aber eigentlich stellen sollte. Das ist mir in den vergangenen Wochen oft gelungen. Außer an diesem Abend: Ich wollte die feierliche Stimmung nicht kaputtmachen.“ Aber es nagt an ihr – gerade weil sie diesen Menschen so wertschätzt.

Auch bei Theresa Hahnel gab's eine Lüge, die sie in den vergangenen Wochen besonders beschäftigt hat. Die hat sie mittlerweile zwar richtiggestellt, aber mit einer anderen Sache hat sie größere Probleme gehabt: „Das Schwierigste war die Floskel ,Wie geht’s Dir?'. Wenn ich gewusst hätte, wie oft mir diese Frage gestellt wird, hätte ich mich wahrscheinlich gar nicht auf die Fastenaktion eingelassen.“ Denn sie hat versucht, darauf wahrheitsgemäß statt mit dem reflexhaften „gut!“ zu antworten. Und das fiel ihr schwerer als gedacht. „Es ist eben seltsam, wenn man jemanden im Vorbeigehen trifft und dann mit ,nicht so gut' oder ,geht so' antwortet. Irgendwann hat man auf die Trauerkloß-Reaktionen des Gegenübers keine Lust mehr und sagt halt wieder ,gut'.“ Und noch eine Sache war für die junge Frau schwierig: Der Moment, in dem sie selbst angelogen wurde. „Das hat mich besonders verletzt, und ich habe mich gefragt, warum ich sieben Wochen die Wahrheit sage, wenn mir andere ins Gesicht lügen...“

Es war also eine harte, aber wertvolle Fastenzeit für Matthias Marschall, Katharina Isack und Teresa Hahnel. Sieben Wochen, in denen sie bewusster mit sich selbst und ihren Gegenübern umgegangen sind – und in denen sich die jungen Erwachsenen verändert haben: „Der Gedanke, aufs Lügen zu verzichten, hat sich mittlerweile so gefestigt, dass wir damit weitermachen wollen. Und zwar nicht nur für die nächsten sieben Wochen“, sagen sie unisono. „Man fühlt sich eben einfach besser, wenn man aufrichtig ist. Und warum sollten wir wieder in schlechte Gewohnheiten zurückfallen?“ (bon)
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