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Pressemitteilung vom 16.03.2023
Region
Naturnahe Nister: Wunsch und Wirklichkeit gehen weit auseinander
Der NABU Rennerod freute sich beim Vortrag "Naturnahe Nister: Wunsch und Wirklichkeit" von Diplom-Geograph Frank Steinmann über das rege Interesse. Mit fast hundert Zuhörern kam ein Publikum aus Anwohnern, Forstleuten und Landwirten, beruflichen und ehrenamtlichen Naturschützern sowie aus Lehrkräften und Medienvertretern.
So sollte es aussehen. Ein noch ursprüngliches Stück Auwald der oberen Nister. Reichlich beschattet haben Pflanzen und Tiere in und an der Nister optimal Lebendbedingungen. (Fotos: Frank Steinmann)Nister. Die Große Nister ist bekannt mit ihrem malerischen Unterlauf durch die Kroppacher Schweiz. Gewässerökologe Steinmann zeigte an diesem Abend, wie es um den wenig beachteten Oberlauf steht. Klimawandel, Abwässer und Überdüngung schädigen das Fließgewässer und seine Bewohner, die auf kaltes, klares Wasser und eine Bachsohle aus durchlässigem Kies angewiesen sind. So war der erste Teil des Vortrags auf Grundsätzliches gerichtet, unsere Lebens- und Wirtschaftsweise wurde kritisch beleuchtet. Zu den Ideen für einen besseren Umgang mit der Natur gab es ebenfalls Buch-Tipps.

Weiter berichtete Gewässerökologe Steinmann von der drastischen Abnahme der Wassermenge seit den 50er-Jahren bei zunehmenden Einleitungen und Abschlägen der Kläranlagen. Durch den Klimawandel kommt es zu vermehrten Starkregenereignissen, die immer wieder Mischwasserbecken zum Überlaufen bringen. Die Anwohner des Hohen Westerwaldes zeigten sich entsetzt über ihre heimischen Wiesen, die mehrfach im Jahr nach solchen Wetterereignissen mit Fäkalien und Hygieneartikeln überschwemmt werden. Die Bilder der Verschmutzung durch Mischwasseranlagen und Gülleausbringung waren schwer zu ertragen, besonders für Wasser- und Flächenbewirtschafter, die auch zum Vortrag gekommen waren. Aber es gab keine direkten Schuldzuweisungen. Die Mehrheit fühlte sich betroffen: Die Abwässer - ein ungelöstes Problem! Die Bilder von Kranichen, die hier rasten und vom Biber, der hier einen neuen Lebensraum gefunden hat, zeigten aber auch, dass dieser Lebensraum immer noch einen Wert hat.

Dipl.-Geograph Steinmann führte die Zuhörer in Bildern entlang des Oberlaufs der Großen Nister. Der neu ausgebaute Quellbereich hat wenig Natürliches. Die kurz darunter begonnenen Renaturierungen mit dem Entfernen der Betonrinne lassen uns auf eine bessere Zukunft hoffen. Grundsätzlich aber ist der Bach-Lebensraum mit der Forelle als bekannteste Fischart von sommerlicher Austrocknung bedroht und so spielt die Beschattung durch Weiden und Erlen an seinen Ufern eine ganz wesentliche Rolle. Schwarzerlen sind nicht nur für die Beschattung und als Biotop für Vögel und Fledermäuse wichtig. Ihre Wurzeln bilden einen bachbegleitenden Lebensraum, der essentiell ist für Krebstiere und Jungfische. Jedoch wurde am Oberlauf in Bereichen mit geringerem Gefälle die Nister schon vor Jahrhunderten begradigt, der umgebende Auwald gerodet, zugunsten von Wiesen und Weiden die oft direkt an das Fließgewässer heranreichen, welches in die Tiefe erodiert und den Kontakt zum Umland verliert.

Der natürliche Bachlauf wird auch von kleinen Wasserkraftwerken zerschnitten. Für eine "effiziente" Stromerzeugung liegt die Nister auf mehreren hundert Metern vom späten Frühjahr bis in den Herbst hinein komplett trocken. Dadurch wird die Dynamik des Baches empfindlich gestört und die laut Europarecht vorgeschriebene Durchgängigkeit von Fließgewässern unterminiert, das heißt dass unter anderem das bedrohte Wanderfischarten nicht ziehen können und Entwicklungsstadien von Insekten absterben.

Fast wie ein Wunder erschienen da die schönen und lebendigen Bilder aus der naturnahen, noch intakten Bachaue unterhalb mit einer Vielzahl besonderer Bewohner wie Bachneunauge, Bachflohkrebs und zahllosen Köcherfliegenlarven unter den Steinen, die Frank Steinmann zum Abschluss seines Vortrags brachte. Das ist nur möglich aufgrund der Selbstreinigungskraft des fließenden Wassers. Die Gewässermorphologie im Hohen Westerwald zeigt einmalige Strukturen, ist aber auch besonders empfindlich und fragil, da es nur noch wenige Inselhabitate gibt. Deshalb müssen intakte Bachauen unbedingt geschützt und wo möglich erweitert werden.

Der Referent bekräftigte, dass ein guter ökologischer Zustand und der Erhalt der Biodiversität nur mit zeitgemäßen Konzepten und einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit möglich sind, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Dass dies gelingen kann, macht Hoffnung, wenn betrachtet wird, wie viele Interessierte diesen Vortrag verfolgten und in den anschließenden Gesprächen die einzigartige Nisterlandschaft im Hohen Westerwald für einen schützenswerten Lebensraum erachteten.

Die Vertreter vom NABU meinen, es sei machbar, mehr schattenspendende Gehölze und Auwaldstrukturen an den Oberlauf der Nister zu bringen. Als Ausgleich für die Landwirte könnten Randstreifen abgestorbener Fichtenforste in Grünland umgewandelt werden. Artenreiche Wiesen und Weiden sollen mit einer besonderen Insekten- und Vogelwelt weiterhin engagiert geschützt werden. Auwald-Strukturen, dort, wo sie passen am Bach, müssen dem nicht entgegenstehen, denn sie helfen Wasser als lebenswichtiges Element auch für die Wiese länger zu halten.

Der NABU schlägt vor: "An Tagen der offenen Tür sollen Betreiber Möglichkeiten und Grenzen unserer Kläranlagen den Bürgern erklären und Verbesserungskonzepte vorstellen. Neben höheren öffentlichen Mitteln soll auch um freiwillige Unterstützung zum Beispiel durch ein Projekt Nisterpaten geworben werden. Abwassergebühren allgemein jetzt weiter zu erhöhen, ist in Zeiten stark gestiegener Energiekosten, die Bürger und Familien mit kleineren Einkommen außerordentlich belasten, nicht zumutbar."

Am Ende eines bewegenden und ausführlichen Vortrags reichte der Abend nicht mehr zur großen Diskussionsrunde. Der NABU Rennerod und NABU Bad Marienberg wollen zusammen mit Gewässerökologe Steinmann möchten weitere Veranstaltungen dazu anbieten.

Sollten Sie Interesse an einer Nister-Patenschaft oder an einem weiteren Engagement für die Nister und ihre Nebenflüsse haben, wenden Sie sich bitte an Frank Ebendorff, Tel. 0160-95111860 oder an Ludwig Schürg, Tel. 02661-7533. (PM)
   
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